Der Tabakkonzern Philip Morris hat sich Gender Diversity auf die Fahnen geheftet: Bis 2022 will man weltweit den Frauenanteil im Konzern von 42 auf 50 Prozent heben. Das Unternehmen ist „Equal Salary“-zertifiziert: Frauen verdienen gleich viel wie Männer. Am Standort Gräfelfing hat man ein Family Office für MitarbeiterInnen und ihre Kinder eingerichtet.
Seit August 2019 ist Claudia Oeking Geschäftsführerin External Affairs bei Philip Morris Deutschland – als vorerst einzige Frau im fünf-köpfigen Führungsteam. Davor war sie zwei Jahre lang Mitglied der Geschäftsleitung bei Philip Morris Austria in Wien. Der Weltmarktführer befindet sich wie viele andere Unternehmen mitten in der größten Transformation seiner Unternehmensgeschichte. Mit Alternativen zu Zigaretten für Raucher, die nicht aufhören zu rauchen, wie dem Tabakerhitzer Iqos will man das Ende des Marlboro-Man einläuten; das Unternehmen hofft auf eine „rauchfreie“ Zukunft. Jetzt, in Zeiten dieses Wandels könnten Frauen in Führungspositionen besonders viel bewirken, sagt Claudia Oeking.
„Reibung erzeugt Energie – wenn man sie richtig nutzt.“
herCAREER: Frau Oeking, Sie sind seit August Geschäftsführerin External Affairs bei Philip Morris Deutschland und als einzige Frau neben vier Männern im Führungsteam. Wie ist das für Sie?
Oeking: Es ist nicht neu. Schon in der Kernkraft bei dem Energieversorger EnBW war ich die erste weibliche Führungskraft. Bei Philip Morris in Deutschland gab es bis 2017 mit Stacey Kennedy eine weibliche CEO. Ich wurde jetzt sehr gut aufgenommen, die Kollegen freuen sich, dass ich eine andere Sichtweise und andere Schwerpunkte hineinbringe. Es gehört also quasi zu meinem Aufgabenbereich, anders zu denken.
herCAREER: Meinen Sie damit eine weibliche Sichtweise?
Oeking: Ja, die weibliche Sichtweise ist wichtig. Frauen bringen andere Perspektiven hinsichtlich des Markts ein und sie erzeugen auch mehr abteilungsübergreifende Kollaboration im Unternehmen. Pragmatisch gesehen: Die Bevölkerung – und unsere Konsumentengruppe – besteht zu 50 Prozent aus Frauen. Frauen sollten daher einfach auf allen Hierarchieebenen in den Unternehmen repräsentiert sein. Diversität ist uns generell wichtig, auch hinsichtlich des Alters und der Kulturen. Wenn unsere rund 77.000 MitarbeiterInnen weltweit gleich denken würden, könnte das Unternehmen seine Herausforderungen in Markt und Gesellschaft nicht schaffen. Männer sehen das zunehmend auch so. Und die vielen jungen Leute in unserem Unternehmen erwarten ohnehin Diversität.
herCAREER: Wie wird Ihre Besetzung wahrgenommen? Sind Sie Vorbild für andere Frauen?
Oeking: Es kommen viele Kolleginnen, aber auch Kollegen zu mir, die es toll finden, dass ich in der Geschäftsleitung bin. Wenn Frauen sich an mir orientieren wollen, freut mich das. Mir hat das in meinem Berufsleben früher oft gefehlt. Heute sehe ich viele tolle Frauen im Unternehmen als Vorbilder und jüngere Kolleginnen, die bestimmt in zehn, fünfzehn Jahren den Laden rocken.
herCAREER: Was reizt Sie als Frau in der doch recht männerdominierten Tabakindustrie? Das Image in Sachen Lobbying ist nicht das Beste, in westlichen Ländern häufen sich Rauchverbote.
Oeking: Ich habe das Feld sehr bewusst ausgewählt. Meine Stärke ist die Mittlerrolle an der Schnittstelle zwischen Unternehmen, Politik und Öffentlichkeit. Ich kann mich gut in Vorbehalte, Ängste und gesellschaftliche Erwartungen hineinversetzen. Und dass wir Lobbying betreiben, lasse ich mir gern vorwerfen: es ist wichtig, für seine Interessen einzutreten. Insofern ist das eine reizvolle Aufgabe und spannende Herausforderung für mich, in diesem gesetzlich stark regulierten Bereich zu agieren.
herCAREER: Philip Morris ist inmitten der größten Transformation seiner Geschichte. Warum will ein Tabakkonzern rauchfrei werden?
Oeking: Aus unserer gesellschaftlichen Erwartungen heraus haben vor 15 Jahren unsere Forscher begonnen, Alternativen zur schädlichen Verbrennung während des Rauchens zu finden. Wir möchten den Menschen, die nicht mit dem Rauchen aufhören wollen, eine Alternative bieten. Wir wollen, dass alle erwachsenen Raucher zu solchen Alternativen wechseln. Wir haben als Marktführer mit dieser klarer Ansage den Markt in Wallung gebracht!
herCAREER: Was sind dabei die Herausforderungen?
