Wie können sich Eltern im Job gegen Diskriminierung wehren – mit der Unterstützung aller?

Sandra Runge und Karline Wenzel haben es sich zur Aufgabe gemacht, dass Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal in das Allgemeine Gleichstellungsgesetz aufgenommen wird. Mit ihrer Initiative #proparents haben sie große mediale Aufmerksamkeit erlangt und viele prominente Unterstützer*innen gewonnen. Ihr Buch skizziert anhand von Fallbeispielen die Vielzahl der Benachteiligungen und gibt Eltern Tipps, wie sie sich gegen Diskriminierung im Beruf wehren können. Darüber hinaus zeigen sie Wege auf, wie Betriebe elternfreundlicher werden können und formulieren konkrete Forderungen an die Politik.

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Thema

Familie & Vereinbarkeit | Gesellschaft

Angaben zur Referent:in

Karline Wenzel ist Journalistin, Kommunikationsberaterin und Mutter zweier Töchter. Sie hat im April 2020 die Initiative »Eltern in der Krise« mitgegründet, die dazu beigetragen hat, dass in der öffentlichen Debatte um die Einschränkung in der Pandemie auch die Bedürfnisse von Familien berücksichtigt wurden.
Ihre Kollegin Sandra Runge ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mutter zweier Söhne. Seit zehn Jahre berät sie Eltern zu allen Rechtsfragen rund um Schwangerschaft, Elternzeit und Wiedereinstieg. Sie engagiert sich für Elternrechte und weist über soziale Netzwerke und als Autorin immer wieder auf rechtliche Missstände hin.
Mit der freien Journalistin Stefanie Hornung sprechen die beiden heute über ihre Zusammenarbeit und darüber, was sie von ihrem eigenen Buch-Projekt lernen konnten.

Der Beitrag wurde im Rahmen der herCAREER-Expo 2022 aufgezeichnet und als Podcast aufbereitet.

00:00:10-4 Moderation: Herzlich willkommen zum herCareer Voice Podcast, Du bist hier richtig, wenn Du diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarktpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören willst. Lerne dabei von Role Models, Expert:innen und Insidern und nimm wertvolle Anregungen für Deine eigene Karriereplanung mit. Mit herCAREER Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein – von der herCAREER-Expo live und aus der herCAREER-Community.

00:00:39-1 Katharina Alexander: Wie können sich Eltern im Job gegen Diskriminierung wehren? Mit der Unterstützung aller. Sandra Runge und Karline Wenzel haben es sich zur Aufgabe gemacht, dass Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal in das allgemeine Gleichstellungsgesetz aufgenommen wird. Mit ihrer Initiative #proparents haben sie große mediale Aufmerksamkeit erlangt und viele prominente UnterstützerInnen gewonnen. Ihr Buch skizziert anhand von Fallbeispielen die Vielzahl der Benachteiligungen und gibt Eltern Tipps, wie sie sich gegen Diskriminierung im Beruf wehren können. Darüber hinaus zeigen sie Wege auf, wie Betriebe elternfreundlicher werden können und formulieren konkrete Forderungen an die Politik. Karline Wenzel ist Journalistin, Kommunikationsberaterin und Mutter zweier Töchter. Sie hat im April 2020 die Initiative „Eltern in der Krise“ mitbegründet, die dazu beigetragen hat, dass in der öffentlichen Debatte um die Einschränkungen in der Pandemie auch die Bedürfnisse von Familien berücksichtigt wurden. Ihre Kollegin Sandra Runge ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mutter zweier Söhne. Seit zehn Jahren berät sie Eltern zu allen Rechtsfragen rund um Schwangerschaft, Elternzeit und Wiedereinstieg. Sie engagiert sich für Elternrechte und weist über Soziale Netzwerke und als Autorin immer wieder auf rechtliche Missstände hin. Mit der freien Journalistin Stefanie Hornung sprechen die beiden heute über ihre Zusammenarbeit und darüber, was sie von ihrem eigenen Buchprojekt lernen konnten.

