Männer- und Familienbild in Deutschland
Warum ist es so schwer, Männer dafür zu begeistern? Moderne Väter wollen doch auch Zeit für ihre Familie haben! Wie kann man das anstellen, dass Männer Gleichstellung auch als ihre Aufgabe begreifen?
Man kann es ihnen nicht verordnen, aber man kann Voraussetzungen dafür schaffen, dass es schneller geht. Das Thema Elternzeit hatte ich bereits angesprochen. Die so genannten Vätermonate sind zum Teil kontraproduktiv, wenn es nur zwei werden und wenn die Erfahrungen ausschließlich aus einem Familienurlaub bestehen, danach aber alles weitergeht wie zuvor. Viele Männer müssen sich gar nicht bewegen, also tun sie es auch nicht. Hier wünsche ich mir mehr Konsequenz der Partnerinnen, indem sie ihre Haltung gegen Widerstände durchsetzen – auch wenn das Kämpfe sind, die sie in ihrer Partnerschaft kämpfen müssen.
Sie sagten es bereits: Deutschland wandelt sich, aber es geht sehr langsam voran. Woran liegt das?
Blickt man in die Niederlande oder nach Skandinavien, dann wirkt das deutsche Männer- und Familienbild ziemlich antiquiert. Dort ist längst selbstverständlich und tief in der Gesellschaft verankert, was hierzulande noch als diskussionswürdig gilt. Die Quote in Deutschland ist ein politisches Signal, nicht mehr und nicht weniger. Veränderung müssen wir alle bewirken, da hilft es nicht Zustände zu beklagen und auf ausschließlich politische Lösungen zu warten. Meine Empfehlung ist es, endlich familienfreundliche Verhältnisse und Flexibilität zu ermöglichen. Arbeitgeber müssen sie bieten, aber Männer und Frauen müssen sie auch vehementer einfordern.
Gerade haben wir (wieder einmal) eine Sexismus-Debatte, dieses Mal bei den Parteien. Helfen solche Debatten?
Es wurde in diesem Zusammenhang häufig gesagt, Sexismus sei kein Parteien-, sondern ein Gesellschaftsproblem. Das stimmt zwar – für mich steckt da aber schon wieder zu viel an Verharmlosung drin. Natürlich gibt es Alltagssexismus, den es zu bekämpfen gilt. Aber der Fall Jenna Behrends bietet die Chance so etwas auch ganz konkret aufzuarbeiten. Eine breite Debatte zu fordern ist meiner Meinung nach auch ein politisches Ablenkungsmanöver.
Was sollten Männer tun, wenn sie so etwas im Beruf erleben? Wie verhalten sie sich am besten?
Da gibt es keine best practice. Eines ist jedoch ganz klar: Niemand darf darüber hinwegsehen. Erst wenn klar ist, dass das Prinzip „Null Toleranz“ heißt, ist das Umfeld sicher genug. Wer Zeuge von solchen Vorfällen wird, der sollte seinen Vorgesetzten in Kenntnis setzen und auch dann keine Ruhe geben, wenn irgendjemand versucht das zu verharmlosen. Das Argument, gewisse Dinge seien ja „nicht so schlimm“, ist übrigens der Beginn einer solchen Verharmlosung.
Sie haben „Male Feminists Europe“ gegründet. Was wollen Sie damit erreichen?
Wir wollen eine intellektuelle Brücke für Männer zur feministischen Agenda schlagen. Wir wollen zeigen, dass es Männer einiges angeht, was der Feminismus fordert. Uns geht es auch um eine europäische Perspektive, daher die englischsprachige Plattform. Man kann eine Menge von anderen Ländern lernen, diesen Austausch wünschen wir uns langfristig. Unser Ansatz ist dabei nicht dogmatisch, sondern auch thematisch recht breit. Wir wünschen uns, dass Männer ihre Haltung zum Feminismus und zu seinen Themen reflektieren und dass sie beginnen sich zu äußern und sichtbar zu werden.
Wie reagieren die Menschen, wenn Sie sich als Feminist bezeichnen?
Ich selbst trage das nicht unbedingt vor mir her. In Ermangelung einer Alternative habe ich mich eben irgendwann als Feminist bezeichnet. Natürlich gibt es eine hohe Reaktanz, vor allem aus der anti-feministischen und maskulistischen Ecke, dort werde ich durchaus angefeindet. Aber das ist gar nichts im Gegensatz zu den Anfeindungen, die Frauen und Feministinnen erleiden, deshalb kann ich das ganz gut ab. Als weißer Mann in Deutschland ist man extrem privilegiert, daher ist es auch eine Verpflichtung sich hier einzusetzen.
Wie ist denn die Resonanz der Männer auf „Male Feminists Europe“?
Sie könnte gerne noch größer sein. Aber bei bestimmten Initiativen, wie zum Beispiel bei #men4equality, der Selbstverpflichtung von 25 Erstunterzeichnern, nicht mehr auf reinen Männer-Events zu sprechen, war die Resonanz sehr erfreulich. Wir müssen Themen setzen und die Diskussion in Gang halten, dann können wir unseren Beitrag zur Debatte leisten. Ich freue mich über weitere Mitstreiter!
Die Diskussion zwischen Robert Franken und Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, fand im Rahmen der herCAREER 2016 statt und das Interview erfolgte im Rahmen dessen.