Wann dürfen afghanische Mädchen endlich in die Schule?

Nahid Shahalimi hat Stimmen gesammelt: in ihrem Buch lässt sie 13 couragierte, vielfältige Frauen aus Afghanistan in Textbeiträgen und Interviews zu Wort kommen. Sie erzählen von beruflichen und gesellschaftliche Errungenschaften als Programmiererin, Filmemacherin, Politikerin, Journalistin, und vieles mehr. Sie berichten über die Angst und den Schmerz vor dem drohenden Verlust der Heimat, aber vor allem über das, was die Mädchen und Frauen vor Ort schon jetzt verloren haben: Freiheit, Selbstbestimmung, Lebensfreude. Entstanden ist ein aufrüttelnder Appell zur Solidarität.

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Thema

Politik | Gesellschaft

Angaben zu den Referent:innen

Im Gespräch mit der heutigen Chefredakteurin der herCAREER Julia Hägele erzählt Nahid Shahalimi heute von ihrer aktivistischen, sozialen und engagierten Arbeit in ihrem Geburtsland Afghanistan. Die kanadische Autorin, Künstlerin und Filmemacherin ist unter anderem Gründerin der Social Impact Company We The Women. Seit zwei Dekaden unterstützt Shahalimi verschiedenste Projekte für Frauen und Mädchen in Afghanistan. Das reicht von Sport-Equipment für die Frauen-Nationalteams bis hin zu einem Stipendienprogramm für Geburtshilfe im ländlichen Raum.

Der Beitrag wurde im Rahmen der herCAREER-Expo 2022 aufgezeichnet und als Podcast aufbereitet.

00:00:11-5 Moderation: Herzlich willkommen zum herCareer Voice Podcast, Du bist hier richtig, wenn Du diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarkpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören willst. Lerne dabei von Role Models, Expert:innen und Insidern und nimm wertvolle Anregungen für Deine eigene Karriereplanung mit. Mit herCAREER Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein – von der  herCAREER-Expo  live und aus der  herCAREER-Community.

00:00:43-0 Julia Hägele: Wann dürfen afghanische Mädchen endlich in die Schule? Nahid Shahalimi hat Stimmen gesammelt. In ihrem Buch lässt sie 13 afghanische Frauen zu Wort kommen. Sie erzählen von ihrem Leben als Programmiererinnen, Filmemacherinnen, Politikerinnen oder Journalistin. Und sie berichten über das, was die Mädchen und Frauen verloren haben, ihre Freiheit, zum Teil sogar ihre Lebensfreude. Sie erzählen aber auch von ihrem Mut und ihrem Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Im Gespräch mit der heutigen herCareer Chefredakteurin Julia Hägele erzählt Nahid Shahalimi heute von ihrem Engagement für ihr Geburtsland Afghanistan. Die kanadische Autorin, Künstlerin und Filmemacherin hat die Social Impact Company „We the Women“ gegründet. Seit 20 Jahren unterstützt Shahalimi Projekte für Frauen und Mädchen in Afghanistan. Das reicht von Sportequipment für die Frauennationalteams bis hin zu einem Stipendienprogramm für Geburtshilfe im ländlichen Raum.

00:01:54-2 Julia Hägele: Vor uns liegt ein Buch „Wir sind noch da – mutige Frauen aus Afghanistan“, du bist die Herausgeberin. Im Buch kommen afghanische Frauen zu Wort, sie kommen aus ganz unterschiedlichen Sparten, Unternehmerinnen, eine Sängerin, Frauen, die sich politisch engagieren. Gibt es etwas, das alle diese Frauen in diesem Buch gemeinsam haben?

00:02:15-0 Nahid Shahalimi: Zuerst, die sind Afghaninnen und die sind Expertinnen in jeder von deren Felder. Für mich war es, ich habe wirklich 15. August 2021, wo die gesamte Welt zugeschaut hat, speziell, ich meine bei uns, weil ich arbeite in Afghanistan passiv und aktiv seit über 20 Jahren, und ich habe immer noch Projekte heute noch. Und da gehe ich wieder zurück an diese Kreativität, man muss diese kreative Art und Weise finden, wie es  funktioniert. Und es gibt immer einen Weg. So ich habe alles was ich tat vor dem 15. August auf Eis gelegt. Wir haben ein paar Projekte mit der kleinen Firma gehabt, ein paar Bücher, die sollten auch letztes Jahr rauskommen. Habe ich alles wirklich sofort innerhalb von Minuten auf Eis gelegt und dann war ich beschäftigt mit Afghanistan. Nicht nur mit diesen Frauen, weil die ersten zwei Wochen haben wir nur einfach die Liste zusammengetan, um unser Netzwerk zu benutzen, um diese Frauen rauszubekommen. Weil die sind Frauen wie ihr, die irgendwas im Leben bewegt haben. Und die haben wirklich die gesamte Zivilgesellschaft, diese Blüten der Zivilgesellschaft auf die Beine gestellt. Eine Geschichte, die nicht so oft durch die Medien rauskam in den letzten 20 Jahren, aber wir haben tolle Sachen gehabt und immer noch haben wir das. Trotz einer Geschlechterapartheid. Weil Afghanistan ist nichts kurzes als eine Geschlechterapartheid heute. So für mich war es sehr wichtig, dass diese Frauen, es gibt nur 13 davon hier und wir haben hunderte davon, aber es war mir sehr sehr wichtig, dass die Plätze oder die Plattformen, die es gab für Afghanistan oder afghanische Frauen, durch afghanische Frauen besetzt sind. Weil die sind überall, die sind diejenigen, die mit UNO arbeiten, mit EU arbeiten, mit NATO gearbeitet haben und wirklich das gesamte Know.how kommt von denen. Auch die Journalistinnen bekommen ihr gesamtes Know-how von diesen Frauen. Und wir sprechen nur von 13, aber ich habe keine davon im Fernseher gesehen. Und dann noch mal gab es andere sogenannte Expertinnen, die über uns wieder gesprochen haben, obwohl zusammen nur in diesem Buch haben diese Frauen, inklusive mir, über 210 oder 220 Jahre Erfahrung von Afghanistan und arbeiten immer noch dort.

