#Elterngeld: Zur aktuellen Debatte liefert Teresa Bücker in der SZ einen differenzierten Beitrag. “Radikal wäre, das Elterngeld endlich sozial-gerecht zu machen. Warum ist die Fürsorge der einen Frau für ihr Baby gar nichts wert und die der anderen 1800€?“
Die geplante Senkung der Einkommensgrenze bringe nur eine geringe Einsparung im Elterngeld-Gesamtetat, so Bücker, und würde „kaum dabei helfen, das wichtigste sozialpolitische Vorhaben der Ampel zu finanzieren: die Kindergrundsicherung.“ Dafür wäre die Abschaffung des „patriarchalischen Relikts“ Ehegattensplitting besser geeignet.
Für überfällig hält es die Autorin, beim Elterngeld den Mindestsatz zu erhöhen. Er liegt seit 2007 bei 300€, der Höchstsatz bei 1800€; einen Inflationsausgleich gab es nie. Der Wertverlust dränge mehr Eltern in Armut und erschwere die gleichberechtigte Aufteilung der Elternzeit.
Besonders kritikwürdig findet sie, „dass Sorgearbeit dem Staat unterschiedlich viel wert ist“: Wer vorher gut verdient hat, erhält ein vielfach höheres Elterngeld als Geringverdienende oder Studierende; Bürgergeldbezieher:innen bekommen gar keins.
Bücker fragt, warum es sich nicht etabliert habe, dass in einer Partnerschaft die Person, die überwiegend die Familienarbeit leistet, von der erwerbstätigen Person finanziell angemessen und gerecht entschädigt wird. „Wenn für die Einkommensgrenze beim Elterngeld die Gehälter der Eltern zusammengerechnet werden, warum hat das gemeinsame Gehalt dann für den Ausgleich der Sorgearbeit bisher keine Relevanz?“
Trotz berechtigter Kritik an der geplanten Reform sieht die Autorin auf der anderen Seite, „dass Menschen mit hohen Einkommen eine gleichberechtigte Partnerschaft mit wenig Mühe und ohne Elterngeld längst selbst herstellen könnten und es mehrheitlich nicht tun. (…) Zu viele Frauen leben in ungleichen Beziehungen, die ihre Freiheit erheblich begrenzen, während ebenso viele Männer das Ungleichgewicht genießen und wenig Interesse daran zeigen, sowohl die eigene Beziehung als auch die Gesellschaft gleichberechtigt zu gestalten.“
Alle, die Gleichberechtigung und Gerechtigkeit wollten, dürften die Abwertung von Berufen mit hohem Frauenanteil und den großen Niedriglohnsektor nicht länger akzeptieren – notwendig seien Löhne, die auch dann zum Leben und für die Altersvorsorge reichen, wenn Jobs mit Fürsorgeverantwortung kombiniert werden. „Sie müssen sich für eine gute, flächendeckende Kinderbetreuung und Schulen einsetzen, die Familien stützen und alle Kinder stärken“, und „dem Staat eine echte Daseinsvorsorge abfordern, zu der auch bezahlbarer Wohnraum zählt.“
Die Idee einer Kindergrundsicherung sei im kollektiven Interesse der allermeisten Frauen, die sich für Kinder entscheiden.
„Ein Fokus feministischer Bewegungen muss sein, dass kein Kind mehr in Armut aufwächst, denn die erwachsenen Menschen, für die Feminismus Gerechtigkeit herstellen will, beginnen ihr Leben als Kinder. Ohne die Politisierung der Kindheit kommen wir immer zu spät.“
Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
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