Oeking: Wir hatten starke Marken, die jeder kannte – jetzt mussten wir plötzlich völlig neue Marken aufbauen. Wir hatten mit der Zigarette ein Einwegprodukt, jetzt ist es ein technisches Produkt, das wir erstmal erklären müssen. Wir müssen viel näher am Konsumenten dran sein und austesten. Das hat alles verändert: den Vertrieb, das Marketing, den Umgang mit der Umwelt. Deswegen muss die Projektplanung und gesamte Arbeitsweise leaner werden, Sustainability stärker ins Unternehmertum einfließen. Die Frage war: wie werden wir vom großen Kahn zum wendigen Motorboot? Der Wandel ist tiefgreifend und geht bis in die Unternehmenskultur: wie arbeiten wir, wie gehen wir miteinander um, wie führen wir, wie hören wir zu? Die Transformation erfasst unser gesamtes Tun und Sein.
herCAREER: Welche Art von Führung braucht es dafür bei Philip Morris?
Oeking: Wir haben ein weltweites Programm zur Unternehmens- und Führungskultur aufgesetzt: wir wollen Führung kollaborativer gestalten, Hierarchien abbauen, ein Ja zur Fehlerkultur und zur Diversität geben. Es geht ums tägliche Dranbleiben und Besserwerden – denn wir fallen natürlich immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück, das gehört zum Change dazu. Doch gerade Auseinandersetzungen, das Zusammenkommen unterschiedlicher Meinungen und Perspektiven sind wichtig. Früher hat man von oben über das Projekt und Budget bestimmt und nach zwei Jahren stellte man fest, das Ergebnis war nicht optimal. Bei der heutigen ökonomischen Geschwindigkeit muss man von vorne herein Annahmen überprüfen und alle Maßnahmen kontinuierlich testen. Und wir können es uns nicht leisten, dass Wissen verloren geht, nur weil jemand nicht in einer Führungsposition angesiedelt ist. Daher brauchen wir eine offene Diskussionskultur aller Mitarbeiter mit vielen Meinungen. Ich bin überzeugt davon: Reibung erzeugt Energie – wenn man sie richtig nutzt.
herCAREER: Wie sehen Sie hier die Rolle von weiblichen Führungskräften – inklusive ihrer eigenen?
Oeking: Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Frauen denken, fühlen und kommunizieren anders als Männer. Das können wir Frauen in der Führungsrolle nutzen, ohne in althergebrachte, eher männliche Managementmuster verfallen zu müssen. Ich habe es bisher erlebt, dass viele Frauen sehr gut darin sind, unterschiedliche Perspektiven zu vereinen und das Verbindende in den Vordergrund zu stellen. Das heißt nicht, dass wir deswegen nicht schwierige Entscheidungen treffen können. Ich persönlich sehe stets das Verbindende und Positive, bin eher wertschätzend und vermittelnd. In der Auseinandersetzung dann aber habe ich eine Vielzahl an Eskalationsstufen. Wenn ich eine Ansage machen muss, dann mache ich sie zuerst ganz ruhig. Hilft das nicht, kann ich schrittweise immer deutlicher werden, wenn es notwendig ist.
herCAREER: Der Frauenanteil in Top-Führungspositionen ist immer noch gering.
Oeking: Ja, hier müssen wir noch deutlich besser werden. In meinem Bereich Unternehmenskommunikation, External and Legal Affairs und Lobbying sind bei uns im Konzern aber zum Glück schon mal mehr Frauen unter den Führungskräften als Männer.
herCAREER: Was können sich Frauen von Männern abschauen?
Oeking: Eindeutig das Netzwerken. Männer sind hier intuitiv: Sie haben ja nicht als kleine Jungs beschlossen, Fußballfans zu werden, um sich in der Kantine später als Booster für ihre Karriere über die neuesten Spielergebnisse auszutauschen. Sie machen es einfach. Wir Frauen sollten das auch: Wir sollten ein Bewusstsein darüber entwickeln, welche tollen Frauen – Expertinnen und Führungskräfte – in unserem Umfeld sind und uns mit ihnen vernetzen. Deswegen freue ich mich auch sehr auf die herCAREER: dort treffe ich tolle Frauen, die ich bereits kenne, und hoffentlich viel neue Gesichter. Wir Frauen sollten uns gegenseitig unterstützen.
Auf der herCAREER 2019 hält Claudia Oeking am 11. Oktober den Vortrag „Perfect match: Female Leadership in the transformation era!“ und ein Karriere-MeetUp zum Thema „Time of my life! How to make a career in the transformation era“.
Über die Person
Claudia Oeking (38) ist ausgebildete Radiojournalistin, sie studierte Betriebswirtschaft in Ravensburg und graduierte in Gießen zum MBA. Ihre Karriere begann sie 2001 als Volontärin bei HIT-RADIO ANTENNE 1, bevor sie in die Pressestelle der Landesregierung im Staatsministerium Baden-Württemberg wechselte. Von 2007 an war sie zunächst für die EnBW Kernkraft in der Kommunikationsabteilung tätig, deren Leitung sie später übernahm. Seit 2013 ist sie bei Philip Morris und hatte verschiedene leitende Positionen im Politik- und Kommunikationsbereich in Deutschland und Österreich inne. Zuletzt betreute sie als Director External Affairs Innovation in der Konzernzentrale von Philip Morris International im schweizerischen Lausanne internationale Politik- und Kommunikationsprojekte. Seit August 2019 verantwortet Claudia Oeking die External Affairs und Unternehmenskommunikation, dazu gehören Scientific & Medical Affairs, das Lobbying sowie Contributions, Corporate Responsibility & Public Relations. Zu dem Geschäftsbereich gehören weiterhin die Regulierungsfunktionen Regulatory Affairs & Reduced Risk Products, Fiscal Affairs und Illicit Trade Prevention.
Hier finden Sie die aktuelle Pressemitteilung von Claudia Oeking.