00:02:14-8 Stefanie Hornung: #proparents, das hat vielleicht schon mal jemand von euch gehört #proparents, aber was ist das denn eigentlich? Sandra, bei dir möchte ich mal einsteigen.

00:02:23-7 Sandra Runge: Ja, wie der Name schon sagt, pro parents bedeutet für Eltern und wir setzen uns natürlich für Eltern ein, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das ist ja ein großes Thema, was alle beschäftige, die Kinder haben. Und Anlass ist aber tatsächlich eine ganz konkrete Forderung. Und zwar ist unser Ziel, dass Elternschaft oder bzw. noch ein bisschen weiter gefasst, Fürsorgeleistungen als ein neues Diskriminierungsmerkmal in unser allgemeines Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen werden. Also sorry, ist jetzt ein bisschen juristisch, aber es ist eine wichtige gesetzliche Forderung, die umgesetzt werden muss, die eine Gesetzeslücke ist und der Auslöser war tatsächlich auch die Corona-Krise. Eine Zeit, in der es Eltern natürlich wahnsinnig schwer hatten. Die meisten erinnern sich wahrscheinlich noch, Homeschooling-Horror, Kita geschlossen, zu Hause Homeoffice, alle waren völlig fertig und müde. Und in der Zeit sind natürlich Eltern auch noch mal sehr viel stärker benachteiligt worden und gleichzeitig hat man aber auch gemerkt, dass Eltern sehr viel lauter geworden sind. Und das war so ein bisschen das Momentum, um zu sagen, so wir setzen hier nochmal einen Punkt, wir benennen noch mal eine ganz konkrete Forderung. Und ja, dann fing alles an. Wir haben eine Petition ins Leben gerufen dafür. Über 51.000 Menschen haben das unterschrieben. Und durch unsere Arbeit haben wir auch sehr viel Erfolge in der Politik verbuchen können, tatsächlich auch die Forderung, die wir haben, dass sie im Koalitionsvertrag benannt ist.

00:03:59-2 Stefanie Hornung: Ja über das Juristische, das musst du uns vielleicht nachher nochmal kurz erklären. Jetzt würde ich aber gerne noch mal wissen, ja in wiefern, ich stelle mich jetzt mal ein bisschen naiv an und frage mal, inwiefern werden denn Eltern überhaupt diskriminiert? Wir hatten den einen Fall, nach der Elternzeit gekündigt werden, ist das alles oder inwiefern werden denn Eltern diskriminiert?

00:04:23-4 Karline Wenzel: Ja, also die Frage hören wir tatsächlich total häufig und oft hören wir dann in dem Zusammenhang auch, dass Menschen sagen, ja stellt euch mal nicht so an, das ist halt einfach so, das gehört dazu. Und sogar Eltern haben diese Haltung ganz oft sogar selber auch schon verinnerlicht. Also zu dem Punkt, dass man selber sagt, ich bin diskriminiert worden, weil ich Mutter bin oder Vater bin, das ist kein einfacher Weg, um das wirklich irgendwie mal so zu sagen. Und ich glaube, das ist schon auch mit pro parents definitiv leichter geworden, das als Diskriminierung anzuerkennen. Und um zu deiner Frage zurückzukommen, das ist natürlich eine Art der Diskriminierung, aber es fängt schon viel früher an. Es fängt sogar an, bevor man Eltern wird. Das kennen super viele Frauen, dass sie ab einem gewissen Alter in Bewerbungsgesprächen plötzlich unausweichlich an einen Punkt kommen, an dem sie irgendwie auf irgendeine Art und Weise rumdrucksen müssen. Und das zieht sich dann eben durch über Schwangerschaften, Announcement der ersten Schwangerschaft, Announcement der zweiten, dritten, vierten, fünften Schwangerschaft, was auch immer. Aber was wir interessiert finden und wo ich persönlich auch einen riesigen Hebel sehe, sind die Väter. Weil die Väter in dem Moment diskriminiert werden, in dem sie aus der Schublade, Vater ist für das Geldverdienen zuständig, ausbrechen. Es gibt eine relativ neue Studie der Antidiskriminierungsstelle über Diskriminierung von Eltern und da kann man ganz ganz genau sagen, dass bei allen Punkten Mütter stärker von Diskriminierung betroffen sind, bis auf den Punkt Elternzeit. Wenn Väter nämlich länger als diese vier-acht Wochen Elternzeit anmelden, dann haben sie plötzlich ein totales Problem und stoßen auf Grenzen, die sie vorher überhaupt nicht erkannt haben. Und ich glaube, das hat man ja auch ganz eindrucksvoll in dem Vortrag heute gehört, der vor uns war, über die Generationen, die nachkommen, dass da ein unglaubliches Potenzial des Wandels drin liegt.

