Wie wir Vorurteile durchbrechen und Altersdiversität leben

Die Alten sind träge, wissen immer alles besser und den Jungen mangelt es an Erfahrung? Vorurteile zwischen Alt und Jung gibt es viele. Durch den demografischen Wandel steigt der Druck auf Unternehmen, junge, qualifizierte Mitarbeiter*innen für sich zu gewinnen und langfristig zu binden.

Doch wie funktioniert generationsübergreifendes Miteinander für Wirtschaft und Gesellschaft? Darüber hat Annahita Esmailzadeh, unter anderem IT-Managerin bei Microsoft, mit Dr. Irène Kilubi gesprochen. Altersdiversität ist Irènes Herzensthema, sie ist die Initiatorin von Joint Generations.

Thema

Wirtschaft, Arbeit & New Work | Gesellschaft

Angaben zur Referent:in

Annahita Esmailzadeh ist Führungskraft bei Microsoft. Zuvor verantwortete sie bei SAP als Head of Innovation den Innovationsbereich für das SAP Labs in München. Die mehrfach ausgezeichnete Wirtschaftsinformatikerin und Bestsellerautorin gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Business-Influencerinnen und Keynote-Speakerinnen im DACH-Raum. Ihre Reichweite in den Medien und auf sozialen Netzwerken setzt sie für mehr Diversität und Inklusion sowie moderne Kultur- und Führungsansätze in der Arbeitswelt ein. Die „Diversity-Kämpferin“ (brand eins Magazin) und „digitale Pionierin“ (t3n Magazin) wurde vom Focus Magazin als eine der 100 Frauen des Jahres 2022 ausgezeichnet. Das Wirtschaftsmagazins Business Insider kürte sie als eine der Top 25 Zukunftsmacherinnen, die die deutsche Wirtschaft verändern und prägen. Sie erhielt für ihr Engagement zudem die Europamedaille sowie den German Diversity Award. Geboren wurde Annahita Esmailzadeh in München, wo sie als Tochter iranischer Einwanderer in einem sozialen Brennpunkt aufwuchs.

Dr. Irène Kilubi ist promovierte Wirtschaftsingenieurin und Unternehmensberaterin und hat für namhafte Unternehmen wie BMW, Deloitte, Siemens und Amazon gearbeitet. Nach vielen beruflichen Stationen folgt sie jetzt ihrer persönlichen Leidenschaft und widmet sich den Themen JOINT GENERATIONS, Community Building und Corporate Influencer Strategie. Darüber hinaus ist sie als Expert Advisor für den European Innovation Council Accelerator der Europäischen Kommission tätig. Dr. Irène Kilubi ist Universitätsdozentin für Digitales Marketing und Entrepreneurship, Beirätin (z.B. für Miss Germany oder impulse ai) und eine gefragte Keynote Speakerin und Moderatorin auf Konferenzen und Veranstaltungen.

Der Beitrag wurde im Rahmen der herCAREER Expo 2023 aufgezeichnet und als Podcast aufbereitet.

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00: 00:00 Irène Kilubi: Es wird alternativlos sein. Unternehmen werden froh sein, wenn sie auf eine offene Stelle überhaupt zwei qualifizierte Bewerbung erhalten werden. Also die werden die Finger danach lecken, wenn erfahrene Mitarbeitende anfangen wollen zu arbeiten. Und es ist klar: Wir leben jetzt auf einem Arbeitnehmenden-Markt. Wir können entscheiden, wo wir letzten Endes hingehen.

00: 00:32 Julia Hägele: Herzlich willkommen beim herCareer Podcast. Hier kommen Menschen zu Wort, die sich für eine vielfältige und gerechte Arbeitswelt einsetzen. Von der herCareer Expo Live und aus der herCareer Community. Die Alten sind träge, wissen immer alles besser und den Jungen mangelt es an Erfahrung. Vorurteile zwischen Alt und Jung gibt es viele. Durch den demografischen Wandel steigt der Druck auf Unternehmen, junge qualifizierte Mitarbeiter innen für sich zu gewinnen und langfristig zu binden. Doch wie funktioniert generationsübergreifendes Miteinander für Wirtschaft und Gesellschaft? Darüber hat Anahita Esmailzadeh, unter anderem IT-Managerin bei Microsoft, mit Dr. Irène Kilubi gesprochen. Altersdiversität ist ihr Herzensthema. Sie ist die Initiatorin von Joint Generations.

