Als Michaela Schenk 2007 ins Kleiderbügel-Geschäft einsteigt, hat sie bereits eine erfolgreiche Karriere im Verlagswesen hinter sich. Der Wunsch allerdings, sich selbstständig zu machen, das Gelernte in einem eigenen Unternehmen anzuwenden, wird immer stärker. 2007 übernimmt sie ohne Branchenexpertise das Familienunternehmen Mawa aus der Insolvenz und macht es zu einem der weltweiten Marktführer in dem Segment Kleiderbügel, ein Bereich, der bis heute schwerpunktmäßig von Männern dominiert wird. Wie ihr das gelungen ist? Sie setzt von Anfang an auf Parität im eigenen Unternehmen, auf einen kooperativen Führungsstil, und natürlich auf konsequente Marktentwicklung. Heute hat Mawa einen Frauenanteil von 68 Prozent und wächst jedes Jahr zweistellig, auch während der Pandemie.
„Egal ob man ein Unternehmen aus der Insolvenz kauft, oder man sich selbstständig macht: Man braucht eine Vision. “
herCAREER: Frau Schenk, Sie haben nicht nur ein Unternehmen aus einer Ihnen fremden Branche übernommen, sondern auch noch eines, das mitten in der Insolvenz steckte. Das klingt herausfordernd. Warum haben Sie es dennoch gewagt?
Michaela Schenk: Es kamen tatsächlich ein paar günstige Faktoren zusammen: Wenn man sich mit dem Kleiderbügelmarkt beschäftigt, was ich vor Übernahme natürlich ausführlich getan habe, stellt man ziemlich schnell fest, dass man in Deutschland entweder Mawa als Original kaufen kann oder eine chinesische Kopie. Das bedeutet: Der Markt ist sehr klar getrennt. Damit hatte ich eine eindeutige Wettbewerbsposition definiert. Dazu habe ich ein Unternehmen vorgefunden, dass über einen guten Maschinenpark verfügt. Ich wusste also, dass ich gute Qualität produzieren kann, auch wenn man natürlich einiges verändern musste. Was mir auch klar war: Das Unternehmen krankt zwar an Marketing- und Vertriebsmaßnahmen, das Produkt bringt aber alle Voraussetzungen mit, um es als Marke zu positionieren, auch wenn es sich um ein Low-Involvement-Produkt handelt. Das war gleichzeitig auch meine Vision. Denn egal ob man ein Unternehmen aus der Insolvenz kauft, oder man sich selbstständig macht: Man braucht eine Vision. Auch rückblickend ist das wichtig, denn das ist die Basis für alles, sie trägt einen auch durch schwierige Zeiten.
herCAREER: Gekauft haben Sie also aufgrund der guten Wettbewerbsposition, den Voraussetzungen in der Produktion und ihrer eigenen Vertriebs- und Marketing- sowie Restrukturierungs-Know-How. Gibt es dennoch Dinge, die Sie rückblickend anders gemacht hätten? Welche Fallstricke gab es?
Michaela Schenk: Wenn man Unternehmen aus der Insolvenz kauft, hat man natürlich einen klaren Vorteil: Man verfügt bereits über einen Kundenstamm. Andererseits muss man sich mit den Insolvenzverwaltern auseinandersetzen. Und diese Verhandlungen haben es in sich. Denn wenn sie sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, spekulieren die Insolvenzverwalter darauf, dass man sich in das Unternehmen verliebt und sich zu einer schlechten Kaufentscheidung hinreißen lässt, Fehler macht beim Kaufpreis und den Point-of-No-Return überschreitet.
herCAREER: Was hat Ihnen also geholfen, nicht in diese Falle zu tappen? Und wie ist es Ihnen schlussendlich gelungen, sich als Unternehmerin gegen den Billig-Anbieter China durchzusetzen?
Michaela Schenk: Ein klarer Business-Plan. Und, dass ich mir vom ersten Tag der Verhandlungen an eine finanzielle Grenze gesetzt habe. Ich war mir immer bewusst darüber, dass, sollte es über diese Schwelle hinübergehen, ich zurücktreten und mir ein anderes Unternehmen suchen würde. Diese Klarheit ist extrem wichtig. Am Ende ist es eben nur ein Geschäft.