00:04:48-8 Julia Hägele: Vielleicht gehen wir noch mal zwei Schritte zurück. Also selbst die, die afghanische Politik und Gesellschaft nicht regelmäßig verfolgen, ich glaube, wir alle haben diese Bilder im Kopf vom August 2021, als viele Afghaninnen und Afghanen versucht haben, das Land am Kabuler Flughafen zu verlassen und diese schreckliche Tragödie passiert ist. Also als wirklich auch Maschinen abgehoben sind mit Menschen außen, die dann heruntergefallen sind. Kannst du uns erklären, was ist das für ein Afghanistan jetzt, in dem diese Frauen leben, wie müssen wir uns das vorstellen, wie ist die Situation?

00:05:22-5 Nahid Shahalimi: Okay. Was heute in Afghanistan passiert heute ist nichts anderes als eine drakonische Ideologie, die absolut mit keiner Religion zu tun hat. Weil wir haben islamische Republiken überall in dieser Welt. Und Frauen dürfen nicht auf die Straße jetzt gehen, ohne einen guten Grund. Die dürfen nicht auf die Straße gehen, auch mit einem guten Grund, ohne einen Mann. Und wenn die das tun jetzt, haben sie noch ein Art von Degree oder Limitation draufgehängt, wo deren Männer, ob es ein Mann oder ein Bruder oder ein Vater ist, die gehen ins Gefängnis für drei Tage, wenn die sie erwischen. Aber jetzt gibt es über 30 von solchen Degrees, die in den letzten 14 Tagen durch die Taliban hängen da. Eine junge Frau, ein junges Mädchen in Afghanistan, nach der sechsten Klasse darf nicht in die städtischen Schulen gehen. Das einzige Land in der gesamten Welt, wo ein Mädchen nicht in die Schule darf, ist Afghanistan heute. Aber wir haben Feministen überall in dieser Welt, die können zusammen in Solidarität kommen und wir sollten wirklich, wirklich wütend sein hier, dass ein Mädchen nicht in die Schule gehen darf. Aber was passiert? Solche Frauen sind der Grund, wieso wir diese Bewegung am Leben gehalten haben und diese Brücke auch am Leben gehalten haben, weil es gibt immer noch Zivilgesellschaft, Frauenzivilgesellschaft, eine ganz ganz tolle am Boden, die immer noch arbeitet hinter den Kulissen. Es gibt auch Underground Schools, die sind auch hinter den Kulissen. Und die werden geschleppt und geschleppt. Jede Woche verlieren wir diese tollen Frauen, weil die gehen gegen diese drakonische Ideologie. So ist es ganz schwarz und sehr sehr dunkel gerade in Afghanistan. Aber die leben immer noch.

00:07:28-5 Julia Hägele: Ja, die sind noch da.

00:07:28-8 Nahid Shahalimi: Die sind noch da.

00:07:31-0 Julia Hägele: 13 Frauen kommen in deinem Buch zu Wort. Kannst du uns ein Beispiel geben, ist dir eine Frau ganz besonders im Gedächtnis geblieben?