00: 01:31 Annahita Esmailzadeh: Irène ist promovierte Wirtschaftsingenieur, hat eine sehr beachtliche Konzernlaufbahn, war bei BMW lange unterwegs. Sie ist Speakerin, sie ist Unternehmerin, sie ist Investorin. Und vor allem ist sie auch CEO von Joint Generations. Und genau darum soll es heute gehen. Um die Themen, für die sich Irène einsetzt im Kontext von Joint Generations und die Diversitätsdimension, die sehr, sehr häufig vernachlässigt wird, und zwar die Diversitätsdimension des Alters. Wieso ist dieses Thema für dich so ein Anliegen, Irène?

00: 02:05 Irène Kilubi: Ja, du hast es richtig erkannt. Das ist leider eine Diversitätdimension, die wenig Beachtung findet. Ja, und ich muss sagen, wir sind damals als Flüchtlinge vor knapp 30 Jahren gekommen. Ja, war leider so, dass wir eine der ersten schwarzen Menschen waren, die nach Deutschland gekommen sind. Wir lebten in einem Pflegeheim. Kinder können grausam sein, aber die Omis, die waren immer so süß zu mir. Ja, die haben mir meine Haut gestreichelt. Und damals gab es auch die Werbung mit Perwoll. Deine Haut, ist die mit Perwoll gewaschen? Meine Haare, meine Zöpfe wollt ich mal anfassen. Und das war für mich immer so ein Zufluchtsort. Und ich wurde aber dann noch mehr gehänselt, weil die gesagt haben: Hast du keine Freunde, du bist immer bei den Omis. Und das war mir dann letzten Endes egal. Um das ein bisschen kurz zu fassen: Meine Mutter, meine Schwester sind auch beide Altenpflegerinnen und mir ist einfach aufgefallen hier in der westlichen Kultur, dass wir das Alter so wenig schätzen. Und später habe ich auch erfahren, dass es nicht nur in eine Richtung geht, dass ältere Menschen diskriminiert werden können, sondern auch junge Menschen. Und ich bin einfach vom Naturell sehr aufgeschlossen, dynamisch, energisch. Und ich bin dann bei einem großen Automobilkonzern eingestiegen. Ich war die jüngste, mit Abstand, der nächstältere Kollege, war 43 ich 25, also 18 Jahre Unterschied. Ich habe nie verstanden, warum alles, was ich getan habe, immer mit meinem Alter assoziiert wurde. Komm du erst mal in mein Alter, du bist noch viel zu jung. Na klar bist du dynamisch, aber mach das erst mal! Es wird sich alles ändern. Und auch gegen andere ausländische Lieferanten. Die haben mir gesagt: Wo ist dein Chef? Also, mein Chef hat gesagt, ich darf das, darf die Entscheidung treffen, darf auch das Meeting durchführen. und das hat irgendwie das Weltbild vieler Menschen nicht gepasst. Junge schwarze Frau und vielleicht auch noch smart. Und dann bin ich im Berufsleben eingestiegen, habe sehr, sehr viele tolle Frauennetzwerke kennenlernen dürfen, mit denen ich gearbeitet habe, heute noch arbeite. Und dann habe ich gemerkt, dass der Fokus sehr stark auf Gender war und dann kam immer mehr andere Diversitätdimensionen dazu, aber Alter fehlte irgendwie. Da habe ich mich auch zurückbesonnen auf meine Hausarbeit, ich werde nie vergessen, den Schwerpunkt im Fach Personalmanagement. Da habe ich meinem Professor gesagt, ich möchte gerne das Thema Diversity als personalpolitische Herausforderung behandeln. Der meinte, das Thema ist doch überhaupt nicht sexy. Mach doch lieber was mit Kultur, das passt doch zu dir. Ich habe es trotzdem gemacht. Und ja, der Rest ist Geschichte, oder? Keiner widmet sich dem Thema. Wenige Initiativen kümmern sich um die Belange der ganz Jungen selbst und noch weniger um die von erfahrenen Menschen. Und noch weniger, je weniger sich das zur Mission gemacht haben, die Nation zu verbinden. Und so ist es entstanden.

00: 05:06 Annahita Esmailzadeh: Ich finde es auch immer sehr, sehr spannend, dass die Dimension des Alters so vernachlässigt wird, weil das ist ja eine, die betrifft ja wirklich jeden von uns. Also das stetige Altern ist ja etwas, das verbindet uns alle. Es würde mich interessieren, was assoziiert du denn mit Jung und was assoziierst du denn mit Alt?