00:06:22-9 Stefanie Hornung: Ja für euer Buch habt ihr ganz viele Zahlen auch gesammelt, wo man nachlesen kann, inwiefern werden Eltern diskriminiert, wie sieht es bei Frauen aus, wie sieht es bei Männern aus. Ihr erklärt auch, ja, die juristische Sachlage, aber der Hauptteil von eurem Buch sind eigentlich die persönlichen Geschichten von Eltern, die sich, ich vermute mal, an euch gewandt haben, aus euren Netzwerken, die ihr eben gesammelt habt. Vielleicht könnt ihr mal einen Einblick geben, was ist denn vielleicht so eine Geschichte, die bei euch besonders hängen geblieben ist, die besonders eindrücklich ist.

00:07:05-1 Sandra Runge: Ja, also wir haben in dem Buch 36 Mütter und auch Väter interviewt in Protokollform. Also für alle, die Lust haben, das Buch zu lesen, es ist sehr eindrücklich, die Geschichten gehen wirklich nahe. Also es ist Wahnsinn, was diese Eltern erlebt haben. Und uns war es natürlich auch wichtig, Väter zu benennen. Also wir haben fünf Väter interviewt und 31 Mütter. Und ein Fall der zieht sich so ein bisschen wie ein roter Faden durch dieses Buch und an dem Fall erklären wir auch ganz viel. Und der ist tatsächlich auch so ein bisschen ähnlich wie das was ich erlebt habe, was du vorhin beschrieben hast, so dieser Schockmoment, du hast deine Elternzeit und freust dich wieder drauf, du hast dich in der Zeit vielleicht sogar fortgebildet und plötzlich stehst du da, Kind wird gerade in der Kita eingewöhnt und dann kommst du, dein Schreibtisch ist leer und kriegst die Kündigung am ersten Tag. Und das ist unserer Mutter, die heißt in dem Buch Linn, die hat das auch erlebt, die war Mutter von Zwillingen, war ein Jahr in der Elternzeit und es hieß schon immer, Führungskraft ist ein Nogo, also das war schon immer so ein bisschen das, wie sie so eingeladen wurde und wie die Gespräche waren, eigentlich schon ab Beginn ihrer Schwangerschaft. Also als sie ihre Schwangerschaft offenbart hatte, hieß es schon, naja also du kannst wahrscheinlich eh nicht wiederkommen und wie gesagt, Führungskraft und Mutter ist ein Nogo. Und sie kam dann wirklich am ersten Tag nach der Elternzeit zurück und hat dann am ersten Tag ihre Kündigung bekommen. Und ja, das war natürlich auch für sie ein großer Schock. Und das hat auch eine juristische Perspektive noch bei der ganzen Thematik, da kommen wir bestimmt noch mal drauf zu sprechen, wenn wir über die Schutzlücke sprechen. Und sie hat letztendlich kurz zusammengefasst auch geklagt und aber letztendlich eine Klageabweisung bekommen und es wurde auch in dem Urteil gesagt, dass sie nicht diskriminiert wurde und dass eine Kündigung am ersten Tag nach der Elternzeit nicht diskriminierend ist und das war natürlich auch heftig. Also alle schütteln mit dem Kopf und man denkt, wow das kann einfach nicht wahr sein.