00:07:38-3 Nahid Shahalimi: Die sind alle sehr besonders. Jede einzelne kommt von einem anderen Feld, wie du das erwähnt hast. Es ist auch so, dass zum Beispiel Razia Barakzai war bis vor ein paar Monaten immer noch in Afghanistan. Jede Woche hat sie ihre Location geändert, weil die haben sie gesucht. Die haben sogar ein paar Mädchen getötet, weil sie dachten, das wäre sie. Und sie war diejenige, die die ersten Proteste in Afghanistan einen Tag nach der Machtübernahme angefangen hat. Die kennt jede in Afghanistan und sie kennt auch jede. Ein ganz ganz brillant girl. Sie hat ihr Netzwerk angeschrieben und hat gesagt, ja wir müssen auf die Straßen gehen, es geht so nicht. Es gab nur vier, die sich gemeldet haben, sie waren zu fünft vor dem Palast am nächsten Tag. Und sie hat mir sehr oft… ich bin im Kontakt fast jede Woche mit ihr und sie sagte mir, Nahid ich konnte nicht glauben, dass es so wenige gab. Aber in der gleichen Zeit haben wir gezittert, weil wir haben nur ein Blatt Papier gehabt und vor uns waren die Taliban mit the barrell of a gun. Und die standen da vor den Taliban. Aber was die gerettet hat waren die Handys, die haben gefilmt und sofort in die sozialen Medien reingetan. Und das war ihre Rettung und sie hat das auch kapiert und sie hat das auch genutzt danach. Wenn sie untergetaucht ist, dann hat sie das gesamte Netzwerk online gebaut. Das ist wirklich eine andere Ebene von Mut und Courage. Viele, viele, ich meine, ich bin sehr oft in Afghanistan gewesen und jede einzelne Frau, ich wusste von denen oder ich kenne die. Deswegen war das viel einfacher für mich, die Frauen zu finden, weil ich habe mit vielen gearbeitet und arbeite immer noch mit vielen. Und die neuen habe ich nur einfach durch Kontakte gesucht. Also Razia ist für mich wirklich eine andere Ebene von Courage, aber jede einzelne andere auch. Manisha Wafeq zum Beispiel, wir haben darüber gesprochen vorher. Es gab und es gibt immer noch eine Frauenhandelskammer in Afghanistan. Ich bin mir nicht sicher, ich habe die Zeit nicht gehabt, das zu recherchieren, aber ich bin mir nicht sicher, ob es in Deutschland eine reine Frauenhandelskammer gibt. Ich weiß, dass es eine Handelskammer gibt, weil wir sind drin, aber ich bin mir nicht sicher, es gibt nicht so viele in dieser Welt, die das haben, aber Afghanistan hatte das. Und Manisha hatte ein Register von fast 60.000 Frauenunternehmerinnen dort innerhalb von Afghanistan gehabt. 30 davon arbeiten immer noch. Und wir sprechen nicht nur von einem Startup, einem kleinen Startup, das zu Hause ist, als Marmeladengeschäft oder irgendetwas anderes oder Tech. Wir sprechen von Stahlfabriken, wir sprechen von IT, ganz große IT-Firmen, von vielen verschiedenen anderen Sachen in jedem Teil der Gesellschaft, aber davon bestimmt wissen Sie nicht. Aber das meine ich, von diesem einseitigen Bild, die wir immer gefüttert wurden durch die Mainstream Media und das war der Grund, wieso ich das geschrieben habe. Weil es war Zeit, um zu sagen, genug. Ich alleine spreche sechs Sprachen, zusammen haben wir über zwölf. Ist das weil wir nicht genügend, i don’t know, Doktorarbeiten haben oder irgendwas? Experience haben wir auch.

00:11:12-3 Julia Hägele: Das Thema Afghanistan liegt ja auf jeden Fall am Herzen. Lass uns mal entdecken warum. Du bist 1973 geboren. Dein Leben, ich glaube, die Schritte sind acht Jahre, zwölf Jahre und dann die Flucht. Kannst du uns kurz dein Leben beschreiben, wie es ausgesehen hat, wie hat deine Kindheit ausgesehen bis zu deinem achten Geburtstag?

00:11:34-7 Nahid Shahalimi: Ich bin mir nicht sicher, ob das interessant ist, wir haben darüber gesprochen vorher. Mit acht Jahren habe ich meinen Vater verloren, das war 20 Tage nach meinem achten Geburtstag, um es genau zu sagen. Ich habe keine Brüder, wir sind vier Schwestern. Und in einem Afghanistan, das auch vor 20 Jahren sehr modern war, und das ist ein Teil, den ich hier einfügen möchte, dass viele denken, dass wir die Afghanen, das hier ist nicht von den letzten 20 Jahren. Wir haben in unserer Verfassung 1964, afghanische Frauen haben diese Verfassung zusammen mit den afghanischen Männern gegründet und viele wissen das auch nicht. Und wir haben dieses Wahlrecht hatten wir viel früher als die Schweiz gehabt. Solche Narrative, wo man sagt, dass Demokratie und Feminismus, wir haben das nicht in den letzten 20 Jahren gelernt, wir haben das viel früher als viele westliche Länder gehabt. Mein Vater war ungefähr siebenmal Minister. Ich komme aus einer privilegierten Familie, aber ohne einen Sohn. Und dann mit elf müssen wir das Gesamte verlassen. Meine Mama mit ihren vier kleinen Töchtern, wir sind durch die Berge, genau was man hört und was man sieht, fünf Tage und vier Nächte über die Berge, ohne Wasser, ohne irgendwas, zu Fuß gelaufen.

00:13:13-7 Julia Hägele: Darf ich hier kurz nachfragen? Also es war so, dein Vater war gestorben. Nach dem religiösen Recht hätte dir und denen Schwestern, glaube ich, ein Achtel des Reichtums zugestanden, was genug gewesne wäre, du bist in einem Palast aufgewachsen mit 37 Zimmern, einem großen Garten, ihr hattet Tischtennisturniere, es war eine wunderbare Kindheit. Jedoch deine Verwandtschaft, nicht alle, aber im Speziellen drei Cousins wollten acht Achtel haben und nicht sieben Achtel.