00: 05:25 Irène Kilubi: Tatsächlich hattest du mich mit Mindeset zu tun. Beides. Wir lassen uns sehr, sehr viel von unserer Gesellschaft vorgeben. Es ist eigentlich für mich eigentlich nur eine Zahl. 30, 60, 55. Es fängt erst mal bei einem selber an. Was oder wie empfinde ich das Alter? Also ich gefühlt bin immer im besten Alter, auch nächstes Jahr, wenn ich ein Jahr älter bin. Wow, das beste Alter ever. Du hast es so schön angesprochen. Das Paradoxe ist ja, dass ist die einzige Diversitätdimension, die wir alle gemeinsam haben. Ich wurde auch mal gefragt: Hast du eigentlich Angst vorm Älterwerden? Ich so: Nö, weil das gleiche Schicksal blüht uns allen. Es wäre traurig, wenn ich die Einzige wäre, die immer älter werden würde. Aber ich war 20, ich war 21, schöne Zeit, aber ich würde nicht umkehren wollen. Ich bin offen. Ja, ich. Ich bin 37 und bei 38. Ich freue mich auch so auf die Zeit, wenn ich 55 bin, weil ich weiß, das wird richtig geil.

00: 06:35 Annahita Esmailzadeh: Also es ist ja auch ein Privileg, alt werden zu dürfen. Na also, das vergisst man ja oft. Ich denk mir so: Hey, du hast jetzt noch ein Jahr. Viele haben es nicht bis dahin. Es hört sich jetzt blöd an, aber es ist doch wundervoll, alt zu werden. Und diese ganzen Erfahrungen zu sammeln.

00: 06:50 Irène Kilubi: Absolut. Ich sag immer, ich bin echt dankbar, dass ich jedes Jahr älter werden darf, dass ich noch hier bin und noch so viel machen kann.

00: 06:59 Annahita Esmailzadeh: Was ich tatsächlich auch finde, ist, dass es gesellschaftlich so ein bisschen eine Doppelmoral gibt hinsichtlich des Alterns von Frauen und von Männern. Also was ich zum Beispiel sehr bezeichnend fand, war, dass als Birgit Schrowange sich dafür entschied, sich die die grauen Haare einfach rauswachsen zu lassen. Und sie hat ja vorher lange eine Perücke getragen und hat es dann quasi entblößt. Und dann wurde sie abgefeiert für ihren Mut. Und ich hab damals die Artikel gelesen und ich dachte mir so, wann wurden denn Richard Gere oder George Clooney mal gefeiert? Dafür, dass sie ihre grauen Haare zeigen? Das Idealbild einer Frau ist, ewig auszusehen, als wäre sie 25 und das ist, glaube ich, auch etwas, was Frauen massiv unter Druck setzen kann hinsichtlich des Alterns, oder?

00: 07:48 Irène Kilubi: Ja, absolut. Also wir sprechen sehr oft über Wirtschaft. Ja, aber es geht auch hier um Stereotype, unseren Jugendwahn in der Gesellschaft. Und der wird sehr stark medial geprägt. Was wird mir vorgesetzt? Genau das Thema. Vielleicht kann jeder von euch auch mal reflektieren, was verbinden wir mit Jung und Alt? Und das sind so Konnotationen, die uns vorgegeben werden. Alt muss ja nicht negativ sein, aber wir sind so sozialisiert worden, es als negativ zu betrachten. Es geht doch in beide Richtungen. Also die Begriffe nennen Sie einmal Ageism, Diskriminierung gegenüber erfahrenen Menschen, dass man denkt, dass sie nicht mehr dynamisch sind und vor allen Dingen die kognitiven Fähigkeiten überhaupt, sich Kompetenzen anzueignen, irgendwie verblassen bei den älteren Menschen. Andersherum wird der Begriff Adultismus geprägt, also bei den jungen Menschen. Dass man denen nachsagt: Du bist doch viel zu jung, du kannst doch keine Verantwortung übernehmen, du bist doch noch gar nicht reif genug, um Entscheidungen zu treffen. Und das erlebe ich ganz stark, diese Ambivalenz in der Arbeitswelt. Also die Arbeitgeber schustern sich das immer zureicht. Reflektiert mal vor euch In welchen Arbeitsbereichen habt ihr oder könntet ihr Diskriminierung feststellen? Es fängt bei der Einstellung ein, bei der Entlohnung, bei der Karriere, Laufbahn, bei der Beförderung. So viele Themen, da bist du entweder zu jung oder zu alt. Und das Schlimme ist: Wir Frauen haben noch ein härteres Schicksal. Wir sind immer im falschen Alter. Ja egal, dann sind wir zu jung und hübsch. Und dann die Kombination zu alt etc. Überleg doch mal, ab wann gilt man im Arbeitsleben als zu alt? Was glaubt ihr? Laut Studien gilt man ab 50 im Arbeitsleben als zu alt. Und da möchte ich eine kleine Anekdote erzählen: Ich habe einen Workshop, als ich noch angestellt war, da ging es um Etikette. Ja, wie verhalten uns im Geschäftsleben? Sitzen wir ordentlich, essen wir ordentlich? und da hat unsere Dozentin, die war 70, uns erzählt von einem jungen Mann, den sie total faszinierend fand, der sehr engagiert war. Da kam ich mit meinen Mitte 20 irgendwann auf die Idee: Ja, wie, wie jung, wie alt war er denn? Dann sagte sie 40. Alle haben gelacht. Aber für sie im Verhältnis ist es super jung. Ja, und ich denke, wir leben auch in einem anderen Zeitalter. 40 ist noch kein Alter. Also das ist ja super jung noch, selbst mit 60, Ja, ich kenne auch keine alten, senilen Menschen, die 60, 70 sind.