00:09:06-2 Karline Wenzel: Man muss vielleicht dazu sagen, wir haben, ich glaube, mittlerweile sind es über 1000 Fälle, die bei uns landen, die wir sammeln, die wir auf verschiedenen Kanälen immer wieder weiterspielen. Und jeder einzelne Fall lässt uns eigentlich kopfschüttelnd zurück und dass wir denken, das kann nicht sein, dass es so viele Hürden gibt. Also welche Fälle mich tatsächlich immer total beeindrucken sind solche Fälle, bei denen ich das Gefühl habe, es gibt da zwei Eltern, die das echt versuchen gut zu machen und schon sagen, wir treten da an, um das irgendwie aufzuteilen und nicht vornherein zu sagen, die Mutter bleibt zu Hause, sondern die es versuchen. Also wir haben einen Fall aus Norddeutschland zum Beispiel eines Mannes, der einen sehr guten Job in der Finanzabteilung hatte, super engagiert war, totaler Beförderungstrack die ganze Zeit und dann eben gesagt hat, er bleibt ein halbes Jahr in Elternzeit und als er wiederkam hat man ihm wirklich buchstäblich sein Büro in den Keller  ohne Fenster, in einen fensterlosen Raum in den Keller, verfrachtet und Regale von Akten vor ihn hingestellt und gesagt, die müsste er jetzt in den nächsten drei Tagen sortieren und danach würde man neue Akten reinbringen.

00:10:13-2 Stefanie Hornung: Bestrafung durch …

00:10:14-6 Karline Wenzel: Totale Bestrafung, aber wirklich so, das ist total lächerlich. Und mich ärgert das dann immer, weil ich das Gefühl habe, so es wird so schwer gemacht, es irgendwie gerecht aufzuteilen, weil diese Stereotype eben noch so ganz fest verankert sind.

00:10:29-2 Stefanie Hornung: Ja, dennoch ist es ja so, klar Männer werden schon als Eltern auch diskriminiert, wenn es ums Thema Elternzeit geht, aber wenn wir uns mal so die Zahlen anschauen aus eurem Buch, ihr habt diese ADS-Studie zum Beispiel, da habt ihr viele Zahlen. 64 Prozent der Eltern berichten von negativen Erfahrungen und es sind 74 Prozent Mütter und 52 Prozent Väter. Und nach der Elternzeit, da habe ich noch mal so Zahlen, sind es 69 Prozent der Mütter und nur 48 Prozent der Väter die schlechte Erfahrung machen. Und ja auch beim Thema Vergütung sehen wir das natürlich, dass es vor allem die Frauen betrifft. Das Thema Gender Pay Gap oder man kann schon sagen, Lifelong Earning Gap, der sich da auftut. Und da wollen wir jetzt mal so vielleicht auf diese rechtliche Sicht auch kommen. Es ist ja so, dass im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz, ja, Frauen zumindest geschützt sind insofern, dass nicht nach dem Geschlecht diskriminiert werden darf. Jetzt sehen wir, Frauen sind vor allem hier betroffen, warum brauchen wir jetzt überhaupt dieses Diskriminierungskriterium Elternschaft oder Fürsorgeleistung im AGG? Reicht das nicht so schon?

