Diana hat den Job in Mauritius schon nach der Probezeit wieder verlassen. Luciana will als Sustinability Director ausgerechnet in der Stahlbranche arbeiten. Antje hat entschieden, Neid und Missgunst in Kraft umwandeln.
Drei Protagonistinnen aus drei sehr unterschiedlichen Branchen sprechen offen über Herausforderungen und Erfolge, über schwere und leichte Entscheidungen auf ihrem beruflichen Weg. In diesem Live-Gespräch lernst Du von den Besten für deine eigene Karriere.
Luciana Filizzola, Diana Wiedmann und Antje Jörg sind 3 von 31 portraitierten Persönlichkeiten in „Frauen des Jahres“. Was kannst du von ihnen lernen? Und wird eine von ihnen vielleicht deine neue Mentorin?
Lerne in dieser Folge,
- dass Veränderung vor allem von innen erbracht wird.
- dass der Blickwinkel wichtig ist. Frage dich nicht, wie gut du in eine berufliche Position, sondern wie gut ein Unternehmen zu deiner Persönlchkeit passt.
- wie wichtig es ist, anderen Frauen und mehrfach diskriminierten Personen Hilfe anzubieten – und nicht zu zögern, selbst Hilfe anzunehmen.
- warum es sich lohnt, sich vom Male Gaze und der Bewertung anderer Menschen zu lösen und stattdessen Menschen zu finden, deren Feedback wirklich wirklich wertvoll ist.
Thema
Mentoring & Network | Karrierelaufbahn & Bewerbung
Angaben zu den Referent:innen
Luciana Finazzi Filizzola’s experience spans diverse teams across Brazil, the USA, Italy, and Germany, showcasing her adaptability and leadership skills in multicultural environments. In January 2023, she was appointed Sustainability and Communications Director at GMH Gruppe, where she leads projects to decarbonize production. Luciana Filizzola is a hands-on leader with a proven track record of driving positive change and achieving strategic business objectives on a global scale.
Diana Wiedmann ist eine international erfahrene Führungskraft mit über 24 Jahren Erfahrung in den Funktionen Personal, Beratung, Strategie und Finanzen. Sie hat in fünf Industrien und auf drei Kontinenten gewirkt. Sie startete im Februar 2023 als Group Chief Human Resources Officer bei Drees & Sommer SE und ist jetzt auch als Partner in der Geschäftsführung tätig. Für Diana steht ganz klar der Mensch im Mittelpunkt.
Antje Jörg lebt nach dem Prinzip, dass jeder Beruf und jedes Lebensmodell so individuell wie möglich sein darf. Das ist nicht immer einfach, aber so kann das #TeamStadtMünchen das Beste aus den Fähigkeiten und Leidenschaften jedes Einzelnen heben. Als Geschäftsleiterin ist sie bestrebt, sowohl ihre Mitarbeiter*innen als auch die Organisation als Ganzes voranzubringen. Ihre Karriere bei der Branddirektion München ist geprägt von einer tiefen Verbundenheit zur Feuerwehrfamilie und dem Wunsch, einen positiven Beitrag zum Wohlergehen der Münchner Bürger*innen zu leisten.
Über die Moderatorin:
Kristina Appel ist freie Journalistin für Chancengerechtigkeit und weibliche* Karrieren. Sie hat das die Portraits in „Frauen des Jahres“ verfasst und das Live-Gespräch moderiert.
Über den Podcast der herCAREER:
Der herCAREER Podcast liefert wertvolle Einblicke in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, immer verknüpft mit persönlichen Erfahrungen und vor allem aus weiblicher Perspektive. Wechselnde Moderator:innen und Gäst:innen aus unterschiedlichen Unternehmen, Redaktionen und Arbeitsumfeldern bieten vielseitige und praxisnahe Erfahrungswerte für die Hörer:innen.
Der Beitrag wurde im Rahmen der herCAREER Expo 2024 aufgezeichnet und als Podcast aufbereitet.
[00:00:00] Antje Jörg: Ich bin allerdings aus jeder Situation immer ziemlich stark rausgekommen und kann die Chance jetzt deswegen zum Beispiel auch nutzen, für andere da zu sein, zu sagen: Leute, hinfallen oder Konkurrenz ist überhaupt kein Thema. Es ist unschön, aber man schafft es.