00: 10:32 Annahita Esmailzadeh: Ich finde, dass das ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den du ansprichst. Diese Intersektionalität, weil ja auch nachgewiesenermaßen Altersdiskriminierung sich verstärkt, sobald man weiblich ist. Das heißt, es ist wie so oft so: Menschen mit schwarzer Hautfarbe zum Beispiel erfahren Diskriminierung, Frauen mit schwarzer Hautfarbe erfahren noch mehr Diskriminierung. Genauso ist es mit mehrgewichtigen Personen. Genauso ist es mit älteren Personen. Was ich sehr spannend finde: In den letzten Jahren würde ich sagen, gab es ja so einen richtigen Generationenhype. In dem Zuge wird ja alles sehr überspitzt dargestellt. Da sind die Boomer, da sagen sie was. Also zum einen für all diejenigen, die diese Attribute nicht kennen. Welche Eigenschaften werden denn mit der GenZ oder mit den Bommern assoziiert? Und was hältst du denn von dieser ganzen Generationenthematik?

00: 11:22 Irène Kilubi: Ich hatte vor knapp anderthalb Monaten einen Fernsehauftritt zu dem Thema beim ZDF. Da ging es tatsächlich um die Frage: Ist die GenZ faul? Und wir haben debattiert und ihr könnte euch ja vorstellen, ich war natürlich auf der Seite: Nein, die sind nicht faul. Ich habe auch Kritik. Wieso haben wir überhaupt diese Generationkategorisierung? Ich sage dann immer: Ich habs nicht erfunden. Das haben die Soziologen erfunden, die These entwickelt, Ja. Es heißt ja nicht irgendwie, dass wir Menschen pauschalisieren möchten. Daher noch mal eine Frage an euch: Wer benutzt den Begriff Jugendliche? Wer benutzt den Begriff Studierende? Manche sind sie sich nicht sicher. Wer von euch benutzt den Begriff Rentnerinnen? Ja, genau das gleiche ist es mit den Kategorisierungen. Man geht davon aus, dass Menschen zum Beispiel mit 13 bis 17 irgendwelche gemeinsamen Attribute haben. Bei den 13- 17-Jährigen ist es meist die Pubertät, da sagt man hormonelle Veränderungen. Dass sie ja ein bisschen rebellisch sind in dieser Phase. Und genau darum geht es bei den Generationenkategorien, aber in eine andere Richtung. Man sagt einfach: Menschen bestimmter Altersstufen, Altersgruppen haben eine gewisse Identität, wodurch geprägt, wie sie aufgewachsen sind, wie sie erzogen worden sind, welche Lebensumstände die hatten, welche Wirtschaftskrisen es gab. Deswegen sagen wir auch bei der Generation Z auch Corona-Generation, das hat die so dermaßen geprägt und wir behaupten immer, die suchen nur nach Sinn. Nein, mittlerweile Sinn und Sicherheit. Warum? Die waren eingesperrt in den besten Jahren, in Anführungsstrichen, ihres Lebens, wo sie sich entwickeln, sich selbst entdecken und zeigen können. Ja. Deswegen reicht es nicht aus, wenn Arbeitgebende sagen: Ja, die wollen nur Spaß haben. Die wollen noch mehr, die wollen auch faires Gehalt haben. Das ist die Generation, die die höchste Prozentzahl an mentalen Problemen vorzuweisen hat, dadurch, dass sie so aufgewachsen sind. Natürlich sind wir natürlich ja mit den neuen Technologien aufgewachsen als unsere Elterngeneration. Ja, und das wiederum, all das zusammengenommen in Summe prägt unsere Identität und schlägt sich in unserem Handeln, Können, Fühlen, Wollen in der Gesellschaft und im Arbeitsleben wieder.