00:11:56-0 Sandra Runge: Nein, das reicht nicht. Also erst mal haben wir, was ich immer noch im Jahr 2022 heftig finde, keine gesetzliche Aussage, die besagt, Mütter und Väter dürfen in der Arbeitswelt oder in ihrem Arbeitsleben nicht benachteiligt werden. Das ist einfach irgendwie komisch. Weil das muss ja eigentlich selbstverständlich sein. Und man darf auch nicht vergessen, diese Fälle sind ja so vielfältig, die können kaum überblickt werden. Das ist so, eine dumme Bemerkung, eine Kündigung, eine Dekradierung, es ist auch vieles, was du nicht immer juristisch erfassen kannst. Und natürlich, um vielleicht doch nochmal auf die Väter zurückzukommen, ist es ja auch wichtig, wirklich beide im Blick zu behalten. Weil letztendlich können wir ja auch gerade die Väter, die ja dann auch diese Fürsorgearbeit leisten und lange in Elternzeit gehen, die sind ja so wichtig, deswegen muss man auch darauf achten, dass man nicht die Väter diskriminiert, weil die unterstützen ja dann letztendlich auch Mütter, zum Beispiel wenn sie lange in Elternzeit gehen. Also das ist ja auch alles ein großes Eins und alles sitzen in einem Boot und nur dann kann man das Problem lösen. Und im AGG, du hattest es ja schon angesprochen, sind ja verschiedene  Merkmale genannt, die kennen ja bestimmt alle. Nur um einige zu nennen, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, ethnische Herkunft und auch Geschlecht. Und über dieses Geschlecht kann man natürlich einiges erfassen, aber nicht alles. Und beispielsweise bei unserem Linn-Fall, den ich am Anfang geschildert hatte, diese Benachteiligung dann im Zusammenhang mit der Elternzeit kriegst du über das Merkmal Geschlecht gar nicht abgebildet, weil sowohl Mütter als auch Väter in Elternzeit gehen können und dann dieser Anknüpfungspunkt an das Geschlecht gar nicht besteht. Und deswegen hast du auch wie in ihrem Fall solche seltsamen Urteile, die das dann ablehnen, dass eine Diskriminierung vorlag. Und wenn du jetzt beispielsweise Elternschaft oder Fürsorgeleistung hättest, dann könntest du nur darauf abspielen und auch nur die Tatsache, dass jemand für einen anderen Menschen Fürsorgearbeit leistet und dann eine Diskriminierung darauf geschlechtsneutral zurückführen. Und dann hättest du einen ganz riesengroßen bunten Blumenstrauß und hättest fast alle Diskriminierungsformen, die im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung dann stehen, erfasst.

00:14:11-1 Stefanie Hornung: Also es braucht immer diesen Vergleich. Ohne diesen Vergleich kommt man mit dem AGG nicht wirklich weiter.

00:14:16-5 Sandra Runge: Ja natürlich, und es ist ja auch nicht nur das AGG, also es sind ja auch andere Gesetze, wie zum Beispiel das, was jetzt auch diskutiert wird, die Ausweitung des Sonderkündigungsschutzes auf den Zeitraum des Wiedereinstiegs, also auch nach der Elternzeit. Und es muss halt einfach einmal so durchgedacht werden, auch über verschiedene Gesetze. Aber über allem steht der große Auftrag, Elternbenachteiligung darf nicht erlaubt sein.

00:14:40-1 Stefanie Hornung: Ja, gleichwohl ist ja das Rechtliche oder die rechtlichen Aspekte sind ja nur das eine. Also was ich zumindest total oft höre oder beobachte, dass Diskriminierung sehr unausgesprochen passiert. Und da ist vielleicht dann auch so das deutsche Arbeitsrecht ziemlich machtlos. Also das schon einfach, weil eine Frau im gebärfähigen Alter ist, eben sie es schwere hat bei einer Beförderung, in eine Führungsposition zu kommen. Also inwiefern wie kann man denn dagegen angehen und was sind eure Ideen, wie man gerade diese versteckte Diskriminierung, nicht ausgesprochene Diskriminierung, ja, die unconscious biases, die wir noch im Kopf haben, wie man die angehen kann, Karline.