00:13:42-2 Nahid Shahalimi: Du hast das Buch gelesen, das erste Buch.

00:13:46-3 Julia Hägele: Mich würde interessieren, was gab den letzten Anstoß, dass deine Mutter gesagt hat, okay und jetzt packen wir unsere Sachen zusammen und gehen zu Fuß nach Pakistan?

00:13:56-6 Nahid Shahalimi: Die Cousins von väterlicher Seite, die Jungs, sollten einen ganz großen Teil, diese sieben Achtel, bekommen, wenn es keinen Jungen gibt in dieser Familie. Aber wir waren Antikommunisten. Das bedeutete, man war in einer kommunistischen Partei als Jugendlicher oder man war dagegen. Und in dieser Zeit meine Oma und mein Opa und ihre ganzen gesamten Freunde waren auch Mudschahidin, die Kämpfer gegen die Russen und dadurch waren wir in einer ganz schlechten Position. Meine Mama hat sehr oft Bedrohungen bekommen. Und einmal hat sie einen Anruf bekommen, wo die ihr gesagt haben, meine Cousins haben gesagt, deine hübschen Töchter verkaufen sich bestimmt für sehr viel bei den Warlords. Das war der Tag, wo sie das Gesamte verlassen hat und das war es für sie. Sie ist über die Berge mit uns rausgekommen und es war wirklich so, es ging um ihre Kinder.

00:15:02-1 Julia Hägele: Kannst du uns hier vielleicht, ich denke, das Publikum oder auch ich, wir haben keine Ahnung was Flucht bedeutet. Wir sehen es vielleicht in der Tagesschau mit einer Decke über den Beinen und haben keine Ahnung. Also ich glaube, fünf Tage und vier Nächte seid ihr zu Fuß nach Pakistan gegangen. Wie war das für dich, zurückzuschauen in die Berge deines Heimatlandes und nicht zu wissen, ob du je wieder zurückkommst?

00:15:24-5 Nahid Shahalimi: Für mich als die Elf-/Zwölfjährige, oh mein Gott, es war so viel Spaß, sage ich die Wahrheit. Ich habe wirklich Spaß gehabt. Aber jetzt heute als Mutter von zwei Töchtern, ich habe so viel Respekt für meine Mama. Nicht weil sie meine Mama ist, aber es braucht wirklich noch mal eine andere Ebene von Mut, um das durchzumachen. Weil es gab einen Krieg, einen aktiven Krieg. So wir mussten uns wie die Heimlichen verkleiden, weil ich war zu weiß und meine Haare, ich habe es gefärbt, wenn ich nach Afghanistan geflogen bin, so oft, dann habe ich es immer ein bisschen dunkler gefärbt. Also ich bin blond geboren. Und dann irgendwann ging es ein bisschen in diese Richtung und dann ging es in diese Richtung. So die musste so Kohle nehmen, um mich ein bisschen dunkler zu machen, aber dann kamen die blauen Augen raus. Es waren so viele Momente, wo wir wirklich dem so nahe gekommen sind, die Checkpoints haben uns erkannt. Meine Mama hat die Schlepper bezahlt und das Gesamte überall ein bisschen geratscht, um zu sagen, ja wir gehen diese Richtung. Aber die haben das heimlich gemacht und wir sind von einer anderen Richtung gegangen. Und das war, weil die Shahalimi-Familie war sehr sehr überwacht. Wir waren bestimmt eine von den letzten dieser High Society, die immer noch in Afghanistan waren und die wollten nicht, dass wir rausgehen. So meine Mama hat wirklich alles gemacht mit meinen Großeltern. Wir haben eine Nacht, ich erinnere mich, wir haben in einer Moschee, wir haben irgendwo eine Moschee gefunden, dort haben wir übernachtet. Eine anderen Nacht waren wir auf einem Berg. Es gab nur eine große Decke. Ich erinnere mich, das war wirklich lustig, deswegen sage ich, ich lache heute, aber wir waren ungefähr sieben Leute, meine Großeltern, fünf von uns und eine Tante von mir. Und wir haben so gelegen an der Seite, und der Moment, wo eine sich drehen musste, jemand musste sagen, drehen und dann haben sich alle gedreht, weil es war so kalt und es gab nur eine Decke. Und ich habe vier Sessions innerhalb von fünf Tagen gesehen. Aber was für eine wunderschöne Landschaft habe ich gesehen. Ich erinnere mich an das Gesamte. Heute möchte ich nicht an dem Platz meiner Mama sein. Weil ich habe Afghanistan erlebt, ich habe jede Ecke erlebt. Es war auch sogar eine Nacht, da waren wir in einem Dorf, wo die Schlepper dort waren und dann jemand hat die Regierung informiert, die Kabulis sind da, die wussten nicht, dass die Shahalimis da waren, bestimmt wären alle dort hingekommen. Und es gab einen Krieg, es gab Schießereien. Wir mussten alle in ein Zimmer gehen mit den Frauen, die Männer sind rausgegangen und die haben versucht uns zu schützen.

