Matthias Hilden vom Bundesverband der Personalmanager e.V. (BPM) und herCAREER-Initiatorin Natascha Hoffner im Gespräch über Frauenkarrieren und warum sie immer noch Unterstützung benötigen – von den Frauen selbst und von Führungs-Männern.

BPM und herCAREER im Gespräch

Frau Hoffner: Woran denken Sie, wenn Sie diesen Satz von einer männlichen Führungskraft hören: „Wir suchen ja Frauen, aber finden keine!“?

Das mag auf den ersten Blick so zutreffen. Aber man muss ja in der Hierarchie nach oben schauen. Und dort trifft man in allen Branchen weniger Frauen an als Männer. Daraus könnte man nun ableiten, dass Frauen ganz generell weniger Interesse an Führung und dem Top-Management haben. Dem möchte ich allerdings widersprechen, denn aus Studien wissen wir unter anderem, dass Kinder für Frauen den „Karrierekiller“ darstellen, für Männer sich aber sogar förderlich für die Karriere auswirken können. Die Erwerbstätigenquote von Frauen mit Kindern beträgt heute rund 70 Prozent. Leider ist die partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben nur in wenigen Haushalten Normalfall. Und die sogenannte „Child Penalty“, also die langfristige negative Auswirkung von Kindern auf Lohn und Gehalt von Frauen, tut ihr Übriges dazu und liegt in Deutschland bei 61 Prozent. Das ist doch Wahnsinn!

Zum Ungleichgewicht trägt letztlich auch noch dazu bei, dass Frauen für dieselbe Arbeit anders vergütet werden. Und dass Frauen den überwiegenden Teil der Elternzeit nehmen, da  der Partner deutlich besser bezahlt wird.

Wollen Unternehmen mehr Frauen in Führung gewinnen, wird das nur möglich sein, wenn für Männer in den Unternehmen Anreize geschaffen werden, sich die Care- und Hausarbeit sowie die Kindererziehung partnerschaftlich aufzuteilen. Inzwischen möchte die jüngere Generation mehr Zeit für die Familie haben.

Herr Hilden: Was waren Ihre Beweggründe dafür, diese Thematik auf der herCAREER zu adressieren?

Es ist offensichtlich, dass es zu diesem Thema nicht so läuft wie sich das alle Beteiligten vorstellen. Viele Unternehmen haben Programme zur Förderung von Frauen aufgesetzt und trotzdem ist bisher von außen nur wenig signifikante Veränderung erkennbar.

Frau Hoffner: Was glauben Sie, woran liegt es, dass sich immer noch viel zu wenig Männer dazu bekennen, Frauenkarrieren aktiv mit anzuschieben bzw. sich einzugestehen, dass es häufig an ihnen und ihrem Widerstand liegt?

Tatsächlich erlebe ich immer wieder, dass das Thema Gleichstellung mit dem Hinweis auf die gesetzliche Verankerung vom Tisch gewischt wird. Ich kann nur aufrufen, sich als deutscher Mann mit Mitte 40 seiner Privilegen bewusst zu werden. Der Psychologe und Leiter des Wiener Männergesundheitszentrums Romeo Bissuti  hat gesagt: „Für Menschen mit Privilegien fühlt sich Gerechtigkeit wie Benachteiligung an.“ Die Männer müssen sich dessen ungeachtet entscheiden, ob sie an der Verwirklichung von Chancengleichheit mitwirken oder für die Ungleichheit mit verantwortlich sein wollen.

Vereinzelt Frauen in Führungsteams zu holen, wird meiner Meinung nach keine Veränderung bewirken. Eine Quote scheint mir also unabdingbar – auch und gerade im Interesse der Unternehmen. Sie stehen gerade vor unglaublich großen Veränderungen und brauchen die Frauen …

Aber ohne die Männer, die Unternehmen und das Zutun der Politik werden wir nicht den Wandel herbeiführen können, den wir tatsächlich brauchen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Gerne möchte ich alle einladen, sich auf der herCAREER selbst ein Bild zu verschaffen. Mit der herCAREER wollen wir auf die Vorzüge von Unterschieden aufmerksam machen, die allein bei dieser Messe rund um die weibliche Karriereplanung so vielfältig sind.

Herr Hilden: Welche Erfahrungswerte können Sie denn den Frauen im MeetUp geben, die die Männer in ihrem Unternehmen immer noch als Bremser wahrnehmen?

Wir alle sind geprägt durch unsere Erfahrungen und haben dadurch entsprechende Verhaltensmuster entwickelt. Diese kann man nicht von heute auf morgen ändern. Und auch bei den sogenannten „Bremsern“ gibt es Gründe warum sie sich so verhalten. Man wird diese nur schwer ändern können, sodass es bei einem selbst liegt, Wege zu finden diese Leute von einem zu überzeugen. Dafür benötigt es Verbündete bzw. Unterstützer/Mentoren, die einem dabei beraten und Möglichkeiten haben ihren Einfluss in der Organisation geltend zu machen. Unerlässlich aus meiner Sicht ist es allerdings, dass es von Seiten der Unternehmensleitung ein klares Commitment zu der Thematik Frauenförderung gibt. Sollte dies nicht der Fall sein, dann ist es unendlich schwer eine Entwicklung/Karriere als Frau in diesem Unternehmen zu realisieren.

