Die Arbeitswelt ändert sich rasant. Dies bietet auch große Chancen. Eine hohe Vernetzung ist für Unternehmen ein wichtiger Faktor agiler Arbeitsformen. Das stellt Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die vernetzt zusammenarbeiten, vor besondere Herausforderungen. Rollenvielfalt, Transparenz und Geschwindigkeit, zunehmende Flexibilisierung – all dies fordert ein hohes Maß an Selbstführung und Kommunikationsvermögen. Warum und wie eine neue Art zu denken und zu lernen New Work erfolgreich macht? Im Praxisaustausch erhalten die TeilnehmerInnen Ideen für den eigenen Arbeitsalltag.
„Alle im Unternehmen müssen ‚verlernen und neu lernen‘ “
herCAREER: Wie macht eine neue Art zu denken und zu lernen New Work erfolgreich?
Prof. Dr. Verena Wölkhammer: New Work bedeutet jede Menge Arbeit. Und zwar nicht nur am Außen in Bezug auf Strukturen oder die Einführung neuer Tools und Methoden, sondern besonders am Innen: an Kultur und Mindset. Daher sage ich auch immer: New Work needs Inner Work. Alle im Unternehmen müssen „verlernen und neu lernen“ – Führungskräfte dürfen sich weiterentwickeln, um in einer weniger hierarchischen und stärker vernetzten Umgebung zu einer erweiterten Führungsform zu gelangen. Hier ist es noch mehr der Schlüsselfaktor Sozialkompetenz, der Führungsexzellenz zukünftig ausmachen wird. Und alle sind gefordert, neue Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit in ihrem Arbeitsalltag zu etablieren. Diese ergeben sich besonders aufgrund einer verstärkten Nutzung von Social-Communication- und Collaboration-Tools sowie der Entwicklung von Entscheidungen und Ergebnissen als Gruppenleistung, was eine gesteigerte Feedback- und Moderationskompetenz fordert. Wesentliche Voraussetzung, um in komplexen und unsicheren Umgebungen wandlungsfähig zu sein, ist eine hohe Vernetzungsdichte. Schnell entscheiden, evaluieren und dabei fehlertolerant sein, charakterisiert die agile Veränderungslogik in kurzen Lernschleifen.
Für mich ist New Work ein Weg. Es gilt gemeinsam immer wieder Neues zu entdecken und die Bandbreite der New-Work-Prinzipien – von Sinn und Purpose, über Vertrauens- und Feedbackkultur bis zu Freiheit der Arbeitszeit und Eigenverantwortung – Tag für Tag mit Leben zu füllen. Die Lernpsychologie belegt, dass ganzheitlich kompetentes Handeln die Schnittmenge aus Know-how und Mindset ist. Unter Mindset versteht man allgemein eine Sichtweise, die Einzelne von sich selbst und ihrer Umgebung haben. Dies bestimmt ganz wesentlich das Denken und Handeln. Immer deutlicher wird die Bedeutung eines Growth Mindsets, um Wandel zu begegnen. Menschen, die damit ausgestattet sind, gehen eher davon aus, dass sie Herausforderungen erfolgreich meistern können. Sie glauben an ihre persönliche Fähigkeit, sich weiterentwickeln zu können und sie betrachten Misserfolge als Gelegenheit zu wachsen.
Einige erfolgreiche Unternehmen haben daher auch eine ganzheitliche Kompetenzentwicklung bereits als Ansatz in ihren Learning-and-Development-Angeboten etabliert. Wenn Unternehmen hier noch nicht umfangreich aufgestellt sind, kann ein Growth-Mindset-Coaching für die Führungskräfte ein allererster Schritt sein. In diesem wird individuell und entsprechend der aktuellen Herausforderungen an persönlichen Fragestellungen gearbeitet, wobei der Fokus auf entsprechenden Mindset-Faktoren liegt. Zum einen wird die Führungskraft selbst für den New-Work-Wandel befähigt. Übrigens ist das Growth Mindset auch ein wichtiger Teil von Resilienz. Zudem entsteht damit ein wichtiger Schub in der eigenen Leadership-Rolle, nämlich als klassischer Manager den Weg von einer Fixed-Mindset-Führungskraft hin zu einem (Servant-)Leader zu gehen, der Entwicklung ermöglicht und die richtigen Stärken an den richtigen Stellen entfalten möchte – zum Erfolg des Unternehmens und der Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
herCAREER: Dass die Arbeitswelt sich rasant ändert, macht manchen ArbeitnehmerInnen Angst. Warum kann das auch eine große Chance bedeuten?
Prof. Dr. Verena Wölkhammer: Zunächst ist es sehr wichtig anzuerkennen, dass die aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt stark verunsichern. Wir befinden uns in einer fundamentalen Neuausrichtung beruflicher Felder und Bereiche. Das kann Angst machen. Konstruktiv wird diese Angst, wenn sie besprechbar ist und bleibt. Auch im tagtäglichen Prozess sollten solche Gefühle Platz haben und ernst genommen werden. Kontext herstellen, New-Work-Prinzipien und Zusammenhänge erläutern sind Leadership-Aufgabe. Das schafft Vertrauen, regt die Teilhabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an.