[00:00:26] Kristina Appel: Willkommen beim HerCareer Podcast. Du interessierst dich für aktuelle Diskurse aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, und das insbesondere aus einer weiblichen Perspektive? vielleicht wünschst du dir persönliche Einblicke in den Arbeitsalltag von Menschen und Unternehmen, die sich dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel stellen? dann bist du hier genau richtig. Diana hat einen Job in Mauritius schon nach der Probezeit wieder verlassen. Luciana will als Sustainability Director ausgerechnet in der Stahlbranche arbeiten. Antje hat entschieden, Neid und Missgunst in Kraft umzuwandeln. Drei Protagonistinnen aus drei sehr unterschiedlichen Branchen sprechen offen über Herausforderungen und Erfolge, über schwere und leichte Entscheidungen auf ihrem beruflichen Weg. In diesem Livegespräch lernst du von den Besten für deine eigene Karriere. Luciana Filizzola:, Diana Wiedmann und Antje Jörg sind drei von 31 porträtierten Persönlichkeiten in „Frauen des Jahres“. Das Buch ist zum zweiten Mal in Zusammenarbeit mit HerCareer und dem Callwey Verlag erschienen.
[00:01:45] Kristina Appel: Herzlich willkommen. Mein Name ist Kristina. Ich bin Journalistin und Redakteurin für Themen rund um Frauen und Chancengerechtigkeit. Und ich bin auch die Autorin des Buches „Frauen des Jahres“ 2024. Es war eine ganz, ganz große Freude, in Zusammenarbeit mit HerCareer und dem Callwey Verlag dieses Buch zu realisieren. Und ich durfte mit 31 Frauen darüber reden, wie sie ihre Karrieren gestaltet haben, ihre Laufbahn gestaltet haben. Und das Ziel, was Natascha mit dieser Messe und auch dem Buch verfolgt, ist, Frauen zu verbinden und uns allen die Chance zu geben, voneinander zu lernen. Und das haben wir mit dem Buch gemacht, weil ihr alle lesen könnt, was diese Frauen erlebt haben, welche Tipps sie für euch haben. Aber auch, weil fast alle dieser Frauen sich bereit erklärt haben, Mentorinnen zu werden. Das heißt: Kauft das Buch, lest es, wenn ihr eine Schwester im Geiste findet, vielleicht kontaktiert ihr sie einfach und fragt, ob sie eure Mentorinnen sein wollen. I will be switching back from German to English because Luciana is here, and she feels more comfortable speaking English. You understand German really well, right? So I will just be going back and forth. So, Luciana, you’ve moved from Campinas near Sao Paulo to Essen, and that in itself is a huge decision, I think. A huge step in your life. But you’ve also made other decisions in terms of your job. You’re now, you’ve been for two years, Sustainability and Communications Director at the GMH Gruppe, and for over 20 years you’ve been doing communications strategy in brown Industries, so oil and steel. And the first thing that I asked Luciana was, why would you want to do that? You know, we are here at a careers fair, and so many young people are looking for jobs in the sustainability industries that are green. They want to, you know, save the planet. So why would someone like you with your experience, want to work for – and I’m paraphrasing – the enemy?
[00:03:43] Luciana Filizzola: Yeah, I have to say that many years ago, unfortunately, I was studying journalism back in my 20s and I remember these professors saying to us students that working in mainstream newspapers, it was part of being part of the system that we all wanted to change. But it was always very important because when you are working there, you find gaps, gaps to, to, to make sure you can say what you think. It’s important to find gaps to change. And I took it for myself. So then, when I started being a journalist, the reporting and writing about about politics, about economics, I thought, yes, I’m criticising. I’m telling the truth, but I want to do more. I want to change things with my hands. So that’s the reason why I’m always, always worked in brown industries first, because they are the basis. Nobody will run the world without having energy, without – still, everybody loves their mobiles, right? There’s more to it there. So, yes, it’s important. And also, if you are inside, you can make the difference, you can engage people. You can push towards the right path. Yeah, it’s not like the ideal world, but there is, there are steps. And in each step it’s making life better, it’s making the companies greener. So I thought it was very, very nice. And also my husband always jokes with me that I’m the insider, you know, bringing and making sure that things happen. So that’s the reason why.