00:18:18-7 Julia Hägele: Wenn du heute deine Geschichte erzählst, dann merkt man, dass du eigentlich Frieden damit gemacht hast, du machst Witze darüber. Aber vielleicht doch noch mal gefragt, wenn diese drei Cousins, ich glaube zwei sind gestorben schon, also die haben das Leben deiner Mutter und dir und deiner Schwestern zur Hölle gemacht. Wenn sie hier stehen würden, was würdest du ihnen sagen wollen?

00:18:41-3 Nahid Shahalimi: Bestimmt nichts, die sind meine Zeit wert, sage ich die Wahrheit. Dann würde ich mich irgendwo anders… ich habe Frieden gefunden für mich. Ich glaube wirklich an Karma, Karma kommt, egal ob man Gutes tut oder nicht Gutes tut, das habe ich in meinem ganzen Leben gesehen. Für mich sind die nicht meine Zeit wert, aber ihr habt meine Zeit und die Frauen in Afghanistan haben meine Zeit und mein kleines Geschäft hat meine Zeit. So bestimmt, wenn diese Frage vor 20 Jahren kam, hätte ich es anders bestimmt beantwortet. Wütend, ja. Alles rauslassen, schon. Aber ich habe das durch meine Arbeit rausgelassen und ich glaube, nächstes Jahr werde ich 50, i can’t wait. Ein neues Kapitel. Aber Ende 40er Jahre man kriegt auch diese ganz tolle Ruhe, aber auch, wie sagt man, Entschuldigung, ich denke nicht auf Deutsch, ich denke auf Englisch, weil ich habe nur Englisch gesprochen die letzte Zeit. Aber diese Confidence, wo man nein sagen kann und sagt, nein nein, du darfst nicht diesen Teil von meiner Aufmerksamkeit jetzt bekommen, nur weil du dich nicht gut fühlst und du brauchst das, aber ich brauche es nicht mehr. Du kannst es irgendwo anders finden. Und es ist mir egal. Es wird immer Leute geben, die Falsches tun in ihrem Leben. Auch jetzt im Geschäft, oh my god, welcome to the world. Wir haben als Frauen 50-mal mehr Arbeit in unsere alltäglichen Geschäfte, da müssen wir so viel machen. Und speziell, wenn man für jemand anderen arbeitet. Ich arbeite nicht für jemand anderen, aber wir kooperieren mit anderen Leuten und das bedeutet Zusammenarbeit. Und da hat man auch solche Nuancen. Wie geht man damit um? You have two choices. Man nimmt das, verarbeitet das, lässt das los, lernt davor und wirklich stark kommt man auf den Boden und weiß genau was man tut. Oder man geht in eine Ecke und weint. Das sind die zwei Optionen. Ich habe die erste seit dem ersten Tag gewählt. Gott sei Dank. Weil ich glaube, es braucht schon Tage und Momente, wo man daran denkt. Ich würde nicht sagen, dass dieses Trauma weg ist, es wird nie weg sein. Aber ich weiß, wie ich damit jetzt umgehen kann, durch die Kräfte, die ich gesammelt habe, durch jedes einzelne Projekt.

00:21:27-7 Julia Hägele: Nächstes Jahr wirst du 50, ich würde trotzdem noch mal gern auf die zwölfjährige Nahid schauen. Du hast gesagt, in diesen fünf Tagen und den vier Nächten im Gebirge hat deine Kindheit schlagartig geendet. War dir damals als zwölfjähriges Mädchen schon klar, dass du eigentlich dein Leben und deine Arbeit den afghanischen Frauen und dem afghanischen Volk widmen wirst oder war das noch überhaupt nicht klar?

00:21:51-7 Nahid Shahalimi: Ich wusste auf den Bergen, ich erinnere mich, das war der letzte Tag, auf dem Berg zum ersten Mal haben wir eine Asphaltstraße gesehen nach fünf Tagen. Und irgendwie jeder wusste, das war the frontier, das war Freiheit. Aber ich erinnere mich, dass mein Opa uns alle gehalten hat und er hat gesagt, bitte dreht euch um, weil es kann ein, dass das das letzte Mal ist, dass ihr eure Heimat seht. Für uns, ich war müde, ich wollte runter, es bedeutete nichts. Aber wir haben uns die Zeit genommen, danke an ihn, leider war es das letzte Mal, dass er das gesehen hat. Ich habe nur einfach diese großen Berge, die man sieht als diese schönen Postkarten von Afghanistan, so viel Ruhe, so eine wunderschöne Landschaft und irgendwas ist passiert dort, wo ich mir dachte, mein Gott so ein großes Leid passiert in so einem schönen Land und keiner weiß davon. Und da wusste ich, ich werde wieder zurückkommen. Ich wusste nicht wie, zwölf Jahre alt, mein Gott. Aber ich wusste, dass ich das wollte, das war mein Calling. Und egal was ich tat in meinem Leben, wirklich es hat mich immer, immer wieder, i swear to god, es gab Momente, wo ich gesagt habe, nein das reicht, kein Social Impact mehr, jetzt geht es um Business. Irgendwie nach drei Monaten hat es sich wieder in diese Richtung, als ob es eine Magie irgendwo war. Ich wusste es von Anfang an. Und diese Liebe, wie gesagt, ich habe Liebe und Hass gegenüber Afghanistan und afghanische alles, ich glaube jeder hat das. Hass ist ein starkes Wort, aber Liebe ist auch ein sehr starkes Wort. So haben wir in diese Kontradiktionen innerhalb von unserer Kultur und unserem Wesen auch.

