Der Weg in Wissenschaft und Forschung ist von Herausforderungen geprägt, ganz besonders für ausländische Frauen. Ich habe erfahren, wie wichtig es ist, gesellschaftliche Erwartungen zu hinterfragen und den eigenen Talenten zu folgen, um seinen individuellen Weg zu realisieren. Durch Beharrlichkeit und den Mut, Neues zu wagen, können wir als Frauen in der Wissenschaft Großes bewirken. Besonders in der digitalen Forschung und Künstlichen Intelligenz haben wir die Möglichkeit, entscheidende Beiträge zur Lösung globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel zu leisten. KI hat das Potenzial, unsichtbare Barrieren zu durchbrechen – ob in der Forschung oder in gesellschaftlichen Strukturen. Es ist essenziell, Diversität und Zusammenarbeit über Disziplinen hinweg zu fördern, um eine gemeinsame Zukunft aktiv zu gestalten. herCAREER im Interview mit Dr. Fuzhan Rahmanian, AI-Researcher an der Technischen Universität München (TUM) und Co-Founder.

„Diversität in Wissenschaft und Forschung ist nicht nur ein moralisches Gebot, sondern auch eine treibende Kraft für Innovation.“

herCAREER: Dein bisheriger Weg ist beeindruckend. Wie hast du das alles geschafft, und was hat dir dabei geholfen?

Dr. Fuzhan Rahmanian: Ich betrachte meinen Weg als lange noch nicht zu Ende – ich sehe ihn als eine kontinuierliche Entwicklung mit vielen weiteren Zielen vor mir. Was mich bisher begleitet hat, ist vor allem die Motivation, stets das Beste aus jeder Situation zu machen. Meine erste große Antriebskraft war der Wunsch, den Iran zu verlassen, um in einer Umgebung zu leben, die es mir ermöglicht, mein Potenzial voll auszuschöpfen. Dafür war es notwendig, außergewöhnliche Leistungen zu erbringen und mich durch Beharrlichkeit und Disziplin auszuzeichnen.

In Deutschland habe ich schnell erkannt, dass harte Arbeit tatsächlich belohnt wird, auch wenn man den mutigen Schritt wagt, sich in eine neue technische Richtung zu entwickeln – in meinem Fall die Künstliche Intelligenz. Als Neuankömmling habe ich mich gezwungen, mich immer wieder doppelt zu beweisen – sei es in der Wissenschaft, in neuen Netzwerken oder in der Anpassung an eine neue Kultur. Was mir dabei immer geholfen hat, war meine unerschöpfliche Neugier. Sie hat mich angetrieben, Neues zu lernen und Herausforderungen anzunehmen, auch wenn sie auf den ersten Blick unüberwindbar schienen. Eine große Stütze war zudem mein Partner, der mich auf diesem Weg begleitet hat. Ohne ihn wäre vieles nicht möglich gewesen. Und dann ist da noch die Musik – das Klavierspielen hat mir einen Raum gegeben, in dem ich meine Gedanken sortieren und Emotionen verarbeiten konnte. Es war mein Ventil, das mir half, auch in schwierigen Zeiten Kraft zu schöpfen.

herCAREER: Kannst du ganz kurz skizzieren, welchen Beitrag Künstliche Intelligenz zur Lösung globaler Herausforderungen leisten kann?

Dr. Fuzhan Rahmanian: Künstliche Intelligenz, als statistisches und datenanalytisches Werkzeug, hat das Potenzial, komplexe Probleme zu lösen, die für den menschlichen Verstand schwer zu durchdringen sind. Ein gutes Beispiel ist die Suche nach neuen Materialien für die Batterien der Zukunft. Der chemische Raum, den es zu erforschen gilt, ist so groß, und die möglichen Kombinationen sind so vielfältig, dass theoretische Modelle und Experimente schnell an ihre Grenzen stoßen, sei es aufgrund von Zeit- oder Kostenaufwand. Hier kommt KI ins Spiel: Sie dient als beschleunigende mathematische Hilfe, um versteckte Muster und Zusammenhänge in großen Datensätzen zu identifizieren. Dadurch können wir schneller und effizienter zu den vielversprechendsten Materialien gelangen und so die Entwicklung nachhaltiger Energiespeicher vorantreiben.

Ein weiteres Beispiel ist die Klimaforschung. KI wird eingesetzt, um enorme Mengen an Wetter- und Umweltdaten zu analysieren. Dies hilft nicht nur, präzisere Klimamodelle zu erstellen, sondern auch, mögliche Szenarien vorherzusagen, damit wir rechtzeitig Maßnahmen ergreifen können. Ob in der Optimierung von Energieeffizienz, der Verbesserung von Lieferketten oder der Vorhersage von Naturkatastrophen – KI bietet ein mächtiges Werkzeug, um globale Herausforderungen intelligenter und schneller anzugehen.

Die Risiken dürfen hierbei aber nicht außer Acht gelassen werden: Eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurde. Es ist unsere ethische und moralische Verpflichtung, sicherzustellen, dass maschinelle Entscheidungen sozial und demokratisch verträglich sind und der menschliche Verstand weiterhin der endgültige Entscheidungsträger bleibt. Dies erfordert Selbstdisziplin, Selbstkritik und ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Materie.

herCAREER: Welche Rolle spielt Diversität in Wissenschaft und Forschung, und inwiefern sind dir die Förderung von Frauen in MINT-Berufen und die Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit wichtig?