[00:05:43] Kristina Appel: So you’ve made the decision to change things, not just talk about them. Diana! Herzlich willkommen! Als wir gesprochen haben, hatte ich nach dieser Stunde Gespräch Muskelkater in den Backen. Weil dein Optimismus, deine Begeisterung für auch deinen Job und den Mensch ist ansteckend. Vielen Dank dafür. Und was mich auch sehr beeindruckt hat: Du hast überhaupt keine Angst vor steilen Thesen. Human Resources, Personalwesen das sind Dinge, wo wir alle eine Meinung haben und alle glauben ein Gefühl zu haben und wo man auch ganz leicht mit dem Strom schwimmen kann. Das machst du nicht. Das hat mich wirklich sehr beeindruckt. Du bist Chief Human Resources Officer bei Drees & Sommer und du bist angetreten, um dort das System so richtig auf den Kopf zu stellen. Und was mich sehr beeindruckt hat, du hast mir erzählt, die lassen dich auch. Und es steht in einem riesengroßen Kontrast zu dem, was du zuvor auch schon erlebt hast, nämlich, dass man dich angestellt hat, um eigentlich nur Lippenbekenntnisse zu machen. Erzähl uns, wie du das damals erlebt hast und was du für eine Entscheidung für dich getroffen hast.
[00:06:47] Diana Wiedmann: Sehr, sehr gerne. Also erst mal ist es für mich immer wichtig, dass der Mensch immer im Mittelpunkt steht und ich glaube, es beginnt tatsächlich auch damit, gut in sich reinzuhören. Passt der Job und passt das Unternehmen auch zu mir? Sodass wir nicht nur dem Titel nachjagen, weil wir denken, wir wollen es haben, sondern noch einmal kurz innehalten. Als ich das nicht gemacht habe, wenn man durch meinen CV liest, ich habe auf drei Kontinenten gelebt und gearbeitet und ein Job ist ein bisschen kürzer ausgefallen, nämlich nur sechs Monate. Das war mein Eintritt in die Pharmaindustrie, das erste Mal globale Teamleitung. Man fliegt dahin. Afrika, schöne Insel, irgendwie zwei Tage, schaut sich das an und hat dann so eine Erwartungshaltung und denkt ja, die wollen wirklich People, die wollen Strategie und die wollen eine Veränderung. Und dann kam ich da an, ich habe meine damaligen Partner mitgenommen. Auch das kennen wir genauso wie die andere Seite, man fühlt sich verantwortlich. Er hat ja alles zurückgelassen. Er kommt mit. Man fängt wieder an und ich glaube, es war nach drei Monaten, als ich schon gemerkt hatte, da war Weihnachten. Und dann haben die schon gemeint: Oh, Diana, bist du irgendwie sicher? Weil ich gemerkt habe, ich war am Ende eine Excel-Tapete. Ich hab jeden Freitag abgehakt, was man mir irgendwie gesagt hat, und wenn man mich so ein bisschen besser kennt, wie du weißt, dann hier: ja, kann ich schon. Aber deswegen habe ich ja nicht einmal mein Leben auf den Kopf gestellt und hab irgendwie, bin den Weg gegangen, um für People einzustehen. Und dann habe ich das tatsächlich auch angesprochen und bin nach sechs Monaten zurück. Bin nach Afrika gegangen, ohne doppelten Boden, ohne Delegation, ohne Rückfahrkarte. Aber hab dann gedacht: Ne, da bin ich mir jetzt selber mal mehr wert und für das, was ich einstehe und bin dann halt den Weg konsequent so weitergegangen.
[00:08:27] Kristina Appel: Du hast eine Sache zu mir gesagt, die ich seitdem ständig zitiere: „Ich musste auch einen Ort finden und eine Firma, die meine Energie aushalten können.“ Und ich finde, das ist ein wahnsinnig schönes Statement, weil wir uns sehr gerne passend zum Arbeitgeber machen wollen. Aber eigentlich muss der Arbeitgeber zu uns passen. Antje, dein Arbeitgeber, deine Arbeitgeber passen sehr gut zu dir. Was mich in unserem Gespräch wirklich umgehauen hat, war, wie du gleichzeitig wahnsinnige Besonnenheit ausstrahlst und gleichzeitig so eine wahnsinnige Leidenschaft hast. Eine wahnsinnig starke Reflexionsfähigkeit. Ich war sehr beeindruckt von deiner Offenheit und auch deinem Mut in unserem Gespräch. Du bist Geschäftsleiterin der Berufsfeuerwehr München. Du bist da ein Leuchtturm. Da gibt es verhältnismäßig wenig Frauen, sage ich jetzt mal, vor allem in den leitenden Positionen. Du brennst, und entschuldige mir dieses Wortspiel, für deinen Job in Brand- und Katastrophenschutz. Dein Weg ist von so wahnsinnig vielen Stationen umgeben. Du hast deine Ausbildung dort begonnen, du bist heute noch da bei der Landeshauptstadt München. Und gleichzeitig habe ich das Gefühl, du hast 15 verschiedene Aufgaben gehabt. Und da ist mir aufgefallen, die Landeshauptstadt München, der öffentliche Dienst ist so eine Art Mikrokosmos, also wie der gesamte Arbeitsmarkt. Aber in dieser engen Struktur, und man sagt, man trifft sich immer zweimal im Leben. Aber ich habe das Gefühl, da trifft man sich eher 20 Mal im Leben. Man konkurriert um Positionen, man trifft die Menschen auch immer wieder, mit denen man eventuell Beef hatte, gegen die man angetreten ist. Und ich glaube, da menschelt es sehr. Zumindest hatte ich das Gefühl, und du warst offen genug, um mir zu erzählen, dass es natürlich auch Neid und Missgunst gegeben hat. Ich wüsste gerne von dir: Wie bist du so einer Situation begegnet, wenn Leute deine Leistung vielleicht oder deine Legitimation in Frage gestellt haben?
