„Alle Körper sind schön, hört man jetzt oft. Aber werden Mädchen heute wirklich mit einem anderen Gefühl groß als die Generationen vor ihnen?“, fragt die Süddeutsche Zeitung. Sie hat darüber mit jungen Mädchen und mit Sozialarbeiterinnen gesprochen.
Eine Freundin der 14-jährigen Jara will nicht mit den anderen ins Freibad gehen, sie findet, sagt Jara, „dass wir im Gegensatz zu ihr richtig dünn sind, und da will sie dann nicht so danebenstehen. Na ja, ich finde sie voll schön eigentlich. Aber ich bin halt untergewichtig und sie ist normal. (…) Ich glaube, die meiste Kritik hat man an sich selbst. (…) Als Mädchen wird halt mehr von einem erwartet als von Jungs.“
Werbekampagnen mit dem Ziel von mehr Diversity oder gut gemeinte Aufrufe, sich doch nicht mehr so zu stressen („Lieb dich, wie du bist!“), führen laut SZ womöglich gar nicht zu einer „zumindest winzig kleinen neuen Entspanntheit im Umgang mit dem eigenen Körper“, sondern nur zu noch mehr Verkrampfungen.
Der Blick in den Spiegel ist heute der Blick aufs Smartphone: „Die Mädchen wissen gar nicht mehr, wie sie live aussehen – durch die Standardfilter bei Snapchat und so weiter“, sagt eine Sozialpädagogin. Und eine andere: „Wenn ich mit den Mädels Instagram-Accounts durchschaue und anmerke, dass die ja doch alle ziemlich gleich aussehen, dann fangen sie mir an zu erklären: Ja, aber die und die ist voll für Body Positivity! (…) Das öffentliche Schönheitsbild hat sich über die Jahre zum Glück schon erweitert, aber wenn man schaut, wer die Idole von den Mädels sind, merke ich da keine großen Unterschiede. Es ist superselten, dass da eine Frau dabei ist, die ein bisschen curvy ist.“
Das Risiko, an einer Essstörung zu erkranken, ist in der Pubertät besonders hoch. Die Krankheit könne den Betroffenen das Gefühl von Kontrolle über Unkontrollierbares vorgaukeln. Ein Mädchen erzählt von ihrer Essstörung, wie geschwächt sie davon irgendwann war – und die anderen nur zu ihr sagten: Ah, du bist so dünn geworden, das sieht so schön aus! SZ: „Womit wir bei den Grundfragen wären: Warum wird in diesen aufgeklärten Zeiten, #bodypositivity, nach wie vor gelobt, wer abnimmt?“
Der „Milliardenmarkt“ rund ums Aussehen würde sicher schnell erschlaffen, „würde jede ihren Körper nämlich lieben, wie er eben ist, ungestrafft, ungespritzt, (…) woran sehr viele Unternehmen ein ausgesprochen geringes Interesse haben. Die Defizite der einen sind die Verdienste der anderen.“ Und: „Man weiß, dass dieser Mechanismus mit dem ‚Male Gaze‘ verbunden ist, dem männlichen Blick, durch den Frauen vor allem als Objekt wahrgenommen werden, und der über Jahrhunderte so oft das Bild bestimmt hat, dass man ihn unbewusst übernommen hat (…).“
Wie sehr prägen uns dieser Male Gaze und die Ideale der Schönheitsindustrie immer noch?
Welche Erfahrungen macht ihr damit, bei euch oder bei euren Kindern?
Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
veröffentlicht bei LinkedIn 18.09.2023