„Frauen aus der Generation der Gastarbeiter gelten oft als Anhängsel ihrer Ehemänner. Schwach. Unterdrückt. Dabei kamen viele ohne Mann – und nicht nur zum Arbeiten.“ Nina Monecke sprach für ZEIT ONLINE (€) mit der Griechin Asimina Paradissa.

1966 wollte die 19-jährige Paradissa zum Arbeiten nach Deutschland und brauchte für den Arbeitsvertrag die Unterschrift ihres Vaters. Er war dagegen und hatte schon einen Ehemann für sie vorgesehen. Ihr Bruder konnte die Eltern schließlich umstimmen, und beide fuhren nach München. Fortan, so Monecke, traf Paradissa alle Entscheidungen in ihrem Leben ohne Mann. Sie lebt nun seit über 40 Jahren in Wuppertal.

1968 machten sich 42 % der Gastarbeiterinnen allein auf den Weg. Das war durchaus gewollt – ledige und kinderlose Frauen galten hierzulande als belastbarer, mobiler und zeitlich flexibler als verheiratete. Doch manche ließen auch Ehemann und Kinder in der Heimat zurück und wurden zu Ernährerinnen ihrer Familien.

Lange habe sich niemand dafür interessiert, wie es ihr als Gastarbeiterin in Deutschland erging, sagt Paradissa. Die in Dokus und Bildern dargestellte Geschichte der Gastarbeiter ist oft eine männliche. 1973 waren jedoch 30 % der ausländischen Arbeitskräfte weiblich, mehr als 706.000 Gastarbeiterinnen lebten in Deutschland. Zu einer Zeit, in der nicht einmal ein Drittel der westdeutschen Frauen berufstätig war.

Paradissa arbeitete bei verschiedenen Firmen, zuletzt 32 Jahre bei einem Automobilzulieferer. Von ihrem ersten Ersparten kaufte sie sich eine Kamera und eine Schreibmaschine. Während der Arbeit dachte sie sich Gedichte aus und schrieb sie abends mit der Maschine, einige davon veröffentlichte sie später in Griechenland. Die Gedichte handeln von Heimweh, von der Kälte in Deutschland, vom Problem, als Griechin eine Wohnung zu finden, von einer Nachbarin in Wuppertal, die im Vorbeigehen immer verächtlich „die Ausländer schon wieder“ schnaubte.

Sie blieb unverheiratet – ihre Freiheit sei ihr immer wichtiger gewesen. Dafür fotografierte sie bei Hochzeiten von griechischen und deutschen Freundinnen. Die Zeit als Gastarbeiterin hat sie gut dokumentiert. Ihre Fotos sind laut Monecke Zeugnisse dessen, was zuletzt auch in Dokus und Büchern migrantischer Autor:innen deutlich wurde: Zur Geschichte der Gastarbeiter:innen gehörte neben den Fabrikhallen auch Freude und Feiern.

Für Paradissa bedeutete das Leben in Deutschland Emanzipation. Obwohl Frauen wie sie ausgebeutet wurden: Für Gastarbeiterinnen waren die unattraktivsten Arbeitsplätze vorgesehen, ungelernte Tätigkeiten in Industrie und Dienstleistung. Dafür wurden „Leichtlohngruppen“ eingeführt, in denen Frauen 30 % weniger verdienten als männliche Gastarbeiter. Die Frauen streikten dagegen – und erreichten Schritt für Schritt die Aufhebung der diskriminierenden Lohngruppen.

Heute erhalten die Gastarbeiterinnen von damals im Schnitt eine Rente von 661 €. Bei Paradissa sind es immerhin 930 €.

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Ein Beitrag von herCAREER, 
veröffentlicht bei LinkedIn 11.03.2024