[00:10:20] Antje Jörg: Also ich bin wirklich ein Kind der Stadtverwaltung. Ich brenne wirklich für die Feuerwehr. Ich kann nur sagen an der Stelle, ich würde mir wünschen, dass wir viel mehr Frauen hätten. Das würde wirklich was ausmachen. Und ich bin dankbar, dass meine Referentin, also meine Chefin, hier sitzt und das auch unterstützt. Natürlich ist es so: der Weg war steinig. Also ich habe heute noch mal früh reflektiert mit einer Mitarbeiterin im Auto, als wir hergefahren sind, und ich habe gesagt: Mein Gott, ist es so ein bisschen so das Gefühl eines Steh-auf-Frauchens, wobei ich aber Frauchen nicht nehmen würde, ja, sondern Frau. Ich habe in meiner ganzen Karriere, die jetzt schon seit 33 Jahren läuft bei der Stadt, erlebt, dass man immer wieder irgendwelche Leute an der Backen hatte, und das ist egal ob Mann oder Frau, die sich von einem getriggert fühlen. Der wichtigste Satz für mich ist an der Stelle: Deins ist deins und meins ist meins. Man muss es aushalten können. Es gab schwierige Situationen. Ich bin allerdings aus jeder Situation immer ziemlich stark rausgekommen, habe einen nächsten Schritt gemacht und kann die Chance jetzt deswegen zum Beispiel auch nutzen, für andere da zu sein, zu sagen: Leute, hinfallen oder Konkurrenz ist überhaupt kein Thema. Es ist unschön. Man braucht sein Netzwerk, die einem helfen, die einen unterstützen, die einen auch mal anschreien, wenn man in ein tiefes Loch versinkt. Aber man schafft es. Und letztendlich hat es sich immer wieder bewiesen: Ich bin mit einer sauberen Weste rausgegangen, ich habe einen neuen Job bekommen und meistens noch irgendwie auch in dem Bewerbungsverfahren mich durchsetzen können gegen genau diese Leute, die meinten, ich kann es nicht. Wer ist sie eigentlich und ich hätte den Job gern gehabt.
[00:12:09] Kristina Appel: Ich stelle mir das schwierig vor, weil im öffentlichen Dienst natürlich auch Politik und jetzt meine ich nicht nur interne Politik, sondern sogar auch Parteipolitik auf Landesebene natürlich eine große Rolle spielt. Ich glaube, das macht das Eis an manchen Stellen noch so ein bisschen dünner. Luciana, you’re from Brazil. And, I wrote this down, I said, where the gender roles can still be quite traditional. And at the end of the day they’re becoming more and more traditional in Germany as well. But, you told me that, at least in the household you’ve grown up with the quite sterotypical gender roles, and throughout your career in a very, very male-dominated field, I’m sure that you felt judged and evaluated solely by your gender and not actually by your capabilities and your ideas. How have you coped with that male gaze?