00:23:51-5 Julia Hägele: Hast du hier ein Beispiel für so einen Widerspruch?

00:23:55-5 Nahid Shahalimi: Zum Beispiel Musik ist jetzt verboten, für Frauen und für Männer. Überall in Afghanistan gibt es keine Musik. Aber Musik für Frauen war immer ein Tabu, vor den Taliban auch, innerhalb von Afghanistan. Und es ist immer noch ein Tabu innerhalb von der Diaspora, wo wir ein bisschen, sogar ich, wir müssen aufpassen, man bewegt sich nicht so viel, wenn zu viele Afghaner hier wären, man sollte sich wirklich benehmen, a good girl. Und das zum Beispiel diese Nuancen, die in Kulturen und Traditionen sind, wo wir damit umgehen müssen, aber arbeiten so, dass es langsam langsam sich auflöst. Aber wir haben dafür keine Zeit, weil es immer noch einen Krieg dort gibt. Und wir müssen uns seit fast 50 Jahren mit diesen Kriegen beschäftigen. Zum Beispiel das ist einer dieser Love and Hate Relationship, die ich habe. Aber ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man ehrlich, egal was es ist, ob es Kultur ist oder egal, man sollte ehrlich damit umgehen. Wir müssen nicht hundertprozentig lieben, vielleicht 60-70, aber es ist auch okay zu sagen, ja ich liebe das, aber es wäre sehr schön, wenn ich das so hätte, weil ich schlucke das Gesamte nicht auf einmal. Und genau solche Formulare muss man auch in jedem einzelnen Geschäft benutzen. Nicht nur bei Büchern, aber Geschäfte auch.

00:25:30-7 Julia Hägele: Ich würde gerne nach Kanada schauen. Du hast dann eine Zeit in Montreal verbracht, studiert Kunst und Politik und du hast Volleyball für die kanadische Nationalmannschaft gespielt. Und ich habe Nahid Shahalimi Beachvolleyball gegoogelt und ich habe kein Bild von dir gefunden. Warum?

00:25:50-9 Nahid Shahalimi: Damals gab es mehrere Mannschaften, so zwei, die Kanada repräsentiert haben oder jedes Land, sogar Deutschland auch. Aber die Flagge von Kanada war da und am Ende bei den Olympischen Spielen gab es nur zwei, die dort hingegangen sind, danach kam diese ganze Struktur, nur einfach um das in einen Kontext zu bringen. Der Grund, wieso es absolut kein einziges Bild mit einem Bikini mit dieser Flagge da gibt, mein Name ist da, aber kein Bild, ist, weil ich wusste, dass ich wieder nach Afghanistan gehe. Und ich wusste auch, dass das bedeutete sehr viele Probleme. Aber es war auch eine Art von preventitive damage controll. Ich habe es nicht zugelassen, dass es rauskommt. Ich habe das gemacht und ich glaube, /unverständlich/, aber ich glaube, ich bin die erste Muslime, /unverständlich/, die je professionell Beachvolleyball gespielt hat. Aber das war für mich wichtig, weil ich diesen Sport liebte.

00:26:59-5 Julia Hägele: Was hat dir der Sport insgesamt gegeben?

00:27:03-6 Nahid Shahalimi: Zähne beißen und durch. Disziplin, die ich brauchte, als Künstlerin braucht man wirklich eine andere Art von Disziplin. Ich habe so viel durch Volleyball und professionellen Sport gelernt, ich glaube, dass keins von meinen Diplomen von der Uni mir das beigebracht haben. Diplomas, you study 50, 100 books und dann schreibt man, man weiß wie man schreibt, man weiß wie man zuhört, vielleicht Analyse, ich bin mir nicht sicher, es hängt an den Professoren, wie man analysiert. Aber diese praktische Lehre, wie kriege ich 13 Frauen innerhalb von sechs Wochen Tag und Nacht in einen Verlag mit dem gesamten Drumrum und dann geht es in den Druck. Und jetzt muss ich sagen, es ist die dritte Auflage. Solche Sachen lernt man durch Disziplin, die vom Sport kommt. Und es ist wirklich ein ganz spezielles Feld. Sport ist ein ganz spezielles Feld. Es gibt einen Ehrgeiz, wo noch mal, ich meine, die ganze Welt könnte runterkommen, aber man macht diesen Sport um 6 Uhr in der Früh, egal ob man geschlafen hat oder nicht.