Dr. Fuzhan Rahmanian: Diversität in Wissenschaft und Forschung ist nicht nur ein moralisches Gebot, sondern auch eine treibende Kraft für Innovation. Unterschiedliche Blickwinkel bereichern unsere Herangehensweisen, sie stellen tradierte Denkmuster infrage und eröffnen neue Perspektiven. Wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Kompetenzen zusammenarbeiten, entsteht ein kreativer Raum, in dem das Ganze größer wird als die Summe seiner Teile. Gerade in MINT-Berufen ist diese Vielfalt essenziell, weil die Herausforderungen, die wir angehen, global, vielschichtig, interdisziplinär und zunehmend komplizierter sind.

Die Förderung von Frauen in MINT-Berufen ist dabei für mich ein zentraler Aspekt. Frauen bringen oft andere Denkansätze mit, die in von Männern dominierten Bereichen bisher unterrepräsentiert waren. Wenn wir eine gerechtere Verteilung der Geschlechter in der Wissenschaft schaffen, profitieren wir von einem größeren Reservoir an Talent und Kreativität.

Am Ende des Tages erinnert uns Diversität daran, dass wir alle – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Fachrichtung – in der Wissenschaft und darüber hinaus kein isoliertes Streben beabsichtigen, sondern gemeinsam an einem menschlichen Unterfangen mitwirken sollen, das von Gemeinschaft lebt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Diversität die Grundlage dafür ist, dass die Gemeinschaft ihr volles Potenzial ausschöpfen kann.

herCAREER: Bei herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Austauschpartner:innen aufsetzt. Zu welchen Themen kannst du als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?

  • Künstliche Intelligenz
  • Frauen mit Migrationshintergrund in MINT-Berufen
  • Mathematik, Statistik und Programmierung

herCAREER: Gibt es Themen, zu denen du persönlich eine Austauschpartner:in suchst und einen fachlichen wie persönlichen Austausch weiterführen möchtest? Dann benenne uns Schlagworte für deine Themen.

  • Leadership in interdisziplinären Teams
  • innovative Ansätze in der Forschung
  • Förderung von Diversität in Wissenschaft und Technologie
  • KI
  • Migrationshintergrund
  • Akademische Laufbahn

herCAREER: Würdest du auch als Mentor:in bei herCAREER fungieren? Welche Frau würdest du dir als Mentee wünschen?

Dr. Fuzhan Rahmanian: Als Mentee wünsche ich mir Frauen – eventuell mit Migrationshintergrund –, die neugierig und motiviert sind, ihre Karriere in MINT-Berufen voranzutreiben, insbesondere in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Mathematik und Programmierung, und die bereit sind, neue Herausforderungen anzunehmen und sich interdisziplinär weiterzuentwickeln.

Zur Kontaktaufnahme bitte die von der Interviewpartner:in angegebenen Möglichkeiten nutzen und sich auf das Interview bei herCAREER-Learn & Connect beziehen.

Über die Person

Fuzhan Rahmanian wurde 1994 in Teheran geboren, wo sie bis zu ihrem Bachelor in Medizintechnik lebte. Durch ihre Entschlossenheit, Hindernisse zu überwinden und Chancen zu schaffen, führte ihr Weg von den beschränkenden Strukturen in ihrer Heimat bis zu den führenden Forschungszentren Deutschlands, wo sie ihre weitere akademische Laufbahn absolvierte. Mit einem multidisziplinären Hintergrund und dem Abschluss von drei Masterstudiengängen – in Materialwissenschaften, Biophysik und Künstlicher Intelligenz – schloss sie ihre Promotion an der Technischen Universität München mit „summa cum laude“ ab. Der Schwerpunkt ihrer Dissertation lag auf der Entwicklung einer Materialbeschleunigungsplattform zur Optimierung von Batteriematerialien.

Neben ihrer akademischen Laufbahn sammelte sie praktische Erfahrungen in interdisziplinären Projekten, unter anderem bei BASF, wo sie ein KI-gestütztes Modell zur Batterielebensdauer-Prognose entwickelte. Am Karlsruher Institut für Technologie leitete sie die Entwicklung von Projekten wie dem HELAO-Framework, das international in der Laborautomatisierung Anwendung findet. Ihre Arbeiten wurden in renommierten Fachzeitschriften wie Nature veröffentlicht und auf internationalen Konferenzen vorgestellt.

Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit setzt sich Fuzhan Rahmanian leidenschaftlich für die Förderung von Frauen in MINT-Berufen und die Stärkung interdisziplinärer Zusammenarbeit ein. Ihre Leistungen wurden vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem ZEISS Women Award 2024 in der Kategorie Digital Research. Als Gründerin eines Startups verfolgt sie das Ziel, durch digitale Technologien die Herstellung von Energieträgern nachhaltig zu transformieren.

Abseits der Wissenschaft findet sie Inspiration in der Musik und – seit ihrer Kindheit – beim Klavierspiel.

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