[00:13:01] Luciana Filizzola: As you mentioned a little bit, I fight with this gender thing since I was this little, I have a brother. And when I was this little, I was like my mom and my dad wanted me to clean the kitchen, but not him. And then when I was a teenager, he was able to go out. I wasn’t. So I’ve fought a lot since the beginning. And I keep fighting. So how can I do? I don’t know if it’s the right thing. I sometimes question myself. Maybe it’s a little too tough or not. But I, at work, I really try to be as good as possible. I’m very perfectionist. Everything has to be very good. When I go to debate with a man, I talk like that and I have arguments. Of course it’s difficult, but having the right arguments, having the good work, there’s nothing they can say, right? It’s quite tough and tough as well is that, for example, for the men when they have a family, for example, it’s taken for granted that somebody else is looking for their kids for everything, right? And for us, this is not the truth. So this is also something that for me, I was very lucky and also smart because I found a partner that was really willing to support me on my career. So he took care of our daughter. So I think that without him, probably I wouldn’t be here because I travel so much. My job is so tough, and she’s taken care of. She’s loved and she’s here. I think that’s a matter of keep fighting. Never bend down your your head, you know, and have the right arguments. This is how I try to do it. Up to now it’s working. If I was a caller, I would be the red. I wouldn’t be beige. I’m red. So some people love red. Some people hate red. And we have to live with that, right?
[00:15:19] Kristina Appel: Thank you. You also said to me in our interview: They’re always going to find something. If they want to, they’ll find a way to discredit you. So you might as well just be who you are. By the way, what you just said about choosing the right partner, is something that I think 12 of the 31 women that I interviewed said that it is essential. So, let’s just keep that in mind. Antje, eine Botschaft, ich habe es vorhin gesagt, die wir mit dem Buch auch vermitteln wollen, ist, dass wir nicht immer alles alleine stemmen können. Ich glaube, gerade Menschen, gerade Frauen, Menschen mit mehreren Diskriminierungsmerkmalen müssen einfach wirklich zusammenhalten. Wir müssen einander den Rücken stärken. Musstest du das lernen, Hilfe anzunehmen? Und wenn ja, wie hast du es gelernt?
[00:16:06] Antje Jörg: Ich geh mal einen Schritt zurück. Ich bin 1972 in der DDR geboren worden. Da war es da so: Das System hat Frauen eh schon sehr stark erzogen. Jetzt nicht unbedingt auf Commitment, wir unterstützen uns gegenseitig, sondern einfach starke Frauen. Dann habe ich zwei sehr starke Frauen in meinem Leben. Die eine gehabt, die eine gibt es noch. Das eine war meine Oma, das andere ist meine Mutter. Wenn ich da zurückschaue, was die alles geschafft haben in ihren Leben, bin ich mega stolz, dass ich in der Reihe der Ahnen nachfolge. Wir sind dann noch zu DDR-Zeiten ausgereist. Die Zeit der drei Jahre warten und der Diskriminierung dort vor Ort haben mich sehr geprägt. Also, wem kannst du vertrauen, wem kannst du nicht vertrauen? Also es ist einfach so: Ich krieg sogar heute noch ein Horror, wenn mich eine Nummer anruft und ich sie nicht kenne und niemand drauf spricht, weil es einfach in der Prägung der drei Jahre drin war. Als ich dann hier war, gehörte ich auch nicht richtig sofort dazu. Ich würde auch so sagen: Ich fühle mich, münchen ist meine zweite Heimat, Dresden ist meine andere Heimat. Ich fühle mich hier verwurzelt. Für mich ist das hier einfach meins und ich möchte nie ganz woanders sein. Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Natürlich ist es für den einen oder anderen immer noch Thema. Ist sie denn jetzt Osti, also Ossi, oder ist sie Wessi? Und ich finde es ganz schwierig mit diesen Schubladen. Und aufgrund dieser Erfahrung habe ich lernen müssen, wirklich Menschen zu vertrauen. Ich habe einen inneren Zirkel aufgebaut für mich, wo ich genau weiß, da kann ich nachfragen, die geben mir ein Feedback. Die pushen mich auch mal, wenn ich in ein Loch gefallen bin. Und es ist aber verdammt schwierig. Ich habe aber gelernt, dass es wichtig ist, andere um Hilfe zu bitten, weil man muss nicht alleine durch. Und wenn wir nämlich miteinander sprechen, und das ist für mich die wichtigste Botschaft eigentlich, können wir immer wieder sehen, wenn wir miteinander sprechen, sehen wir, dass wir nicht alleine sind. Dass wir alle fast das Gleiche erleben. Und wenn wir uns committen, miteinander netzwerken und uns helfen und unterstützen, dann werden wir ganz viel bewegen.