00: 13:50 Annahita Esmailzadeh: Es ist ja auch so, dass häufig Altersdiskriminierung passiert, ohne dass Unternehmen, Arbeitgeber, Führungskräfte das überhaupt beabsichtigen. Also ich stolper zum Beispiel immer wieder über Stellenanzeigen, wo Passagen drinstehen wie: Junges Team sucht frischen Nachwuchs. Das ist ja nichts anderes als verpackte Altersdiskriminierung, weil sich dann sehr wahrscheinlich eine Person, die über 50 ist, von dieser Zuschreibung nicht angesprochen fühlt, selbst wenn sie die beste Kandidatin oder der beste Kandidat für diese Stelle wäre. Was sind denn die Vorteile von Altersdiversität? Also wieso sollte jemand, der gar kein altruistisches Interesse hat an Altersdiversität hat, dafür sorgen, dass Teams alters divers aufgestellt werden?

00: 14:39 Irène Kilubi: Also grundsätzlich, wir kriegen es ja mit, zwei große Herausforderungen. Die Unternehmen haben Fachkräftemangel und der demografische Wandel natürlich. Das heißt einfach in Zukunft, es wird alternativlos sein. Unternehmen werden froh sein, wenn sie auf eine offene Stelle überhaupt zwei, ich betone: qualifizierte Bewerbung erhalten werden. Also die werden danach lechzen, wenn erfahrene Mitarbeitende anfangen wollen zu arbeiten. Die Frage, die sich stellt, ist das Wissen und das Know-how erfahrener Mitarbeitender. Wie können wir das in Zukunft auch langfristig sichern oder aber gleichzeitig uns attraktiv machen für die Nachwuchskräfte? Ja, weil es wird einfach kaum mehr welche geben. Und es ist ja total klar: Wir leben jetzt auf einem Arbeitnehmenden-Markt. Wir können entscheiden, wo wir letzten Endes hingehen. Und neben dem, was du genannt hast. Ja, weil Unternehmen natürlich sehr ROI-getrieben, die wollen Ergebnisse sehen. Aber es ist auch gut für die Mitarbeitendenbindung für das Unternehmensumfeld. Ich fand das noch sehr, sehr spannend. Da sagte mal eine junge Dame in meinem Podcast zu mir: Irène, weißt du, mein Vater ist mein Vorbild. Ich will gar nicht in Unternehmen arbeiten, wo nur junge Leute sind, weil ich möchte ja auch etwas lernen. Wie soll ich denn mich weiterentwickeln und wachsen, wenn ich nur von Menschen umgeben bin, die die gleiche Lebenserfahrung haben, die mich gar nicht irgendwie beratschlagen können, was ich tun kann und wie ich weiter vorankomme. Und das fand ich sehr, sehr spannend.

00: 16:13 Annahita Esmailzadeh: Gibt es denn Fragen von eurer Seite? Ich würd dann rüberlaufen und einfach das Mikrofon hinhalten.

00: 16:19 Zuhörerin: Hi, ich bin grad auch bei BMW tatsächlich im Praktikum. In meinem Team sind alle mehr als doppelt so alt wie ich. Haben alle Töchter in meinem Alter tatsächlich. Wenn man weiß, dass ja auch GenZ oft als faul eingestuft wird, dafür gibt es ja, wenn das vielleicht so wäre, auch so einige Gründe. Ich wollte einfach mal fragen: Die ganzen Leute, die jetzt doppelt so alt wie ich sind in meinem Team, haben eben alle Häuser gebaut. Zwei, drei Kinder, sind in einer Zeit in das Arbeitsleben eingestiegen, wo Wachstum weitaus mehr, also auch mehr Zukunftsperspektive gegeben war. Jetzt hat GenZ ein bisschen eine andere Situation. Wie geht man mit den Leuten um, wenn man selber erklären soll, aus welcher Situation man da kommt als Ganzes und wie man damit umgeht, Wie man es den Leuten am besten klarmacht, die eben Boomer sind.

