Auch Männer sind Opfer des Systems Patriarchat. Und von einer echten Gleichberechtigung profitieren auch sie, schreibt Gilda Sahebi in der taz.

„Häusliche und partnerschaftliche Gewalt trifft am häufigsten und in allererster Linie Frauen. Die Täter sind Männer. Diese systematische Gewalt gegen Frauen bedeutet aber nicht, dass das patriarchale System keine verheerenden Auswirkungen für Männer hätte“, so Sahebi.

„Die männerfeindlichen Erzählungen in einem vermeintlich aufgeklärten Land wie Deutschland sind überall. Sie sind versteckt in Filmen, in der Werbung, in Schulbüchern, in Zeitungen, in der politischen Debatte. (…) Die wohl destruktivste – meist unbewusste – Erzählung ist jene, nach der Jungs und Männer ’schwach‘ seien, wenn sie Gefühle zeigten. Die Betonung liegt auf zeigen: Denn natürlich haben alle Menschen Gefühle, egal, welches Geschlecht sie haben.“

Und wenn ein Mensch glaube, seine Emotionen nicht zeigen zu dürfen, bedeute das: „Er wird seine Gefühle unterdrücken. Das heißt: Er wird niemals er selbst sein können; er wird sich niemals kennenlernen oder gar verstehen können; er wird niemals agieren, sondern immer reagieren; seine Gefühle werden sein Handeln ständig unbewusst beeinflussen und steuern.“

Für Männer sei es schwerer, Verbindungen zu anderen Menschen zu knüpfen –  „zum einen, weil Verbindungen zwischen Menschen über Emotionen geknüpft werden. Zum anderen, weil ‚echte‘ Männer nicht nach Hilfe fragen dürfen, sie müssen ihre Probleme mit sich selbst ausmachen. Dass andere um Hilfe zu fragen, zu wissen, was man braucht, Ausweis von Stärke, nicht von Schwäche ist, passt nicht in diese destruktive Erzählung.“

Studien und Kriminalstatistiken zeigten, dass Menschen, die ihre Emotionen nicht kennen und daher nicht mit ihnen umgehen können, eine „Lösung“ in Aggression und Gewalt finden. Opfer von Gewaltdelikten sind sehr oft auch Männer – sie „sind Täter und Opfer zugleich“. Das bedeute absolut keine Entschuldigung für Gewalt: „Jeder Mensch ist für die Entscheidung verantwortlich, andere Menschen zu verletzen. Diese Verantwortung trägt er allein. Es geht um die Erzählungen, die unter dieser Gewalt liegen; Erzählungen, die eine Gesellschaft konstruieren und aufrechterhalten.“

Sahebi findet es insofern unpassend, Männer als „Allys“ zu bezeichnen, die sich für Gender Equality einsetzen. „Es ist genauso ihr Weg. Sie kämpfen für ihre Söhne, ihre Brüder, ihre Väter. Wenn Frauen gleichberechtigt sind, wenn die Zahl der Femizide sinkt, wenn sexualisierte Übergriffe nicht alltäglich sind – dann wird es auch Jungs und Männern besser gehen. (…) Dann werden vielleicht auch weniger Männer ihr Heil in der Wahl von Politikern suchen, die ihnen erklären, was ‚echte Männer‘ seien. ‚Echte Männer‘ sind nichts anderes als die Essenz von Schwäche.“

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Ein Beitrag von herCAREER, 
veröffentlicht bei LinkedIn 04.11.2024