Für viele Frauen sind Gehaltsverhandlungen ein Graus.
Doch wer sich zu schnell einschüchtern lässt und schlecht verhandelt, hat hinterher den schwarzen Peter, sprich, zu wenig Geld auf dem Gehaltszettel.
Heidi Stopper, Karrierecoach und Expertin für Karriere- und Gehaltsfragen, und Robert Franken, digitaler Potenzialentfalter und Feminist, liefern sich demnächst auf der herCAREER zu dem Thema einen Schlagabtausch. Im Interview geben Sie bereits vor der Messe einige Tipps, worauf es bei Gehaltsverhandlungen ankommt.
Der Titel Ihres Vortrags auf der herCAREER lautet „Gehaltsverhandlungen – mit Spaß zu mehr Geld“. An Spaß denken vermutlich die wenigsten Frauen bei dem Thema. Inwiefern kann Gehaltsverhandlung Spaß machen?
Heidi Stopper: Spaß macht eine Gehaltsverhandlung immer dann, wenn sie zu einem erfolgreichen Ergebnis führt.
Robert Franken: Aber der Spaß muss nicht notwendigerweise nur für die- oder denjenigen reserviert sein, die oder der mehr Geld für sich aushandelt. Es geht dabei auch um gegenseitigen Respekt.
Kommt der Spaß also erst hinterher, wenn die Verhandlung schon gelaufen ist?
Heidi Stopper: Nun ja, Spaß ist auch für die Verhandlung selbst ein wichtiger Faktor. Eine Verhandlung verläuft nur dann erfolgreich, wenn Sie mit einer positiven Einstellung reingehen. Als ich das erste Mal im arabischen Raum war und mir in einem Basar etwas super gut gefallen hat, wusste ich, um das Feilschen komme ich nicht herum. Das war für mich aber ganz furchtbar unangenehm. Mein Gegenüber sah gleich, mit der macht es keinen Spaß zu verhandeln. Verhandeln habe ich erst etliche Jahre später im Job gelernt. Das ist eine Frage der Haltung. Wer sich sagt, „Gehaltsverhandlung ist eine interessante und gute Sache; Meine Verhandlungspartner sind mit allen Wassern gewaschen, aber da gehe ich jetzt einfach mal positiv ran“, erreicht bessere Ergebnisse. Mit einer guten Vorbereitung kann man so ein Gespräch ganz unverkrampft angehen.
Robert Franken: Womit wir auch wieder beim Thema Respekt wären: Eine gute Vorbereitung ist Zeichen gegenseitigen Respekts.
Eine gute Vorbereitung ist demnach das A und O. Was ist dabei das Wichtigste?
Heidi Stopper: Die meisten Leute denken ja, Sie müssen vor allem herauszufinden, wie vergleichbare Positionen bezahlt sind und wie eine Stelle bewertet wird. Das ist absolut richtig, aber nicht alles. Es ist schlau, auch darüber nachzudenken, was für ein Typ mein Verhandlungspartner ist. Wie reagiert mein Gegenüber auf Druck? Was wirkt bei meinem Chef besonders gut – etwa wenn ich ihn für seine Fairness lobe? Und wann ist der richtige Zeitpunkt das Thema Gehalt vorzubringen? Über Psychologie und Einfühlungsvermögen kann man einiges erreichen.
Robert Franken: Wichtig finde ich in diesem Zusammenhang auch die Frage: Versuche ich mich zu vermarkten wie Sauerbier oder argumentiere ich im festen Wissen um meinen Wert, meine Fähigkeiten und meine Erfolge? Letzteres funktioniert nur dann, wenn es nicht in Arroganz oder Anmaßung umschlägt.
Wann ist denn generell der richtige Zeitpunkt für ein Gehaltsgespräch?
Heidi Stopper: Nicht nur einmal im Jahr, wenn standardmäßige Jahresgespräche laufen. Das Mitarbeitergespräch kann sich zwar eignen, zumindest erwartet der oder die Vorgesetzte da, dass das Thema auf den Tisch kommt. Aber vielleicht hat die Führungskraft da gerade eine schlechte Nachricht bekommen, ist schlecht gelaunt oder es herrscht allgemein ein angespanntes Verhältnis. Dann ist es nicht der richtige Moment. Gehaltsverhandlungen finden sowieso 365 Tage im Jahr statt. Chefs können nicht alles wissen, deshalb muss ich immer ein gutes Selbstmarketing machen. Damit meine ich nicht so ein Rumgegockele. Aber Sie sollten darauf hinweisen, was Sie gut machen. Führungskräfte haben so viel auf dem Radar, da können sie nicht alles mitkriegen.
Karriere-Ratgeber empfehlen gern so Psychotricks wie ungerade Gehaltszahlen zu nennen oder generell immer viel mehr zu verlangen. Was halten Sie von solchen Ansätzen?