00:15:31-8 Karline Wenzel: Ja, also ich meine, Unternehmen müssen sich halt die Frage stellen, a) was will ich für eine Kultur haben, also wie möchte ich, dass die Menschen, die bei mir arbeiten, miteinander umgehen und b) wie können wir dagegen angehen? Und ich glaube, dass es ganz ganz viel um Sichtbarkeit geht. Also dass Unternehmen sehr viel da rein investieren müssen und auch das als Wert an sich erkennen müssen, dass Führungskräfte eben nicht mehr diese Schubladen automatisch auf und zu machen und Menschen da reinpacken. Das gilt für alle Arten der Diskriminierung. Und ich glaube, dass das ganz stark über die Kultur in Unternehmen passieren kann. Und warum müssen das Unternehmen machen? Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss man ganz deutlich sagen. Weil alle nachfolgenden Generationen einen ganz anderen Anspruch an Vereinbarkeit haben. Wenn du eine heute 25-jährige Frau fragen würdest in einem Bewerbungsgespräch, ja wie sieht es denn mit Ihrer Kinderplanung aus? Ganz abgesehen davon, dass diese Frage überhaupt nicht erlaubt ist, würde diese Frau wahrscheinlich, also wenn mir diese Frage gestellt worden wäre oder gestellt würde, würde ich sagen, oh ja Gott oh Gott, das ist jetzt hier echt eine Ecke, in die ich mich ganz schnell verstecken muss. Eine 25-jährige Frau würde sagen, ja gute Frage, steht auch noch auf meinem Zettel, was bieten Sie mir denn an bei dem Thema? Also dass du viel stärker auch raus aus dieser Defensivecke gehst und sagst, wir zusammen haben den Auftrag, eine Kultur des Miteinanders zu gestalten.

00:17:00-5 Stefanie Hornung: So Kultur ist immer so ein großes Wort und da sind ja Unternehmen auch sehr gut drin, zumindest zu behaupten, dass sie eine ganz tolle Unternehmenskultur haben, und ja irgendwie muss man diese Dinge ja aber an die Oberfläche bringen und besprechbar machen. Also was da für Vorstellungen da sind. Also habt ihr da Erfahrungen, wie so was gelingen kann?

00:17:20-6 Sandra Runge: Ja, also natürlich muss man immer das Ganze thematisieren. Also es ist ja auch wichtig, dass man sich bemerkbar macht, auch aus der Elternsicht und dass man auch ruhig Forderungen stellt. Also man kann natürlich auch sagen, so stelle ich mir das vor, das ist meine Herausforderung oder mein Bedürfnis, das ich habe. Und das ist ja ganz unterschiedlich. Das kann bei einer Mutter mit drei Kindern anders sein, als jetzt bei einer alleinerziehenden mit drei Kindern. Also man muss immer irgendwie gucken, wie passt es rein und was möchte ich auch von meinem Unternehmen, was erwarte ich davon. Und wir haben ja auch mit sehr vielen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen gesprochen in dem Buch und da gibt es wirklich tolle Dinge, die die anbieten und man sieht auch immer, wenn die Unternehmen Vorbilder haben, die selber Eltern sind, die selber wissen, was das bedeutet, also wenn man diesen ständigen Spagat tagtäglich hat, dass da einfach sehr viel mehr Verständnis ist. Und das sind wirklich tolle Sachen, Arbeitszeiten zum Beispiel oder wir hatten ein Unternehmen, das zahlt einfach mal Müttern und Vätern, die wiederkommen, 300 Euro mehr Gehalt. Klar, das kann wahrscheinlich nicht jedes Unternehmen stemmen, aber trotzdem das sind einfach wichtige Maßnahmen.