00: 17:07 Irène Kilubi: Ja, sehr schön. Das war auch eines meiner Argument, als ich diesen Auftritt hatte beim ZDF. Was ich gesagt habe: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Ihr seid in einem ganz anderen Kontext aufgewachsen. Unsere Elterngeneration, ja, natürlich haben die Wohlstand erarbeitet. Es war wesentlich einfacher. Die heutige Jugend kann sich kaum ein Eigenheim leisten, das ist auch die Generation, die am längsten noch bei den Eltern zu Hause bleibt. Dann natürlich die Gehälter. Ganz ehrlich: Wir haben auch ganz andere Verträge bekommen wie die Leute vor 10, 15, 20 Jahren. Es ist immer schade, wenn sich eine gewisse Generation immer rechtfertigen muss. Ich versuche das dann immer so zu lösen, zu sagen: Versucht doch mal unsere Lebensrealität zu verstehen. Hören wir doch auch mal zu, stellen wir doch einfach Fragen. Das haben wir so stark verlernt in unserer Gesellschaft. Wir gehen immer von Annahmen aus. Frag doch erst mal! Gehe nicht davon aus, dass eine Person irgendwie bestimmte Vorstellungen oder Werte hat. Das ist doch sehr, sehr vermessen, der gesamten Generation vorzuwerfen, sie sei faul. Ein Gut, natürlich: ihr habt den Vorteil, ihr habt die Möglichkeit aufzustehen, für euch einzustehen. Das beste Beispiel ist Work-Life-Balance. Das waren die Babyboomer und die GenX’ler, die das einfach zuerst thematisiert haben. Die hatten einfach nicht den Kontext, auch nicht die Rahmenbedingungen, das durchzusetzen. Jetzt habt ihr als Ganze die Möglichkeit, das durchzusetzen. Dann würde ich hingehen und sagen: Mama, Papa, Oma, Opa, das ist doch super. Ihr habt euch das auch gewünscht. Schade, dass es bei euch nicht geklappt hat, aber freut euch doch für uns. Freut euch, dass ihr wenigstens noch Rente bekommt. Ich weiß es nicht. Ich habe Angst. Ich bin unsicher, auch euch einfach auch mal zu öffnen, damit sie das genau verstehen, wie es euch geht. Weil einerseits werdet ihr belächelt. Aber andererseits haben wir auch vielleicht ein bisschen Angst vor euch. Das ist so Gegenseitigkeit. Die junge Generation hat Angst, nicht ernst genommen zu werden. Die erfahrene Generation hat Angst, übervorteilt zu werden oder dass ihr undankbar seid. Das wird ja auch oft unterstellt: Was wir alles für euch aufgebaut haben! ja, und da muss man wirklich in den Dialog treten, sich gegenseitig austauschen.

00: 19:23 Annahita Esmailzadeh: Siehst du generell noch mehr Gemeinsamkeiten zwischen der GenZ und den Boomern? Weil wir sprechen ja eigentlich immer nur über die Unterschiede, oder?

00: 19:31 Irène Kilubi: Ja, absolut. Was haben Menschen gemeinsam? Alle wollen gesehen und gehört werden. Alle wollen gewertschätzt werden. Und es gibt hier wirkliche Empathie. Jeder hat seine Bedenken. Die Vorurteile kommen meistens durch Angst. Ich habe nur Angst vor etwas, das ich nicht kenne oder was mich unsicher macht. Was mich stutzig macht. Und der einzige Weg, dem zu begegnen, ist, mich dem zu stellen, deswegen ist es alternativlos. Und es ist wirklich so! Es wird uns, um unsere Gesellschaft letzten Endes weiter voranzutreiben – weil ich hör immer wieder so: Die GenZ, die möchte alles verändern. Sie denken, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Nein, liebe Leute, das ist nicht die GenZ, das ist unser normaler Kultur- und Wertewandel. Wir haben es mit neuen Technologien zu tun. Und es ist nun mal so, dass wenn die ältere Generation irgendwann nicht mehr da ist, das ist dann die Generation, die morgen die GenX’ler und Boomer sind, die müssen mitgestalten. Und natürlich wollen wir auch ein Mitspracherecht haben. Ja, und dann ist keinem geholfen, wenn man gegeneinander kämpfen muss. Im Gegenteil: Miteinander kämpfen! Weil eine Generation alleine wird es nicht schaffen.