Heidi Stopper: Sicher ist nicht jeder Verhandlungsansatz und jede Taktik für jedes Gespräch geeignet. Aber generell ist es schon sinnvoll, sich mit Verhandlungstaktik zu beschäftigen und sich in das Thema einzulesen. Meist gilt: Wer zuerst eine Zahl nennt, verliert. Denn wenn einmal eine Summe im Raum steht, können Sie nicht mehr hochgehen, sondern dann geht es nur noch runter. Wenn man in die Situation kommt, zuerst eine Summe zu nennen, sollte man also tatsächlich mehr verlangen, als man möchte. So kann man sich gemeinsam einer Win-Win-Situation annähern. Die Kunst ist es aber einen guten Korridor zu finden. Wenn man es überreizt, kann die Verhandlung auch schnell vorbei sein.
Robert Franken: Wobei ich als Vorgesetzter durchaus schon einmal mehr angeboten habe, als gefordert wurde. Das war ein sehr interessanter Gesprächsverlauf. Mein Gegenüber hatte sich unter Wert verkauft, daher wollte ich ein Signal der Wertschätzung senden. Das kann man natürlich nicht immer machen.
Aber im Prinzip ist es besser, zunächst das Gegenüber kommen zu lassen?
Heidi Stopper: Genau. Das ist für Sie nämlich auch ein Anhaltspunkt, welche Wertigkeit die Position für eine Firma hat. Von dem ersten Angebot können Sie dann immer noch ein Stück hochgehen. Da gibt es fast immer eine gewisse Verhandlungsmasse.
Wie gelingt es am besten, die eigene Wertigkeit richtig einzuschätzen?
Heidi Stopper: Da geht nichts über eine gute Recherche. Wenn Sie schon im Unternehmen sind, haben Sie natürlich einen gewissen Wissensvorsprung. Sie wissen dann meistens, wie Ihr Verhandlungspartner tickt und wie das Gehaltsgefüge ist. Aber auch bei einer Bewerbung von außen können Sie sich informieren – nicht nur im Netz, sondern auch in Ihren Netzwerken oder bei Bekannten, die eine ähnliche Ausbildung haben. Dabei sollten Sie aber im Hinterkopf behalten, dass nicht jedes Unternehmen dem Markt komplett folgt. Es kommt auch auf die Unternehmensgröße oder die Etablierung am Markt an. Start-ups bezahlen meist weniger Gehalt, bieten dafür aber vielleicht hohe Freiheitsgrade und flache Hierarchien. Gehalt allein ist ja nicht alles. Es kommt auf das Gesamtpaket an.
Frauen verdienen nicht selten weniger als Männer in gleichen Positionen. Stichwort Gender Pay Gap. Inwiefern hat das aus Ihrer Sicht auch etwas mit Verhandlungsführung zu tun?
Heidi Stopper: Das Kind fällt meistens schon ganz am Anfang in den Brunnen. Aus meiner langjährigen Karriere als Personalerin weiß ich, dass Frauen gerade in der Einstellungsverhandlung nicht so hart verhandeln wie Männer. Wenn sie eine Position inhaltlich spannend finden, ist ihnen das wichtiger als das Gehalt. Oft denken sie, „Ich bin froh, wenn die mich nehmen. Wenn ich erstmal drin sind, kann der Rest, sprich das Gehalt, sicher auch noch klar gezogen werden“. Das ist aber nicht der Fall. Warum sollte der Arbeitgeber das Gehalt dann plötzlich deutlich anheben, wenn jemand sich einmal so unter Wert verkauft hat? Chefs planen einen bestimmten Anteil ihres Budgets für das Gehalt ein und wenn sie eine Person besser bezahlen, müssten sie eigentlich den anderen in den Gehaltsrunden weniger geben.
Robert Franken: Ich kann gerade vor dem Hintergrund des Gender Pay Gap nur dazu auffordern, keine falsche Bescheidenheit aufkommen zu lassen. Das System wird so etwas ausnutzen und die Folgen ziehen sich durch das gesamte Erwerbsleben.
Frauen lassen sich in Verhandlungen leicht einschüchtern. Wie können sie mehr Selbstvertrauen gewinnen?
Heidi Stopper: Durch Üben, Üben und nochmal Üben. Wir verhandeln für uns selbst das Gehalt nur ein paar Mal im Leben. Arbeitgeber sind da im Vorteil: Für sie ist eine Gehaltsverhandlung Normalität. Für die Beschäftigten ist das Thema auch viel emotionaler. Das kann man nur ausgleichen, indem man viel übt. Frauen können zum Beispiel eine Freundin oder einen Freund bitten, die Verhandlungssituation mit ihnen durchzuspielen. Wenn man sieht, wie andere für einen verhandeln würden, kriegt man viele Anregungen. Mein Tipp für Frauen ist auch, sich immer mal wieder zu bewerben, gerade auf Jobs, die sie vielleicht gar nicht so toll finden. Ich nenne das „Testing the Water“. Einfach mal den Finger in den Wind halten und ausloten, wie der Markt auf einen reagiert. Wenn man da ohne Verbissenheit rangeht, verhandelt es sich gleich viel cooler.