00:18:30-5 Stefanie Hornung: Ja genau, aber es kann vielleicht, also man muss ja auch realistisch sein, viele Unternehmen, vielleicht jetzt gerade kleinere Unternehmen, können sich das nicht unbedingt leisten und ja, dann ist es natürlich schon auch so, dass sie dann sagen, ich muss ja im Grunde eine zweite Person einstellen. Also wenn jetzt jemand in Elternzeit geht, dann brauche ich eine zweite Person, die diese Aufgaben erfüllt und dann habe ich zwei Personen auf der Payroll. Also es ist ja durchaus, wenn es ein großer Konzern ist, wenn die wirtschaftlichen Möglichkeiten da sind, okay, aber es gibt ja auch Unternehmen, da ist es vielleicht schwieriger. Also vielleicht habt ihr da noch mal Tipps auch gerade für diese Unternehmen, die jetzt da wirtschaftlich nicht so gut aufgestellt sind.

00:19:17-3 Karline Wenzel: Also ganz klar, und da versteht man ja auch jeden Arbeitgeber und Arbeitgeberin, die sagen, das ist jetzt hier eine Herausforderung, die wir meistern müssen. Aber wir haben auch bei diesen Interviews noch mal ganz deutlich gemerkt, das ist durchaus eine Herausforderung, die man meistern kann und genau die Unternehmen meistern die Herausforderung, die existentiell vom Fachkräftemangel betroffen sind. Also Kitas, mit denen wir gesprochen haben, Pflegeeinrichtungen, mit denen wir gesprochen haben, die sagen ganz klar, wenn wir hier Leute haben wollen, das heißt, wenn wir unser Unternehmen am Laufen halten wollen, dann müssen wir Lösungen bieten. Und das ist, wie Sandra sagte, muss man sich halt anschauen. Also wir haben von einem Krankenhaus gehört, das einfach überhaupt kein Pflegepersonal mehr bekommt und die haben jetzt im Krankenhaus eine 24-Stunden-Kita integriert, damit die Eltern kommen können. Denen rennen plötzlich die Leute die Bude ein. Oder ein Kitaanbieter, die sagen, wir geben die Verantwortung der Teamplanung komplett in die Teams selber und dann gucken die, die alleinerziehende hat vielleicht nur jede zweite Woche die Kinder und kann dann jede zweite Woche eigentlich auch Vollzeit arbeiten, aber dafür darf sie in den anderen zwei Wochen immer schon um 12 Uhr gehen oder so was. Also es gibt diese Lösungen und die Frage ist nur, wie groß ist dein Druck, über diese Lösungen nachzudenken. Und wir animieren alle oder appellieren an alle Unternehmen, sich dieser Herausforderung zu stellen, weil sie wird unweigerlich auf alle Unternehmen zukommen.

00:20:43-8 Stefanie Hornung: Ja, wenn wir jetzt so allgemein von Unternehmen sprechen, es ist ja oft auch schwierig, einfach so vielleicht direkt auch an die Führungskräfte ranzukommen. Und wenn wir uns so die Belohnungsstrukturen oder Vergütungsstrukturen in Organisationen anschauen, dann werden eben auch viele Führungskräfte an ihren wirtschaftlichen Erfolgen gemessen und die rechnen sich dann natürlich auch aus, naja mit wem kann ich hier am besten performen. Also was habt ihr da für Ideen, wie kann man das vielleicht aufbrechen?

00:21:12-8 Sandra Runge: Ja, das ist halt immer schwierig. Also ich finde immer, also was du auch vorhin meintest, dass man immer denkt, man muss sofort zwei Personen auf einen Job einsetzen, weil eine in Elternzeit ist und dann zahlt man zwei Gehälter, das stimmt ja auch gar nicht. Also in der Elternzeit kostet man ja einen Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin gar nichts. Und deswegen muss man da, finde ich, immer ganz genau hinschauen. Und man kann ja auch jemand befristet einstellen erst mal, aber oft ist es eher umgekehrt. Also man stellt in einer Elternzeitphase dann häufig eine Person ein und dann heißt es, wenn dann die Mutter wiederkommt, naja also deine Stelle ist gerade weg. Also das ist aber eigentlich die völlig falsche Herangehensweise, weil die ist ja oft noch da. Es sitzt nur plötzlich eine andere Person darauf. Und idealerweise sollte man ja schauen, dass alle einen Platz in diesem Unternehmen bekommen und dass ein Unternehmen natürlich wächst und dann auch beide tragen kann. Oder man muss dann die andere Person wirklich befristet einstellen und sagen, naja du bist eine Elternzeitvertretung und da kommt dann jemand wieder. Also es ist ja einfach sehr häufig so, dass man dann diese Degradierung hat und dann diesen Jobverlust oder der Job ist plötzlich was ganz anderes.

