New Work bezeichnet den strukturellen Wandel in unserer Arbeitswelt. Ursachen dafür sind unter anderem die Digitalisierung, die Globalisierung und die Entwicklung Künstlicher Intelligenz, die völlig neue Chancen und Möglichkeiten in der Ausführung und Organisation von Arbeit eröffnen. Teamleading aus der Ferne, wie gut gelingt das? Im MeetUp wollen wir über Vor- und Nachteile diskutieren, über Erwartungen von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen und über Wünsche beider Seiten. Dieser Talk soll mehr Verständnis für die Bedürfnisse aller schaffen, für eine erfolgreiche Zukunft! herCAREER im Interview mit Sabine Hertel, Gründerin und Geschäftsführerin von cadbauteam.
„Zugehörigkeit zum Team und Sicherheit des Arbeitsplatzes sind wichtige Faktoren“
herCAREER: Wie hast Du seit der Gründung von cadbauteam als Chefin den strukturellen Wandel in der Arbeitswelt erlebt?
Sabine Hertel: Während ich früher Pläne den Kund:innen persönlich vorbeibrachte und somit ein enger Kundenkontakt möglich war, arbeiten wir jetzt (zum Teil schon seit 10 Jahren) mit Büros zusammen, ohne deren Mitarbeitenden jemals persönlich kennenzulernen. Das spart natürlich jede Menge Zeit, führt jedoch auch dazu, dass die Kund:innen uns menschlich nicht so verbunden und damit wechselbereiter sind – so dass wir einen noch höheren Qualitätsanspruch erfüllen müssen. Zugleich haben wir eine enorme Konkurrenz im Ausland.
Durch die ständige Erreichbarkeit via e-Mail, WhatsApp, Teams & Co ist die Arbeitswelt schnelllebiger geworden – wir müssen viel kurzfristiger auf Anfragen und Änderungen reagieren. Früher wurden die Pläne erst vervielfältigt und per Post versendet. Die Unterlagen waren deutlich vollständiger, was zu einem erh
Früher konnte man ein Projekt von Anfang bis Ende durchziehen – heute fehlen oft Unterlagen, z.B. von den oberen Geschossen. Wir arbeiten meist an 4 bis 5 Projekten parallel, d.h. jede:r Mitarbeitende muss irrsinnig oft zwischen den unterschiedlichsten Anforderungen der einzelnen Projekte sowie den diversen Kommunikations-Tools springen. Multitasking in allen Ehren, aber das verwirrt selbst den fokussiertesten Geist und führt zu Fehlern. Wir haben vor ein paar Monaten eine Fokuszeit eingeführt, um sich auf die momentane Aufgabe zu konzentrieren, d.h. 2 Std. am Tag keine Mails, kein Telefon, keine Teams-Kommunikation. Die Mitarbeitenden haben das alle dankbar angenommen.
Doch natürlich birgt New Work großartige Möglichkeiten für die Mitarbeiter:innen, z.B. ist ihr Standort nicht mehr bzw. nur noch selten von Bedeutung. Sie können sich ihr Arbeitsumfeld frei gestalten – doch um dann ein weiterhin erfolgreiches Miteinander zu garantieren, ist es zwingend, dass jede:r Einzelne diszipliniert und engagiert für das Büro arbeitet, als wäre es das eigene.
herCAREER: Welche Erfahrungen machst Du mit den veränderten Erwartungen von Arbeitnehmer:innen?
Sabine Hertel: Die Veränderungen der Arbeitskultur sind auffällig – die/der Mitarbeiter:in persönlich steht im Fokus, auf individuelle Ansprüche muss mehr geachtet werden. Die Sinnhaftigkeit im täglichen Tun ist in den Vordergrund gerückt.
Ich als Arbeitgeberin bin von der Rolle der koordinierenden Teamleaderin mehr in die Rolle der Betreuerin, die alle Bedürfnisse der Mitarbeitenden erkennen sollte, gerutscht. Tatsächlich arbeitet seit über einem Jahr eine Feelgood-Managerin bei cadbauteam, die sich zum einen um gesunde Ernährung kümmert, zum anderen übt sie Yoga mit denen, die sich die Zeit dazu nehmen.