Robert Franken: Ich empfehle den gedanklichen Versuch, das Thema Geld ein wenig vom eigenen Ich zu trennen, jedenfalls vorübergehend. Mit etwas Abstand verhandelt es sich besser. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, ich handle als oder für eine dritte Person. Und ich nehme mir vor, das beste Ergebnis für diese Person zu erzielen. Dann bin ich nicht so angreifbar, wenn man versucht mich runterzuhandeln – und kann besser dagegenhalten.
Haben Sie mal ein Beispiel aus Ihrer Karriere: Wann sind Sie einfach mal cool geblieben?
Heidi Stopper: Als ich einmal von einem Headhunter angesprochen wurde, war ich mir zunächst nicht so sicher. Ich hatte eher Zweifel, ob ich die angebotene Position wirklich so spannend finde. Nach dem Bewerbungsgespräch fragte mein angehender Chef mich: „Frau Stopper, wo stehen wir auf einer Skala von 0 bis 10? 0 heißt, Sie stehen gleich auf und gehen, 10 heißt, wo ist der Vertrag zum Unterschreiben.“ Er signalisierte deutlich, dass er das Gespräch sehr gut fand. Meine Antwort war: „Wo kann man nach einem ersten spannenden Gespräch schon stehen, bei 5 vielleicht. Aber ich bin interessiert noch viel mehr zu erfahren“. So entstand ein Gespräch auf Augenhöhe. Und Sie können sich vorstellen, dass die Gehaltsverhandlung dann eine sehr angenehme Angelegenheit war.
Haben Sie während Ihrer beruflichen Laufbahn immer genauso viel verdient wie die Kollegen des anderen Geschlechts in vergleichbaren Jobs?
Heidi Stopper: In meinem zweiten Job habe ich nach einiger Zeit herausgefunden, dass ich deutlich weniger verdiente, wie meine viel älteren männlichen Kollegen. Im Jahresgespräch habe ich das auch direkt angesprochen – ohne Ergebnis. Mein Chef wusste ja, wie wir verdienen. Das nur zu benennen hat nichts bewirkt. Erst als er mitbekommen hat, dass ich extern Gespräche führe, hat er mein Gehalt angepasst. Ich wäre tatsächlich gegangen. Später ist mir das nicht mehr passiert und ich habe mir in den Verhandlungen immer ein Limit gesetzt und hart durchverhandelt.
Wie können Frauen damit umgehen, wenn sie von Ungleichbezahlung im Vergleich zu Kollegen erfahren?
Heidi Stopper: Vergleich ist der Tod der Zufriedenheit. Wenn Sie einmal ein Jahr in einem Unternehmen sind und mitkriegen, dass alle anderen mehr verdienen als Sie, dann ist das so eine frustrierende Situation. Dann zum Chef zu gehen und sich zu beklagen, führt in der Regel zu nichts. Deshalb ist es ja so wichtig, dass Frauen an ihrer Haltung arbeiten. Wer einen distanzierteren Blick auf das Thema erlernt, kommt von Anfang an nicht in diese Situation. Gehaltsverhandlung ist ein Teil der beruflichen Tätigkeit – nicht mehr und nicht weniger. Wenn man das gut macht, wird man fair bezahlt. Wenn man die Aufgabe schlecht meistert, hat das katastrophale Folgen für die Arbeitszufriedenheit als solche. Die Auswirkungen wirken oft noch sehr lange nach. Und dabei gibt es doch auch tolle und faire Chefs. Es lohnt sich, sie zu suchen.
Auf der herCAREER geben Heidi Stopper und Robert Franken in dem Vortrag „Gehaltsverhandlungen – mit Spaß zu mehr Geld“ weitere Tipps, wie Frauen ihr Gehalt erfolgreich aushandeln können: Freitag, 12. Oktober 2018, 11 bis 11.30 Uhr, Auditorium 2 – Halle 4 im MTC München.
Über Heidi Stopper
Heidi Stopper hat viele Jahre als Führungskraft und Vorstand im Personalbereich gearbeitet, zuletzt als Vorstand im MDAX. Coaching und Beratung von Führungskräften aller Ebenen, insbesondere des Topmanagements, war immer ein wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit. Heute ist sie Unternehmerin, eine der gefragtesten Topmanagement-Coaches und Beraterin zum Thema Karriere und berufliche Positionierung. Sie sitzt in etlichen Beiräten, ist Kuratoriumsvorsitzende der Macromedia und leidenschaftliche Förderin von Frauen im Berufsleben.
Über Robert Franken
Robert Franken unterstützt Unternehmen bei Positionierung, Strategie und digitalem Wandel. Einer seiner Beratungsschwerpunkte sind Organisationskulturen. Er setzt sich für Diversity und Gender Equality ein und hat u. a. die Plattform „Male Feminists Europe“ mitgegründet. Auf seinem Blog „Digitale Tanzformation“ schreibt der ehemalige CEO von Chefkoch.de und urbia.de über wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven der digitalen Transformation und über die Frage, welche systemischen Rahmenbedingungen den (nicht nur) digitalen Wandel hemmen oder beschleunigen können. Robert Franken ist Beirat von PANDA, der Competition für weibliche Führungskräfte. Und seit dem 8. März 2018 ist er einer der vier ehrenamtlichen Botschafter für #HeForShe Deutschland.