Familienzeit für Väter: „Seit Jahren vertrödelt es die Regierung, Vätern zu ermöglichen, nach einer Geburt zwei Wochen bei ihrer Familie zu bleiben. Jetzt protestieren sogar die Arbeitgeber“, schreibt Tillmann Pruefer bei ZEIT ONLINE.

35 Institutionen haben in einem offenen Brief an die Bundesregierung appelliert, die angekündigte Familienstartzeit endlich auf den Weg zu bringen. Unter den Unterzeichnern sind auch große Unternehmen wie der Waschmittelhersteller Henkel oder die FUNKE Mediengruppe. „Auch aus Sicht von Unternehmen ist die Einführung der Familienstartzeit zur Sicherung des Arbeits- und Fachkräftebedarfs sinnvoll“, heißt es in dem Brief.

Das sei, schreibt Prüfer, „besonders unangenehm für die Freidemokraten, die bei der Familienstartzeit zuletzt immer wieder gebremst haben. Sie hatten argumentiert, die Regelung, wonach Väter nach der Geburt eines Kindes zehn Arbeitstage Sonderurlaub bekommen sollen, komme die Wirtschaft zu teuer. Nun rufen Unternehmen selbst nach der Reform, vor der sie bewahrt werden sollten. Damit ist die Blamage perfekt.“

Deutschland ist das letzte Land in der EU, in dem Väter nach der Geburt eines Kindes keinen automatischen Urlaubsanspruch haben. Dabei hatte die Regierung schon im Koalitionsvertrag vereinbart, der entsprechenden EU-Richtlinie folgend eine solche Freistellung umzusetzen. Zuletzt erklärte die sie, der Entwurf sei noch in der Ressortabstimmung.

Prüfer findet es keineswegs bedeutungslos, „ob Väter die ersten Wochen mit ihren neugeborenen Kindern verbringen. Und das Zeitlupentempo, in dem sich die Regierung ihrem eigenen Vorhaben widmet, zeigt nicht nur, dass in Deutschland die Interessen von Vätern hintanstehen, sondern auch die von neugeborenen Kindern.“ Laut einer Studie in Schweden war bei Familien, in denen Väter beim ersten Kind Elternzeit nahmen, das Scheidungsrisiko um nahezu 30 % niedriger als in Familien, in denen Väter weiter arbeiten gingen. Nachgewiesen wurden zudem positive Auswirkungen auf die Vater-Kind-Beziehung.

„Die präsenten Väter konnten sich besser in ihre Partnerinnen einfühlen, Konflikte wurden besser bewältigt. Weniger Scheidungen, das bedeutet weniger Alleinerziehende, das bedeutet auch weniger Kinderarmut. Das wäre auch für die neoliberalsten Hardliner ein guter Grund, staatlich zu fördern, dass Väter am Wochenbett präsent sind.“

Generell, so der Autor, verbrächten viel zu viele Väter viel zu wenig Zeit mit ihren Kindern. Sie selbst, die Kinder, die Mütter und die Wirtschaft würden von einer besseren Verteilung der Erwerbs- und Familienarbeit profitieren.

„Der engagierte Vater ist kein Wunderbringer, an dessen Wirken die Gesellschaft genesen wird. Aber Kinder und Familien gedeihen am besten, wenn die Aufgaben gerecht verteilt sind – und auch die Zeit, die Kinder mit ihren Eltern verbringen können. Das sollte Normalität sein. Jeder Tag, den die Bundesregierung diese Normalität weiter hinauszögert, ist verlorene Zeit. Vor allem für Kinder.“

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Ein Beitrag von herCAREER, 
veröffentlicht bei LinkedIn 06.06.2024