[00:18:17] Kristina Appel: Danke, Antje. Diana, fast jedes Unternehmen, würde ich sagen, empfindet sich selbst als people-centric. Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt. Nicht alle schaffen es, das auch zu leben. Was machst du bei Drees&Sommer anders als andere? Weil ihr seit 6000 Mitarbeitende an über 60 Standorten. Wie bleibt dann so ein Commitment kein Lippenbekenntnis?
[00:18:43] Diana Wiedmann: Ganz plakativ muss die Powerpoint, die man da malt und wo man drauf schreibt, welche Werte man hat, jeden Tag spürbar sein. Und was viele Unternehmen vergessen: es gibt heute Kununu. Wenn eine Führungskraft sich dagegen entscheidet, etwas zu tun, was dem entgegensteht, ist es innerhalb von einer Sekunde im Internet und ist da transparent und es häuft sich. Ich weiß, dass die Mauer sehr hoch ist. Wir haben zweimal hintereinander „Employer of the Year“ gewonnen und es wird sehr, sehr schwer, das zu toppen. Aber ich kann nur dazu einladen, mutige Entscheidungen zu treffen, und die dann einfach konsequent durchzuziehen. Und hey, wenn ich mich hier umschaue: wir sind das Gesicht und das Herz von jeder einzelnen Firma. Die meisten Sachen, die hergestellt waren. Da schmeckt der eine Euro wie der andere. Aber wir machen den Unterschied. Wir sind der USP hier und ich glaube, das muss erlebbar, das muss spürbar sein. Das ist die eine Seite der Medaille. Und die andere Seite für alle, die hier Führungskräfte sind, aber alle, die es nicht sind, aber Vorbilder sind, ist den Finger in die Wunde zu legen, wenn es eben nicht so ist. Wenn ich was sehe und ich laufe da vorbei, dass eine Frau oder wer auch immer diskriminiert wird, halte ich an und mache meinen Mund auf und sag was. Und ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig und das spürt jeder Einzelne, egal ob Mann, Frau, he/she/it, egal was, von welchem Kontinent. Weil ich glaube, das macht es am Ende aus. Und Digitalisierung ist etwas, was mich total antreibt. Auch das AI-Thema ist was, was Drees&Sommer komplett antreibt. Aber ich glaube, das durch die Mensch-Maschine- und Maschine-Maschine-Interaktion, die Mensch-Mensch-Interaktion noch und wieder wichtiger wird. Weil wir haben alle gemerkt, was Covid mit uns gemacht hat, auch gesellschaftlich und psychisch.
[00:20:23] Kristina Appel: Wie schaffst du das? Ich glaube, vielleicht habe ich ein Gefühl, was macht dich besonders gut darin, jetzt den Board Room, die mittlere Führungskraft und auch in deinem Team zu motivieren und diese Message auch wirklich jeden Tag leben zu können? Weil manche, viele, glaube ich, verlieren sich im Alltag.
[00:20:44] Diana Wiedmann: Also ich glaube jedem erst mal das Mandat zu geben und dass er weiß, Diana steht dann davor oder dahinter oder an der Seite und unterstützt das auch. Und natürlich haben wir so was wie eine Leadership-Karte auch mal runtergeschrieben. Wir haben es aber nicht mit einer Unternehmensberatung, sondern wir haben es selber aufgeschrieben. Das hat eineinhalb Jahre gebraucht, einmal durch alle Level, aber wir wollten halt. Da steht zum Beispiel blaues Bunt am Ende, weil unsere Firmenfarbe bunt ist. Deswegen auch die Farben und grün und rot. Und jeder darf so sein, wie er ist. Aber das muss halt von innen nach außen kommen. Ich glaube, man kann das nicht von außen drüberstülpen. Und dann wie gesagt, der zweite und der dritte Schritt, und der ist viel, viel schwieriger, als das einmal sauber aufzuschreiben, ist es, das jeden einzelnen Tag durchzuziehen. Und es ist super anstrengend. Es ist anstrengend, konsequent zu sein. Und die andere Seite, die wir alle, wir sind heute schwerpunktmäßig deutsch. Da seid ihr viel besser, wenn ich das einmal sagen darf, ist Loben und Stärken stärken. Also wir sind so deutsch und alle Ingenieurinnen hier, wir finden immer den einen Fehler und wir finden immer die 10 Prozent, das eine Prozent, was nicht passt. Aber in anderen Kulturen, ich habe viel in USA gearbeitet, ist es normal, Fehler zu machen. Es ist halt, wie man draufschaut. Entweder ist es experience oder es ist ein Fehler. Und ich glaube das ist so die andere große Botschaft, wo wir uns glaube ich alle gut dabei erinnern können, durch Feedback jeden einzelnen Tag stärker zu sein.