00: 20:45 Annahita Esmailzadeh: Ich habe noch ganz viele Fragen gesehen.

00: 20:48 Zuhörerin: Danke sehr. Ja, ich hätte einmal eine generelle Frage und zwar zur Arbeitsplatzsicherheit. Ich bin jetzt 33 und ich kenn die leider nicht. Ich möchte aber wieder daran glauben. Was ich kenne, ist die ewige Praktikantenstelle, die ganz praktisch ist. Da hat man immer sehr gut ausgebildete Leute. Nach einem Jahr sind die wieder weg. Da kommt der Nächste und der Nächste. Ich kenne Schwangerschaftsvertretungen, ich kenne Fixed-term-contracts, aber diese tolle klassische Arbeitsplatzsicherheit eben von der Babyboomer-Generation… Ja, ich bin ja schon 10, 15 Jahre im Unternehmen. Da denke ich immer: Wow, das klingt nach Disney, das kenne ich aber nicht. Und gibt es das wieder? Kann man da noch dran glauben oder ist es eigentlich nur noch employer branding und false marketing?

00: 21:32 Irène Kilubi: Also ich glaube, das ist ein genereller Trend, dass es einfach immer mehr Freelancer geben wird in Zukunft, also ein bisschen das amerikanische Modell. Das ist auch wieder einfach so ein Wandel, der sich einfach ergeben wird. Nichtsdestotrotz: Ich hör oft die Aussage, dass die junge Generation nicht mehr loyal ist. Ihr sagt natürlich: Warum soll ich denn loyal sein, wenn ich mit befristeten Arbeitsverträgen abgespeist werde, wenn ich gar nicht weiß, was in Zukunft auf mich zukommt, wenn ich nur arbeite, um zu leben? Also wenn ich jeden Cent umdrehen muss, da brauche ich nicht loyal zu sein. Ganz im Gegenteil. Ja, das ist so eine Mindestvoraussetzung. Das ist wieder dieser Trugschluss, dass die junge Generation gar keine Sicherheit braucht. Also du sprichst es gerade an: Beides. Irgendwie muss man diese Balance schaffen, dass man irgendwie beides kriegt. Ich glaube tatsächlich, der Trend wird immer mehr Freelancer sein. Aber ganz ehrlich, wenn ihr was dagegen tun wollt, ich habe es ja betont: Wir sind auf dem Arbeitnehmenden-Markt. Ihr könnt jetzt sagen: hierarchische Struktur? Nein, ich hab keine Lust mehr drauf, mit Geringgehältern abgespeist zu werden. Nein, ich habe keine Lust mehr drauf, weil die werden sich die Finger nach euch lechzen. Ihr habt wirklich die Chance, wie keine Generation jemals zuvor, die Arbeitswelt noch mal komplett neu umzukrempeln. Wirklich zu entscheiden: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Weil ihr könnt Nein sagen. Unsere Eltern konnten nicht Nein sagen. Die mussten alles hinnehmen, was der Vorgesetzte oder der Arbeitgeber gesagt hat. Und unsere Eltern sind auch aufgewachsen, obrigkeitshörig zu sein und das habt ihr nicht durch die sozialen Medien, durch die neuen Technologien. Dann nutzt das verdammt noch mal!

00: 23:15 Zuhörerin: Ich habe auch eine kurze Frage: Wie stehst du zu dem Thema? Wie erhalten wir in den nächsten Jahrzehnten unseren Wohlstand? Wir merken, wir verlieren zunehmend unsere Vorreiter-Innovatoren-Rolle. Wir automatisieren immer mehr. Wir sagenj, ja, Fachkräftemangel, wir haben einen Arbeitnehmermarkt, wir automatisieren aber auch mehr. Wo siehst du die Chancen und Potenziale? Was können wir auch als Land tun?