Frau Hoffner: Wie sollte Ihrer Meinung nach ein klares Bekenntnis zur Förderung von Frauenkarrieren auf beiden Seiten aussehen?

Ich würde mir wünschen, dass wir Frauen nicht weiter sagen müssen, wie sie sich in einem stark männlichen System erfolgreich positionieren können. Es wäre doch weitaus wünschenswerter, die bestehenden Systeme auf ihre Fairness hin zu prüfen und auch zu verändern, damit sie auch das Potenzial der Frauen wirklich nutzen können. Wir müssen viel mehr bei einer Familienförderung ansetzen und Männer als Teil der Lösung ansehen. Anders wird das nicht zu lösen sein. Natürlich wird auch die Politik Anreize schaffen müssen und können.

Herr Hilden: Wenn Sie erkennen, dass es Frauen im Unternehmen ungleich schwerer haben als Männer Karriere zu machen, wie sollten Personaler hier vorgehen? Was wären konkrete Maßnahmen, damit beide Seiten weiterkommen und voneinander profitieren?

Ich sehe zwei wesentliche Aufgaben auf Seiten der HR.

Zum einem ist es wichtig mit den Frauen im Unternehmen in den Dialog zukommen und sie bei ihrem Karriereweg zu beraten und mit ihnen gemeinsam die Rahmenbedingungen dafür zu definieren. Was will ich wirklich? Aber auch, was bin ich bereits dafür aufzugeben. Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, dass wir als HR hier den Frauen auch den Druck nehmen, alles erreichen zu wollen. 120% sowohl beruflich wie auch privat „zu liefern“ funktioniert auf Dauer nicht.

Des Weiteren ist es notwendig, dass HR entsprechende Programme aufsetzt, die die bekannten und erfolgsversprechenden Hebel nutzt und systematisiert, wie z.B. Frauennetzwerke, Coaching, Mentoring usw.

Frau Hoffner: Was ist Ihre Erfahrung aus den vergangenen Jahren herCAREER? Welche Hürden konnten Frauen, die eine Führungskarriere anstrebten, bereits nehmen? Wo gibt es noch große Ungereimtheiten auf dem Weg nach oben?

Frauen sind meiner Wahrnehmung nach so vernetzt wie nie und sind auch weiterhin auf der Überholspur. Wir sehen, dass Frauen die Informationen, die sie bei uns bekommen, förmlich aufsaugen und bereit sind, wirklich viel für ein berufliches Vorankommen zu geben. Wir sehen aber auch, dass Frauen frustriert sind, trotz hervorragender Leistung nicht weiterzukommen. Und das liegt nicht per se an der Qualifikation.

Wir werden eine Gleichstellung im Job erst meistern, wenn Unternehmen es schaffen, Anreize zu bieten, dass Männer sich der Familien/Care- und Hausarbeit wie selbstverständlich annehmen. Die ungleiche Verteilung von Haus- und Fürsorgearbeit thematisiert übrigens auch der am 29. Februar alle vier Jahre stattfindende Equal Care Day. Die Festlegung auf den 29. Februar symbolisiert dabei das Verhältnis von 4:1 bei der Verteilung von Care-Arbeit und weist darauf hin, dass Männer rechnerisch etwa vier Jahre brauchen, um so viel private, berufliche und ehrenamtliche Fürsorgetätigkeiten zu erbringen wie Frauen in einem Jahr.

Es ist fatal zu glauben, Frauen könnten alles alleine richten. Frauen brauchen deshalb unbedingt Partner, die mit in die Verantwortung gehen, außerdem Arbeitgeber, die fördern, dass Männer und Frauen bestenfalls zu gleichen Teilen Elternzeit und Teilzeit nehmen, und die Politik, die die Rahmen dafür schafft.

Über die Interviewpartner/-in

Matthias Hilden ist aktuell Head of HR beim Nürnberger Anbieter Evosoft. Bis 2017 war er als HR Business Partner sowie ebenfalls im Bereich Talent Acquisition und Learning bei der Siemens AG beschäftigt. Er ist systemischer Berater und Changemanager und hat Industrial Engineering an der Universität Karlsruhe studiert. Matthias Hilden ist Sprecher der Regionalgruppe Bayern im Bundesverband der Personalmanager. sowie Beirat PRO Fachkräfte und Jurymitglied beim New Work Award.

Die Gründerin Natascha Hoffner verfügt über 19 Jahre Erfahrung in der Messebranche. Sie war bereits ab dem Jahr 2000 Teil einer Neugründung in der Messebranche mit Sitz in Mannheim und maßgeblich am Auf- und Ausbau von Messen und Kongressen im In- und Ausland beteiligt, die als Leitveranstaltungen ihrer Branche etabliert wurden. In Spitzenzeiten war sie gemeinsam mit dem damaligen Gründer für bis zu 20 Messen und Kongresse jährlich und rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Für dieses Unternehmen, welches zuletzt zur Tochtergesellschaft der Deutschen Messe AG wurde, war sie über fünf Jahre als Geschäftsführerin tätig. Im April 2015 gründete sie die messe.rocks GmbH mit Sitz im Münchner Osten.