[00:22:07] Kristina Appel: Luciana, what’s your secret sauce? What makes you a motivator? What makes you a good negotiator? You’ve told me about stories where there was pollution involved, people’s health was at stake. And you said, I went in, I talked to people, I negotiated. It took years. And I just thought, why would you do that? Why would you want to do that? But also, what part of you makes you successful in these very difficult times?
[00:22:35] Luciana Filizzola: I think that to start with, I have something inside me very it’s like it’s a ball. It’s an energy that’s so strong, so strong. So every time I can feel down, I feel sometimes angry. Anything. I come back to this and this tells me keep going, though. I think the other thing is that I always try to be as transparent and as honest as possible. I think that’s why I love working in Germany with the German people. They’re so straightforward. I love it. So, yes. So I like to build up a relationship based on trust, based in transparency. Right? During my career, I was able to build something that for me, I think is my superpower, which is, I like to see the big picture. I can see the big picture, but I don’t forget the details. So listening, going to the details, taking the big picture out and express yourself the most clear possible. I think that’s it.
[00:23:53] Kristina Appel: Antje, auch an sich die Frage, weil für mich es in diesem Buch einfach besonders schön gewesen, dass wirklich jede dieser Frauen so einzigartig ist und so einzigartige Stärkenkombinationen zusammenbringt, Schwächenkombinationen in sich vereint mit technischen, fachlichen Fähigkeiten und auch Erfahrungen. Und bei dir war es so, dass du mir sehr viel erzählt hast, dass du dir Zeit nimmst, um nachzudenken und zu reflektieren, was mir schwerfällt. Erklär mir, wie du das machst, vielleicht auch, was dein Antrieb ist und wie du dann so wachsen konntest.
[00:24:31] Antje Jörg: Ich habe eigentlich gleich zum Einstieg dazu eine ganz lustige Story. Für den Job, den ich jetzt habe als Geschäftsleiterin der Branddirektion in München saß ich in der Vorstellungsrunde, sieben andere Männer und ich, natürlich nacheinander und es waren auch einige dabei, die viel besser waren. Also eingewertet vom Job her. Und die Runde lief und es geht der Countdown los. Und dann sagte die eine Mitarbeiterin: So, jetzt kommt die letzte Frage. Ich glaube, das ist eigentlich eher sogar eine unerlaubte Frage gewesen, was man normalerweise in Jobinterviews nicht macht. Was tun Sie, um nicht an Selbstüberschätzung zu leiden? Und ich war so geschockt in dem Moment und habe gesagt: Das ist nicht mein Problem. Zum Glück habe ich aber sofort weitergeredet, weil das Problem nämlich da war, dann es hätte sehr arrogant rüber kommen können. Es hätte sein können. Ich doch nicht! Und genau die Bestätigung gebracht. Nein. Ich habe dann gesagt, ich bin ein Mensch, der reflektiert nahezu täglich. Ja, ich mache es unbewusst immer wieder, wenn ich aus Situationen rauskomme oder in Situationen reingehe. Was ich auch mache, ist: Ich habe, wie ich vorhin schon erzählt habe, ein paar vertraute Menschen um mich drumrum, die ich dann auch frage: Wie war das oder wie würdest du das tun? Und dann versuche ich zu schauen: Kann ich damit umgehen? Manches Feedback ist auch wirklich nicht schön, muss man ganz ehrlich sagen. Wenn es dann heißt: Red doch mal ein bisschen langsamer. Aber ich reflektiere wirklich. Das ist in meiner DNA mittlerweile sehr stark drin. Ich fang meistens immer an, erst mit mir selbst. Ich schau, was war jetzt? Was hat mich gestört an der Situation? Meistens spüren wir es genau, hier in dieser Mitte drin, dass irgendwas nicht super war. Dann kommt der nächste Ring. Dann sage ich: Wie hast du das erlebt, wenn du dabei warst? Oder dass ich auch sage, ich ruf mal jemanden an, schreib mal eine Whatsapp und sag, mir ist gerade das und das passiert. Wie siehst du denn das? Oder morgen steht das und das an, ich würde es so machen. Wie siehst du es?