Mir hat es geholfen, den Blick weit zu lassen. Denn als ich übernommen habe, hatte ich das Problem, dass die chinesischen Kopien uns sehr viele Marktanteile weggenommen hatten. Die Einkäufer in Deutschland waren günstige chinesische Preise gewöhnt, und haben mir gesagt: Du bist ja viel zu teuer. Also bin ich zuerst in Ausland gegangen. Denn ich war mir sicher, die Einkäufer ändern erst ihre Meinung, wenn sie uns als Marke identifizieren. Erreicht habe ich das, indem ich sofort das internationale Geschäft entwickelt habe. Damit waren wir sehr erfolgreich. Es ist aber extrem wichtig, dass man sich gut überlegt, wie man strategisch vor geht.
Unser erster Markt war Japan. Dort hatte ich bereits einen Kunden, die Japaner orientieren sich grundsätzlich deutschen Produkten und geben auch Geld aus für Haushaltswaren. Unser Bügel ist außerdem sehr platzsparend, was ebenfalls den Bedürfnissen der Japaner entspricht. Wir haben hier schnell Fuß gefasst. Und so konnten wir das als Referenz nutzen, um auch in Deutschland weitere Schritte zu gehen. Bis wir in Deutschland als Marke wahrgenommen wurden, hat es allerdings sechs Jahre gedauert, denn die Wirtschaftskrise kam dazwischen. Auch ein Learning: Es dauert alles länger als man denkt, und es sich wünscht. Man unterschätzt leicht, wie wenig flexibel der Markt ist.
herCAREER: Bei herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartnerinnen aufsetzt. Zu welchen Themen können Sie als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?
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herCAREER: Würden Sie auch als Mentor:in in der herCAREER-Community fungieren?
Michaela Schenk: Sehr gern. Ich wurde selbst jahrelang nur von Männern geführt. Sehr schwierig, denn wenn man jung ist, möchte man ja auch selbst Führung lernen und ich konnte mich in den männlichen Führungsstilen oft nicht so gut wiederfinden. Deshalb habe ich meinen eigenen Stil entwickelt: Ich treffe nie eine Entscheidung, ohne mich vorher mit den Bereichen, den Menschen, die die Entscheidung betrifft, abzustimmen. Und ich erkläre meine Entscheidungen, um möglichst viele Leute mitzunehmen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die bunte Mischung in meinem Unternehmen viel Positives bewegt hat. Die Diskussionen werden sachlicher. Mittlerweile habe ich auch in der Produktion viele Stellen mit hervorragend qualifizierten Frauen besetzt. Es geht, wenn man möchte. Ich will Frauen ermutigen, auch in Bereiche zu gehen, die klassische Männerdomänen sind. Sie können das. Es lohnt sich, sich durchzusetzen.
herCAREER: Welche Frau würden Sie sich als Mentee wünschen?
Michaela Schenk: Offenheit und Kritikfähigkeit. Ich bin sehr direkt und benenne Dinge. Das hat sich aber sehr bewährt.
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Über die Person
Michaela Schenk wurde in Hamburg geboren und stammt aus einer Unternehmerfamilie. Ihre Eltern hatten mehrere Textilfachgeschäfte, die sie eigentlich übernehmen sollte. Doch sie wollte aus dem familiären Dunstkreis hinaus und studierte BWL mit den Schwerpunkten Marketing und Finanzen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Danach suchte sie sich eine Branche, die nichts mit Mode zu tun hatte: Sie startete ihr Berufsleben im Verlagswesen. Erst war sie persönliche Assistentin des Verlegers Neven DuMont, nach der Öffnung der Grenzen zog es sie nach Berlin, wo sie beim Springer-Verlag und bei RIAS arbeitete. Später leitete sie bei Hubert Burda Media die Abteilung Marketing/Marktforschung in München und war zuletzt Geschäftsführerin der Fachpresse W&V beim Süddeutschen Verlag. 2007 übernahm sie das Traditionsunternehmen MAWA aus der Insolvenz und machte den Kleiderbügelhersteller zu einem der weltweiten Marktführer in diesem Segment.