00:22:19-6 Stefanie Hornung: Das ist ja so die eine Perspektive, die ihr in eurem Buch einnehmt. Also ihr habt quasi anhand von den Geschichten Tipps aufgestellt für Arbeitgeberinnen, aber eben auch für Beschäftigte, die das Gefühlt haben, naja vielleicht ist da jetzt irgendwie gerade eine Diskriminierung im Gange. Was sind denn so vielleicht, wenn ihr das jetzt mal hier teilen könnt, was sind so die wichtigsten Tipps, die ersten Schritte, die man tun kann, wenn man das Gefühl hat, ja hier werde ich dann doch nicht gerecht behandelt, da liegt eine Diskriminierung vor?

00:22:57-7 Sandra Runge: Also man kann natürlich bei ganz einfachen Dingen beginnen, alles zu verschriftlichen. Das ist immer schon mal wichtig, also Protokolle. Oder wenn man merkt, da ist irgendwas im Argen, alles dokumentieren, also richtig wirklich wie so ein Tagebuch führen. Der hat das gesagt, der hat das dann gesagt oder es war ein Gespräch. Also alles immer runterschreiben und sich auch schriftlich geben lassen. Weil wenn es wirklich hart auf hart kommt, muss man so was manchmal nachweisen. Und das ist oft sehr schwierig, dass es dann vielleicht da ist. Dann sollte man natürlich seine Rechte kennen und auch gewisse Fristen. Also dass man beispielsweise drei Wochen nach einer Kündigung klagen muss oder dass man Ansprüche nach dem AGG, Schadenersatzansprüche innerhalb von zwei Monaten wirklich schriftlich anmelden muss, sonst sind die weg. Also das sind so ein paar Basics. Und natürlich immer eine Rechtsschutzversicherung abschließen, damit man sich das dann auch leisten kann, wenn man wirklich später darauf angewiesen ist, rechtlich dann natürlich sich Hilfe zu suchen. Und generell Hilfe suchen. Also man kann sich ja auch in dem Unternehmen verbünden untereinander. Man kann auch auf Gremien wie Betriebsräte oder auch Gleichstellungsbeauftragte zurückgreifen. Auch erst mal schauen, dass man kleine Schritte geht. Man muss ja nicht sofort mit der Keule kommen, mit der Klage, sondern erst mal gucken, also wie kann ich das vielleicht smart lösen, weil man will ja auch nicht sofort, dass man dann plötzlich keinen Job mehr hat.

00:24:15-1 Karline Wenzel: Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir immer gerne betonen, dass wir überhaupt niemanden, also dass unser Ziel nicht ist, Unternehmen jetzt mit Klagewellen zu überschütten, sondern wir wollen einfach Arbeitgeberinnen aber auch Eltern sensibilisieren, dass man da gemeinsam Lösungen finden kann. Also bevor man wirklich sich dafür entscheidet, einen rechtlichen Weg einzugehen, der in manchen Fällen vielleicht unausweichlich ist, gibt es eben ja auch ganz viele Möglichkeiten, das Gespräch zu suchen, zu sagen, das ist eine gemeinsame Aufgabe, die wir machen. Also da animieren wir immer auch gerne die Eltern dazu zu sagen, geht noch mal ein paar Schritte zurück und versucht es erst mal über eine vernünftige Kommunikation miteinander.Wir sind glücklich und stolz, dass Du ein Teil der herCAREER-Community bist. Danke, dass Du anderen zuhörst, um uns alle weiterzubringen. So klingt Female Empowerment.