[00:26:40] Kristina Appel: Damit schließt du einen wunderschönen Kreis zu meiner letzten Frage an dich: Wie wichtig es ist, Menschen um Hilfe zu bitten und auch Menschen zu haben, die man um Hilfe bitten kann? Und für manche von uns, wie auch bei dir, glaube ich, ist es auch eine beste Freundin. Zum Beispiel ist es dein Partner, Sind es Kolleginnen? For you, Luciana, it was also men that were powerful mentors for you. And I think it’s important to open this up. It’s important to have women support each other. It is important that we give each other strength and understanding for the particular challenges. Also we can’t just do it all and exclude men, exclude people with different life experiences. So it was good to hear that the people that really supported you were men in particular. Tell us what they did right.
[00:27:35] Luciana Filizzola: First thing they believe in you. That’s like the first thing for sure. And they showed me and also to me, they also coached me telling me as well my talent because sometimes I don’t know about me. I take it for granted what I have. I am a typical woman, right? So they came and they told me how much I was able to do and they believe in me. So the three of them were my bosses and the three of them were the CEOs of the company. Busy men. Very tough men. For many others very difficult people, right? Wanting results all the time. But they took their time to really make sure that I was understanding how important I was for them to do the job. And I think I tried to do that with with my team as well, because I think that makes the total difference. You know, it’s not only about the tasks, but also about why you’re doing this tasks and the meaning and the mission. Yeah, they did that. So I’m very thankful for the three of them. One of them I still work with. He was the one, though, when he invited me to come to GMH Gruppe, I was like, are you crazy? I didn’t speak German. It’s a German family company. Very German, very traditional, like toolmakers. Wow. What am I doing here? He said, come, you will make it, I’m pretty sure. And he gave me this space and he gives me this space. So I was having a very tough discussion two days ago, very big one with a German lady, and I had to explain her something she had to do, and she was against it. And I was looking at her and he was like, god, I wanted to laugh because he was beside her and like, go, go, go, go. So, yeah, so that’s so cool to have someone, some people, bosses or colleagues that are willing to give you this. I’m very lucky, really.
[00:30:02] Kristina Appel: Yeah, it is important to have people champion us. In your career did you have those people or did you ever feel you have become such a person… ach jetzt hätte ich eigentlich auf Deutsch reden können. In deiner Karriere, bist du jemals plötzlich so ein Champion für eine andere Frau geworden oder eine andere Person?
[00:30:19] Diana Wiedmann: Also definitiv ja. Ich bin ja jemand, der sehr in Gleichberechtigung und Fairness irgendwie daran glaubt und ich wollte es am Anfang irgendwie so nicht wahrhaben. Ich war lange bei Siemens und dann hört man so die ersten Manufacturing Stories und da hörst du, so denkst dir, wurde das jetzt grad wirklich gesagt? Also bei mir ist es erst mal da losgegangen, weil ich ähnlich wie bei dir auch von einer sehr starken Mutter irgendwie erzogen wurde. Und dann habe ich gedacht, in meiner Funktion, weil ich ja schon lange Personal war, so jetzt muss ich mich da hinstellen, egal wer, egal ob ich Führungskraft bin oder nicht, sondern Diana. Also da und definitiv ja schon immer. Und zwar egal welche Art von Ungleichgewicht, egal ob es jetzt Bezahlung – ich arbeite sehr international, wenn man mal in einem Land gelebt hat, wo man die Sprache nicht spricht, kann ich nur jeden einladen, das mal zu tun, wie man sich auf der anderen Seite des Tisches tatsächlich fühlt, wenn man was zum Essen haben will, man aber nicht so genau weiß, wie es denn dann auf Cantonese jetzt richtig heißt. Aber klar, ich hatte auch Menschen, die mich supportet haben und ich kann auch dazu einladen. Was ich gerade in männlicher Führung oft erlebt habe, ist, dass Widerstand Widerstand erzeugt. Und glaubt mir, wie ich 20 war, bin ich zehnmal gegen die gleiche Wand gelaufen, einfach weil ich sagte, Ich will da durch. Und das, was du gesagt hast, finde ich auch wichtig, auch das Umfeld zu reflektieren und mal einen Schritt zurück zu gehen und zu denken: Ich glaube, wenn ich rechts rum geh, komme ich da auch hin. Aber der Weg ist irgendwie smarter und ich hinterlasse weniger Schaden. Und das wäre vielleicht nur so aufbauend auf dem, was ihr beide gesagt habt. Vielleicht auch das andere, was ich heute auch anders mach, als ich es mit 20 gemacht habe.
[00:31:58] Kristina Appel: Vielen Dank, dass ihr da wart.