- Die Rechtsanwältin Nina Straßner ist mit ihrem Buch „Keine Kinder sind auch keine Lösung“ beim Authors-MeetUp der herCAREER und als Table Captain der herCAREER@Night dabei
- Sie plädiert für ein höheres Elterngeld, das an eine längere Elternzeit der Väter geknüpft ist, sowie für eine 30-Stunden-Woche für alle
Beschäftigte, die Eltern werden, erleben oft Karrierenachteile. Dies trifft meist Frauen, die sich noch immer öfter um die Familienarbeit kümmern. Diese Diskriminierung hat nicht vorrangig mit mangelnden Schutzrechten im Arbeitsrecht zu tun, sondern vor allem mit gelebter Praxis, meint die Rechtsanwältin, Mediatorin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Nina Straßner, die auf der herCAREER 2019 aus ihrem Buch „Keine Kinder sind auch keine Lösung“ liest.
Elterngeldgesetz, Entgelttransparenzgesetz, Gute-KiTa-Gesetz – die Situation für Eltern ist in den vergangenen Jahren viel besser geworden. „Doch diese Gesetze dienen leider auch als Alibi. Es mangelt daran, dass sie in der Praxis umgesetzt, eingefordert und angewandt werden“, hat die Rechtsanwältin Nina Straßner beobachtet. Meist treffe dies Frauen, da Unternehmen mit ihrem Ausfall rechnen, sobald sie eine tatsächliche oder geplante Schwangerschaft ankündigten. Geringere Löhne und Altersarmut seien für viele die Folge. So verdienten Frauen in Deutschland zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes 60 Prozent weniger als in dem Jahr vor der Geburt des ersten Kindes.
Neue Anreize für Männer schaffen
„Man muss viel stärker Anreize und sogar an manchen Stellen Verpflichtungen schaffen, um das System so zu verändern, dass unbezahlte Familienarbeit auf beide Schultern verteilt wird – beispielsweise über eine radikal neues Elterngeld-System“, schlägt Nina Straßner vor. Die Auszahlung sollte laut der Fachanwältin für Arbeitsrecht höher sein, gleichzeitig aber nur dann gewährt werden, wenn beide gleich lang in Elternzeit gehen. Das führe dazu, dass der Wegfall des oft höheren Gehalts des Mannes nicht so schmerze. Zudem würden dann Arbeitgeber nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass die Frau bei Schwangerschaft ausfalle, sondern dass es genauso oft die Männer betreffe.
Viele Arbeitgeber zeigen auf der herCAREER, dass elternfreundliche Arbeitsbedingungen möglich sind – von Vertrauensarbeitszeit, Kinderzuschlägen, Führungstandems, betriebliche Kindergärten bis hin zu transparenten Gehältern. „Zeit hat den Dienstwagen als wertvollste Währung abgelöst“, betont die Rechtsanwältin, die eine 30-Stunden-Woche bei vollem Gehaltsausgleich befürwortet. Denn Teilzeit sei oft eine Karrierebremse, zu Unrecht. „Außerdem arbeiten wir alle zu viel. Wir haben unsere Zeit mit der Digitalisierung optimiert, aber im Privatleben ist nichts von dieser Zeitersparnis hängengeblieben.“ Viele Beschäftigte blieben infolgedessen noch genauso lange im Office statt Zeit mit den Kindern zu verbringen und seien dabei zudem oft unproduktiv. „Ich schaffe meine Arbeit in sechs Stunden pro Tag, die ich konzentriert arbeite.“
Bessere Information über Schutzrechte
Ein weiteres Problem, warum Eltern Schutzrechte nicht gewährt würden: Viele Arbeitnehmer/innen merkten nicht, wenn sie ungerecht behandelt würden. „Manche Erklärungen von Arbeitgebern klingen gut, sind aber nicht erlaubt“, so die Fachanwältin für Arbeitsrecht. Außerdem sei die Unterschrift der Beschäftigten unter unzulässigen Klauseln in Arbeitsverträgen nicht immer so bindend wie vermutet. „Das Arbeitsrecht erkennt an, dass wir es mit einem Über- und Unterordnungsverhältnis zu tun haben. Das ist kein Vertrag auf Augenhöhe. Jobsuchende unterschreiben viel, wenn sie unter Druck sind und eine Familie ernähren müssen“, so Straßner. Deswegen könne man Arbeitsverträge im Nachhinein oft noch an vielen Stellen korrigieren.
Elternschaft als Garant für Solidargemeinschaft fördern
Nina Straßner hat die Karrierenachteile im Zuge der Elternschaft anfangs am eigenen Leib erlebt: Während ihr Mann, der ebenfalls Rechtsanwalt ist, durch die Heirat als verantwortungsvoller Ehemann galt, hatte zunächst nur sie Nachteile. „Ich war das wandelnde Risiko für Familiengründung.“ Eine kurze Elternzeit reichte um beruflich ins Hintertreffen zu geraten – obwohl sie besser qualifiziert an den Start ging. „Das aufzuholen war unverhältnismäßig hart“, sagt sie heute.
„Kinder sind keine rein private Entscheidung. Sie halten unser System am Laufen“, ist Nina Straßner überzeugt. Niemand müsse Kinder bekommen – so möchte sie den Titel ihres Buches nicht verstanden wissen. Doch die Entscheidung gegen Kinder solle schon selbstgewählt sein. „Wir sollten füreinander einstehen, gerade in einer alternden Gesellschaft. Gute Familienpolitik bringt auch bessere Ergebnisse für Menschen, die gar keine Kinder haben. Die Bedürfnisse sind ganz ähnlich.“
Auf der herCAREER vom 10. bis 11. Oktober 2019 im MTC München nennt Nina Straßner weitere Argumente und Ansätze, wie wir Elternschaft in der Arbeitswelt fördern können – als Referentin beim Authors-MeetUp und als Table Captain der herCAREER@Night, wo sich Besucher/innen mit ihr persönlich austauschen können.
Über die Person
Nina Straßner ist Rechtsanwältin, Mediatorin und Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie schult regelmäßig Unternehmen und Führungskräfte in allen Bereichen des AGG und betreut Präventionsprogramme rund um Diskriminierung am Arbeitsplatz. Nebenberuflich schreibt sie Bücher, Artikel und Kolumnen. In ihrem Blog Juramama entlarvt sie Absurditäten und Ungerechtigkeiten, die berufstätige Mütter erleben. Erst kürzlich wurde sie für den Beitrag „Raus aus meinem Uterus“ über die Doppelmoral der Politik im Umgang mit § 219a, der Ärzten Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft untersagt, mit dem Influencer-Preis „Goldene Blogger“ in der Kategorie „Blogtext des Jahres“ ausgezeichnet. Auf Podiumsdiskussionen und Konferenzen spricht sie häufig über rechtliche und gesellschaftsrelevante Probleme im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie lebt mit ihrer Familie in Kiel.
Im Interview mit der herCAREER erzählt Nina Straßner, was Arbeitgeber tun sollten, um die Vereinbarkeit in Zukunft zu verbessern und wie Männer dabei in die Pflicht genommen werden müssen.