00:28:19-9 Julia Hägele: Du hast in deinem Vorwort geschrieben, ihr habt nie Zeit gehabt zu trauern. Nicht über den Verlust deines Vaters, über den Verlust deiner Heimat, über den Verlust des Reichtums. Es war wahnsinnig viel los. Also man glaubt, du hast fünf Leben in einem Leben. Hast du geschafft mittlerweile zu trauern und wenn ja, wie?

00:28:42-9 Nahid Shahalimi: Jain. Ich glaube, vielleicht um wieder in deine erste Frage zu gehen, vielleicht ist das der Grund, wieso ich so viele verschiedene Sachen mache, um mich zu beschäftigen, aber ich liebe jede einzelne. Trauern… ich bin mir nicht sicher, ob dieser mentale Teil je weggehen würde, weil es ist zu viel. Es ist einfach zu viel für einen Mensch. Ich habe meine Kraft durch Sachen gefunden. Ich habe keine Angst und das ist eine ganz ganz große, sage ich für mich, das ist ein ganz großes Achievement, dass ich darüber reden kann, ohne dass ich breche. Es gab eine Zeit, wo ich brach und ich habe überhaupt nicht darüber gesprochen. Meine zwei Kinder, als Mutter, man verarbeitet sehr viel auch, weil man ist mit einem Kind, die gehen ins Bett um 19 oder 20 Uhr, man hat sehr viel Zeit. Und diese Zeit habe ich immer Angst gehabt, diese Zeit zu haben, weil dann diese ganzen Monster sind wieder hochgekommen. Aber jetzt durch meine Arbeit peu á peu verarbeite ich das. Ob ich das Gesamte je schaffe, bin ich mir nicht sicher, aber ich habe auch nicht mehr Angst davor. Wenn es da kommt, ich glaube, you know, you have to look in the mirror. Und das ist so wie es ist. Ich kriege auch sehr viel, wie heißt das, diese Salbe, durch die Arbeit, die ich mache, ob es in Afghanistan ist oder mit anderen Frauen ist, dieser Social Impact gibt mir sehr sehr viel Kraft. Aber es gibt Momente, werde ich nicht lügen, es gibt Momente, wo ich wieder Angst bekomme und sage ich, okay nach einem Tag das reicht, das reicht, ich muss irgendwas machen.

00:30:35-4 Julia Hägele: Du hattest gerade deine Töchter erwähnt. Wie bringst du Afghanistan ihnen nahe? Weil sie sind wahrscheinlich in München geboren, richtig?

00:30:42-9 Nahid Shahalimi: Ja.

00:30:45-2 Julia Hägele: Ist das Thema bei euch zu Hause die afghanische Politik oder ist das was, was du eigentlich nicht mit nach Hause nimmst?

00:30:51-4 Nahid Shahalimi: Die armen die leben das mit mir. Ich sage immer, die armen. Aber es so, dass zum Beispiel meine Töchter, ich bin eine Künstlerin, ich male seit über 33 Jahre und als die geboren wurden, haben die auch ihre kleinen Stühle und alles im Studio gehabt und genauso waren die auch bei Unicef bei verschiedenen Events, wo die mitgemacht haben. Und zum Beispiel die Lesungen oder Vorführungen von ein paar Sachen bei EU und UNO habe ich sie mitgebracht, weil es ist ein Erlebnis. Ich meine, es ist kind of cool, wenn deine Mama da steht und dann die ganzen elf Delegationen sprechen über ihren Film oder so, das war ein bisschen cool. Die haben gepostet und alles mögliche. So für die, ich wollte immer diesen Spaß nicht von denen wegnehmen. Ich möchte nie, dass meine Kinder das machen, was ich möchte, die müssen ihre Flügel finden und selber. Aber Afghanistan ist immer präsent und die haben vor jedem Buch oder jedem Film oder für jede Initiative, die ich mache, drehe ich einen kleinen Film, so eine Art Promotionfilm. Und dafür haben beide, weil ich habe reproduziert eine ganz alte folklorische Musik für dieses Stück sieben Minuten und die haben gesungen in einer anderen Art und Weise, weil die lieben Gesang und die Stimme und das war auch ein Statement. Das Statement ist, dass nur weil du eine Frau bist, darfst du nicht Musik anfassen. Und durch die jüngere Generation, obwohl die nie Afghanistan gesehen haben, das ist die einzige Möglichkeit, wo wir als Afhganinnen können diese Musicology, eine Art von Conservation of Musicology of Afghanistan machen. Das war der Grund. Die sind involviert und jetzt wollen die involviert sein. Es ist schön, aber ich mache keinen push, weil es ist nicht gut.

00:32:49-4 Julia Hägele: Wir sind hier gerade auf der herCareer Messe, eine Plattform für weibliche Karriere. Was geht dir hier durch den Kopf? Hast du das Gefühl, so eine Messe könnte auch einmal in Kabul stattfinden oder ist das aussichtslos?