New-Work-Versprechen ist ja auch, dass Arbeit besser wird. Es bedeutet für jede und jeden, dass man viel mehr ausprobieren kann. Doch der Mangel an Stabilität kann lähmen. Hier ist eine persönliche Befähigung jedes Einzelnen sehr wichtig. Mit Coaching-Formaten, die ein Growth Mindset und Selbstführung anregen, können Unternehmen ihre Mitarbeiter unterstützen. Ich erlebe dies aktuell als einen enorm förderlichen Schritt, wenn Unternehmen hier Angebote machen wollen und können. Mit der Bearbeitung unterschiedlicher Entwicklungsfelder bekommen Menschen ihren ganz persönlichen Kompass in den neuen Handlungsformen und Herausforderungen von New Work. Es geht beispielsweise um ein besseres Verständnis der eigenen Stärken und Glaubenssätze. Auch das Einüben eines bewussteren Umgangs mit Stress und Emotionen ist elementar. Da etablierte Orientierungspunkte sich auflösen, wird die Frage nach den persönlichen Motiven und der eigenen Bedeutsamkeit in der neuen Arbeitswelt für jeden Einzelnen wichtiger. Grundsätzlich sind Empathie und die Fähigkeit, unvoreingenommen unterschiedliche Perspektiven einzunehmen, wichtige Treiber einer wirkungsvollen Kommunikation in neuen Arbeitsumgebungen. Und wenn Kommunikation immer schneller und transparenter wird, die Vielfalt der digitalen Medien zunimmt, kommt eine authentische Beziehungsstärke, die Nähe und Vertrauen ermöglicht, immer mehr zum Tragen.
herCAREER: Welche Aufgabe kommt Führung in einer weniger hierarchischen und stärker vernetzten Umgebung zu?
Prof. Dr. Verena Wölkhammer: Führung bedeutet hier vor allem, einen kontinuierlichen und konstruktiven Austausch in der täglichen Zusammenarbeit zu schaffen. Neben Methoden und Tools sind es die Prinzipien der neuen Zusammenarbeit, die verinnerlicht werden müssen. Fehlertoleranz, Transparenz, Offenheit etc. können nicht einfach verordnet werden. Hier sind Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion gefragt: beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem eigenen Perfektionsanspruch. Empathie ist elementar für einen konstruktiven sozialen Umgang in Netzwerken. Die Führungskraft sollte Anliegen der Mitarbeiter wahrnehmen und sich diesen unvoreingenommen stellen. Auf der Grundlage der eigenen Selbstführung und der Reflexion der persönlichen Haltung entsteht die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Dabei hilft auch ein guter Umgang mit den eigenen Emotionen, um sich von allzu spontanen Gefühlen distanzieren zu können und nicht in reflexhaftes Verhalten zu verfallen. Ein Growth Mindset ist auch für Führung fundamental, um die notwendige Sicherheit zu vermitteln und gemeinsam das Neue einzuüben – stetig und konstruktiv. Dies bedeutet, immer wieder Prinzipien neuer Arbeitsweisen gemeinsam mit dem Team anzuschauen und aktiv vorzuleben. Es ist eine Hauptaufgabe von Führung, bessere Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung anzuregen. Aus dieser Sicherheit und Kontinuität heraus entwickeln sich Mitarbeiter schrittweise und immer mehr dahin, in turbulenten Situationen eigenständig und souverän zu agieren. Und wenn sich jeder mit seinen „Lernschritten“ zeigen kann, entsteht die Voraussetzung für eine vertrauensvolle gemeinsame Reise hin zu New Work.
herCAREER: Auf der herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartnerinnen aufsetzt. Zu welchen Themen können Sie im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?
- Business Coaching, Learning-and-Development-Programme mit Mindset-Faktoren
- Persönliche und unternehmerische Veränderungs- und Transformationsprozesse
- Interne Kommunikation, neue Führung und Zusammenarbeit
herCAREER: Gibt es Themen, zu denen Sie persönlich eine/n Sparringspartner/in suchen und einen fachlichen wie persönlichen Austausch weiterführen möchten? Dann benennen Sie uns Schlagworte für ihre Themen.
- KI in Kommunikation und Führung
- Neue digitale Lernformate
- Bedeutung von Bildern in Lernprozessen
Nutzen Sie eine der Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, die die Interviewpartner:in angegebenen hat, und beziehen Sie sich auf das Interview der herCAREER-Community.
Über die Person
Verena Wölkhammer unterstützt Unternehmen in der Transformation – ihr Schwerpunkt: Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit. Seit vielen Jahren ist sie als Beraterin für interne Kommunikation, Change- und Leadership-Kommunikation für namhafte Kunden unterschiedlicher Branchen tätig. Mit Haltung und der methodischen Ausrichtung des systemischen Coaches begleitet sie Verantwortungs- und Leistungsträger in Phasen der Veränderung und persönlichen Entwicklung. Das von ihr gegründete Neuskill® Institut bietet Angebote für eine ganzheitliche Kompetenzentwicklung, die auf einem individuellen Mindset-Wandel basiert. Neuskill® steht für Learning and Development mit maßgeschneiderten und methodischen Ansätzen und ist dabei den ethischen Standards der International Coach Federation verpflichtet. Klarheit im Prozess, Thinking in new Boxes und Begeisterung für Entwicklung sind wesentliche Faktoren, die die Zusammenarbeit mit ihr ausmachen. An der Hochschule Fresenius ist Verena Wölkhammer als Professorin für Kommunikation und Führung tätig.
Dieses MeetUp ist Teil der Expert-MeetUps bei der herCAREER 2021.