Dass man als Chef:in einfach Anweisungen gibt, die befolgt werden – das gibt es so gut wie gar nicht mehr. Nicht dass ich die Entwicklung zu mehr Selbstbestimmung nicht begrüßen würde, doch leider führt das alles nicht zwingend zu mehr Engagement. Es kann nicht sein, dass jede:r selbstverwirklicht durch die Gegend rennt und am Ende das Büro pleite ist. Das gilt es auszubalancieren: Niveau der Selbstbestimmung – wirtschaftlicher Erfolg der Firma.
herCAREER: Was ist für Dich besonders wichtig, um New Work konstruktiv zu gestalten und damit eine erfolgreiche Zukunft für alle Akteur:innen in der Wirtschaft zu schaffen?
Sabine Hertel: Zugehörigkeit zum Team und Sicherheit des Arbeitsplatzes sind wichtige Faktoren. Gerade die Zugehörigkeit bzw. der Teamspirit geht bei den Mitarbeiter:innen verloren, deren Arbeitszeit im Homeoffice höher ist als die im Büro. Deshalb werden wir nur schwer auf persönliche Begegnungen in regelmäßigen Abständen verzichten können. Wie groß diese Abstände sein können, pendelt sich für mein Gefühl gerade noch ein.
New Work bzw. Homeoffice ermöglicht es jeder und jedem Arbeitnehmer:in, sich individuell zu organisieren und somit die Work-Life-Balance zu verbessern. Das bedeutet auch, dass die Arbeitszeiten deutlich flexibler sein können. Wenn kein intaktes Vertrauensverhältnis besteht, ist ein Arbeitsverhältnis auf diese Weise nicht von Dauer. Deswegen ein Appell an die Arbeitnehmer:innen: Nutzt das Vertrauen eurer Vorgesetzten nicht aus, denkt auch im Sinne eures Arbeitgebers, arbeitet initiativ und im Kollektiv.
Mitarbeiter:innen müssen verstehen, dass ihre Eigenverantwortlichkeit mit den Aspekten von New Work steigt. Bietet euch euer Arbeitgeber mehr Freiräume in der Organisation privater Belange, so identifiziert euch im Umkehrschluss mit den Belangen der Firma, und das im Selbstverständnis eines Entrepreneurs. Entrepreneure übernehmen als ”Unternehmer:in im Unternehmen” Verantwortung und zeigen Initiative und Leidenschaft für das Unternehmen.
New Work bedeutet für Gamechanger:innen, etwas zu bewirken.
herCAREER: Bei herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartner:innen aufsetzt. Zu welchen Themen kannst Du im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?
- Was motiviert ein Team?
- Ideen für leerstehende Büroräume deutschlandweit (viele Unternehmen haben seit Covid19 Quadratmeter eingespart)
- Baustoffe der Zukunft
Zur Kontaktaufnahme bitte die von der Interviewpartner:in angegebenen Möglichkeiten nutzen und sich auf das Interview bei herCAREER-Learn & Connect beziehen.
Über die Person
1996 gründete Sabine Hertel cadbauteam. Seitdem ist die Firma mehrfach innerhalb von München in größere Räumlichkeiten umgezogen, heute residiert sie in der Görresstraße (Münchner Maxvorstadt). Seit 2010 bildet cadbauteam Werkstudierende des Studiengangs Bauingenieurwesen im konstruktiven Ingenieurbau weiter. Flexibel und studienbegleitend erlernen die Studierenden die Schal- und Bewehrungsplanung. Seit September 2018 ist die Firma als Ausbildungsbetrieb (Fachrichtung Ingenieurbau) von der IHK zertifiziert. Seit September 2019 kooperiert cadbauteam mit der Sira-Kinderbetreuung: Für die Mitarbeitenden stehen damit betriebliche Kita-Plätze zur Verfügung. Derzeit besteht das Team aus 19 festen Mitarbeitenden (Bauingenieur:innen und Bauzeichner:innen), zwei Bauingenieur-Werkstudierenden und vier Auszubildenden, zwei Teilzeitkräften und einer Feelgood-Managerin. Gearbeitet wird mit ALLPLAN, ISBCAD und DICAD.
Dieses Interview bezieht sich auf einen Future Talk der herCAREER-Expo 2023, Ort und Zeitpunkt finden Sie im Programm.