00: 23:41 Irène Kilubi: Oh, da machst du ein großes Fass. Es geht schon sehr ins Politische. Ich glaube einfach, wir haben uns zu sehr auf diesen Wohlstand ausgeruht. Die bestehende Kompetenz ist einfach so, Deutschland ist noch Weltmarktführer, was die Automobilbranche anbelangt, was Logistikbereich anbelangt und wir waren einfach zu langsam. Wir müssen jetzt gucken, wie wir wirklich nachholen, nachrüsten müssen. Deswegen ist auch Diversity so wichtig. Deswegen brauchen wir jede Einzelne. Wir brauchen Frauen, die in Berufe gehen. Wir brauchen immer mehr Menschen, die wirklich auch sich dafür einsetzen, im Innovationsbereich tätig zu sein. Gerade Forschung und Wissenschaft, was einfach sehr langwierig ist. Wir investieren auch zu wenig. Wir sind immer nur für schnellen Profit. Aber wenn wir wirklich innovativ sein müssen, dann müssen wir auch in Bereiche investieren, zum Beispiel Technologie oder forschungsintensive Technologien oder Produkte, wo man einfach erst mal das Risiko eingehen muss, dass man sechs, acht Jahre erst mal das Produkt entwickeln muss, bevor wir überhaupt innovieren können. Dann: Das Thema Fehlerkultur ist bei uns zu wenig ausgeprägt. Viel zu viel Angst. Jemand, der gegründet hat, einmal gescheitert ist, weil das eigentlich immer vermessen würde zu sagen: Ein Mensch ist gescheitert, weil wir Menschen scheitern nicht, sondern unser Vorhaben scheitert. Wir können noch weitermachen, neue Projekte ins Leben rufen. Und das sind wir so ein bisschen, diese Fehlerkultur. Ich darf auch Fehler machen, Ich darf mich auch ausprobieren, ohne irgendwie die Angst haben zu müssen, mein finanzielles Polster aufgeben zu müssen. Das fängt bei so vielen Themen an, auch Frauen, die Kinder haben. Ja, die könnten viel mehr machen, wenn sie die Möglichkeit hätten und wüssten: Mein Kind ist versorgt. Ich werde trotzdem ausreichend honoriert. Und vielleicht auch in Randgebiete gehen. Also da, wo wir vielleicht denken, das ist nicht so sexy für uns, innovieren, weil das machen die anderen Länder auch. Ja, wir warten immer erst ab und gucken, ist es erfolgreich. Dann ist es aber schon zu spät.

00: 25:52 Annahita Esmailzadeh: Was denkst du denn, wo wir in zehn Jahren in Hinblick auf Diversität in der Arbeitswelt stehen werden?

00: 26:01 Irène Kilubi: Ich hab natürlich zwei Optionen, also Zukunftsforscher, also Szenarien. Mein Worst-Case-Szenario wäre, dass wir uns immer wieder zurückentwickeln. Ich merk das, wir reden sehr, sehr viel darüber. Es kommt auch so ein bisschen die Stimmung: Nicht schon wieder. Haben wir nicht andere Probleme? Gerade auch im Bereich Gender? Aber Sie merken das sehr, sehr stark, dass da so ein Gegenwind kommt, dass die Leute sagen: Ist es denn jetzt nicht endlich mal gut, wo ich dann sage: Leute, wir bräuchten nicht ständig drüber zu reden, wenn wir das schon alles erreicht hätten, dann müssen wir erst recht noch reden, bis es die an den Ohren raushängt. Also anscheinend haben wir noch nicht genug geredet und getan und gemacht, sonst wären wir jetzt ganz, ganz anders, als es immer noch de facto so, dass Frauen geringer entlohnt werden. Es ist immer noch de facto so, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch nicht adäquat ist. Es ist de facto so, dass Menschen, die nicht der Norm entsprechen, immer noch diskriminiert werden, sei es, ich bin homosexuell oder ich habe einen anderen Migrationshintergrund, eine andere Religion. Ich trage ein Kopftuch. Wenn wir schon so weit wären, ja, dann müssten wir nicht mehr drüber sprechen. Das heißt also, es kann durchaus möglich sein, dass wir in zehn Jahren einfach Rückschritte machen oder immer noch da sind, wo wir sind und uns nicht weiterentwickelt haben. Mein Wunschszenario ist natürlich so, dass es gar nicht mehr auffällt. Das das gar nicht mehr thematisiert wird, das man gar nicht merkt. Also so gehe ich zum Beispiel durchs Leben. Ich gehe nicht: Ich bin eine schwarze Frau, ich bin eine schwarze Frau. Sondern, das muss ich noch mal sagen. Von Michael Jackson, Black and White. Da singt der Macauley Culkin am Ende: I’m not gonna spend my life being a color. Und das sage ich auch allen. Das wär mein Wunschszenario, das wir nicht unser Leben damit verbringen, ein Geschlecht zu sein, ein Alter zu sein, eine Sexualität, eine Religion. Das sind wir nicht. Wir sind Menschen. Das haben wir alle gemeinsam.