„Dr. Isabel Rohner war zehn, als im Kanton Appenzell über das Frauenwahlrecht abgestimmt wurde. Gleichberechtigung wurde ihr Lebensthema“, ist in der taz zu lesen. Die Schweizer Autorin hat inzwischen eine neue Wahlheimat, Berlin. Über das Frauenwahlrecht in Deutschland, das es schon etwas länger gibt, schrieb sie in ihrem Buch „100 Jahre Frauenwahlrecht – Ziel erreicht! … und weiter?“
Wie sieht es also mit den Frauenrechten heute aus? „Wir sind weiter als vor 100 Jahren. Trotz Backlash.“ Bei Backlash fällt ihr spontan Afghanistan unter den Taliban ein. „Aber wenn Leute jetzt sagen, es sei ein Fehler gewesen, da reinzugehen, sage ich: ‚Nein!‘ In den Jahren, in denen die Taliban nicht da waren, haben Mädchen Schulbildung erhalten. Allein dafür war es das wert.“
An die Diskussion vor der Einführung des Frauenwahlrechts im Schweizer Kanton Appenzell – der letzten Bastion einer rein männlichen Wählerschaft – erinnert Rohner sich so: „Damals habe ich im Fernsehen und Radio lauter misogyne Stimmen gehört. So was wie: ‚Aber können Frauen überhaupt wählen?‘ Oder: ‚Sollten Frauen wirklich über den Bau einer Turnhalle mitbestimmen dürfen?‘“ Die Debatten seien besonders absurd gewesen, da auch die Appenzellerinnen seit 1971 auf Bundesebene wahlberechtigt waren, auf kantonaler Ebene wurde ihnen das Recht jedoch verwehrt.
Mit ihrem Schreiben sieht Rohner sich in der Tradition der Publizistin, Romancière und Literaturkritikerin Hedwig Dohm, die schon 1873 das Stimmrecht für Frauen forderte und für deren rechtliche, soziale und ökonomische Gleichstellung eintrat. Später geriet sie in Vergessenheit und wurde von der Frauenbewegung in den 1970er Jahren „wiederentdeckt“. Doch „der Witz ist, dass jede Frauenbewegung denkt, sie müsste das Rad neu erfinden“, sagt Rohner. Dabei habe es auch schon vor Hedwig Dohm Frauenrechtlerinnen gegeben. „Die Geschichte der Frauen ist eine unerzählte – bis heute.“
Autorinnen seien nach wie vor weniger sichtbar als Autoren. „In allen Medien wird Autoren bei Besprechungen mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht: Zwei Drittel der rezensierten Bücher sind von Männern verfasst“ – laut einer Studie der Uni Rostock. Obwohl mehr Frauen Bücher lesen als Männer. Rohner: „Als Leserin beschäftigt man sich ständig mit dem männlichen Blick.“
Seit 2006 arbeitet die Autorin gemeinsam mit einer Historikerin an einer mehrbändigen Gesamtausgabe der Werke Hedwig Dohms. Ihr Antrag auf Fördergelder wurde abgelehnt. Ein potenzieller Geldgeber meinte: „Ich fasse das mal zusammen: Sie wollen das Werk einer toten Feministin rausbringen. Und sind zwei lebende Feministinnen. Das sind gleich drei Gründe für eine Absage.“ Da helfe nur noch eins, sagt Rohner: „Ohne Humor können sich Feministinnen nur einen Strick nehmen.“
Ein Beitrag von herCAREER,
veröffentlicht bei LinkedIn 19.12.2023
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