„Verkehrte Narrative“ heißt unser Podcast mit der Politikwissenschaftlerin und Autorin Gilda Sahebi.

Menschen neigen dazu, Geschehnisse selektiv wahrzunehmen. Dahinter stecken kognitive und soziale Mechanismen, die von populistischen Akteur:innen gezielt genutzt werden. So finden die Vereinfachungen, Teilwahrheiten und Falschaussagen leicht Gehör, die sie absichtsvoll in die Welt setzen.

In ihrer Studie „Populismus als Strategie: Mechanismen von Vereinfachungen und falschen Aussagen“ schreibt die Hans-Böckler-Stiftung: „Wenn Menschen mit Informationen konfrontiert werden, die im Widerspruch zu ihren Überzeugungen stehen, erleben sie kognitive Dissonanz als ein unangenehmes Gefühl. Dieses Unbehagen führt oft zu Strategien zur Reduktion dieser Dissonanz, wie das Ignorieren oder Rationalisieren von widersprüchlichen Informationen.“

Gilda Sahebi sagt im Interview mit Kristina Appel für herCAREER: „Jede Form der Diskriminierung beruht auf einem falschen Narrativ.“

In ihrem Buch „Wie wir uns Rassismus beibringen“ zeigt sie, wie wir alle mit Denkmustern und Vorurteilen sozialisiert worden sind, die zu Abwertung und Ausgrenzung führen. „Das Narrativ der Spaltung ist überall: Wir unterscheiden nach Geschlecht, nach sexueller Identität und Orientierung, nach Herkunft.“ Die Autorin macht aber auch deutlich, wie wir uns dessen bewusst werden und unserem Denken eine neue Richtung geben können.

Sie wünscht sich mehr Ehrlichkeit. „Solange Politiker:innen sich selbst und uns etwas vormachen und so tun, als hätten wir kein Problem mit sexualisierter Gewalt, mit Rassismus, Ableismus und dergleichen, wird sich nichts ändern.“ Das gelte auch für die Medien und in der Bildung.

Anna-Lena von Hodenberg über die „verkehrten Narrative“, die nicht nur unser friedliches Zusammenleben stören, sondern auch unsere demokratischen Werte gefährden.

Annahita Esmailzadehschreibt bei LinkedIn: „Derzeit empören wir uns viel über Symptome, aber vernachlässigen dabei die notwendige Auseinandersetzung mit den Ursachen. In der Konsequenz verlieren wir uns in ideologischen Scharmützeln, statt unseren Fokus auf die Erarbeitung nachhaltiger und tragfähiger Lösungen zu richten.“ Auch sie weist darauf hin, „wie gefährlich es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist, mit populistischer Rhetorik auf Wählerfang zu gehen. Eine solche Spaltung sorgt dafür, dass sich insbesondere Minderheiten zunehmend ausgegrenzt und unwillkommen fühlen. (…) Wir brauchen die Rückkehr zur faktenbasierten und respektvollen Auseinandersetzung.“

Die Fähigkeit zum Kompromiss sei uns abhandengekommen, findet Kirsten Ludowig vom Handelsblatt, Mitinitiatorin von PULSE Women Economic Network. Sie erinnert daran, dass Angela Merkel auf ihrem letzten EU-Gipfel 2021 von einem Amtskollegen als „Kompromissmaschine“ bezeichnet wurde. In ihrer Autobiografie schreibt Merkel: „Ich neigte dazu, Kompromisse einzugehen, wenn die Vorteile die Nachteile im Verhältnis 51 zu 49 überwogen. [..] 100 zu 0 ist mir suspekt.“ (Ganz anders Donald Trump, für den es nur Gewinner und Verlierer gibt.)

Ludowig: „Das finden, was uns verbindet – das sollte überall das Ziel sein, oder? Egal ob in der Familie, unter Freunden, im Kollegenkreis, in Deutschland oder der Welt. Kommen wir zu keinen Kompromissen, trennt uns das und gefährdet unseren Zusammenhalt. (…) Am Ende ist die Welt selten ja-nein oder schwarz-weiß, sondern meistens jein und grau …“

Es liegt an uns allen, ausgrenzende Narrative zu hinterfragen und Fakten zu überprüfen, anderen unvoreingenommen zuzuhören und das Verbindende zu suchen. Nur so erhalten wir unser demokratisches Zusammenleben!

herVIEW - Natascha Hoffner

Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I Preisträgerin des FTAfelicitas-Preis des Femtec. Alumnae e.V.I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I Herausgeberin der Bücher „Frauen des Jahres“ im Callwey Verlag