00:33:02-5 Nahid Shahalimi: Das gab es. Es gab solche Sachen in Afghanistan, sehr viele sogar. Es gab die, wie heißt das, eine all Frau Orchester, die 35 Mädchen da waren, es gibt auch nicht so viele in der gesamten Welt. Aber die haben auch in der Carnegie Hall Auftritte gehabt, die haben in Davos Auftritte gehabt, die waren schon da, das war alles schon da. Was durch meinen Kopf geht ist, dass es sehr sehr nötig ist. Ich war eine davon, die wirklich gegen die Quoten waren am Anfang, aber dann, wenn man mit UNO und den Strukturen, die schon da sind und diesen Strukturen arbeitet, glauben Sie es mir, wir brauchen diese Quoten. Repräsentation ist A und O. Wenn wir keine Plattformen für die Frauen haben, wie sollten sie über ihre Gelegenheiten, über ihre Probleme, über diese Strukturen, die sollten wir anders machen, sprechen. Weil zuerst braucht man das, das ist ein Teil davon. Die Arbeit muss da weitergehen. Für mich, das ist nicht mein erstes Mal, das ist mein zweites Mal, dass ich in dieser herCareer spreche und es ist so toll und ich kann es beurteilen, weil es war viel keiner das letzte Mal, wo ich da war. Vor Covid war das, glaube ich. Aber wir brauchen noch mehr von solchen Sachen und wir brauchen noch mehr Frauen, die sich Zeit dafür nehmen, um hierher zu kommen. Du weißt, ich bin wirklich, seit 14 Monaten habe ich absolut keinen einzigen Tag frei gehabt und ich bin gerade zwei Monate durch die gesamte Welt haben wir Konferenzen gehabt, zehn Tage durch hin und her, hin und her, in Deutschland und ich bin hergekommen und es hätte fast nicht geklappt. Aber es ist wichtig, weil jede einzelne von uns wird gebraucht. Wir brauchen jede einzelne Stimme. Auch die Kritik brauchen wir von den Frauen. Weil um diesen Tisch zu besetzen, wenn wir nicht da sind, dann sollten wir auch nicht, you don’t complain, if you don’t show up. You have to show up. Und showing up und representation ist das erste, wo danach dann kommt, oh ja, what are the ressources, wo kann ich meine Ressourcen finden? Aber wenn du nicht da bist, wie soll denn das in die nächste Etappe gehen? Ich bin, wie lange haben wir noch?

00:35:30-8 Julia Hägele: Wir haben schon noch ein paar Minuten. Das Publikum kann sich vielleicht auch schon mal im Hintergrund überlegen, ob ihr eine Frage habt, aber wir sprechen kurz weiter.

00:35:40-3 Nahid Shahalimi: Für mich Sachen wie herCareer und speziell für die Frauen, die wirklich als neue Startups, Entrepreneurships jetzt ganz neu oder die kommen zum Beispiel von Mutterschaft, das ist auch ein ganz großes Thema. Oder die kommen ganz frisch von der Uni, es wird so geschildert, it is a bad bad world out there. Vielleicht, aber was macht ihr dafür? Wie können wir das zusammen bauen? Jetzt ist eine Zeit, wo ich immer sage, das hier geht viel mehr, das ist viel größer als Afghanistan und das müssen wir in einem größeren Bild sehen. Amerika, ein kleines Mädchen hat nicht die gleichen Rechte wie ihre Mama heute. Abtreibung, Polen, Ungarn, Iran, schauen Sie sich das an, das ist nicht nur Afghanistan. Aber wer entscheidet für solche Politik am Ende des Tages? Man muss ein bisschen viel viel tiefer gehen. Und deswegen sage ich, es ist so wichtig, dass wir wirklich an solchen Plätzen unsere Gesichter zeigen.

00:36:51-0 Julia Hägele: Das ist ein sehr großes Thema, vielleicht können wir es trotzdem kurz behandeln. Afghanistan ist gerade nicht sehr präsent in den Nachrichten, das ist eher der Iran. Was geht dir durch den Kopf, wenn du diese Bilder siehst von der weiblichen Emanzipation gerade im Iran?

00:37:10-1 Nahid Shahalimi: I don’t wanna say it, but i feel like saying, we told you so. We told you so. Wir sagen das seit Jahren und Jahren, was passiert in Afghanistan ist viel größer. Iran, diese vergessenen Kriege. Iran ist genauso seit fast 50 Jahren auch. Aber wir haben diese selektive Memory. Aber auch durch diese selektiven Gedanken oder Memorys haben wir auch ein selektives Menschenrecht entwickelt. Dass irgendwie der global south ist nicht mehr so wichtig als der global north. Obwohl wenn wir wirklich reingucken, Feminismus hatte diesen Kern von global south und nicht von global north. Und solche Sachen sind ganz ganz wichtig. Weil wir brauchen jede einzelne von uns. Wenn es um Feminismus geht, es geht nicht nur um die Frauen. Wir haben noch nicht angefangen mit den anderen Geschlechtern. Wir sprechen nur von Binary, wir sind nicht Binary. Und das ist ganz ganz wichtig. Aber nur Frauen zum Beispiel diese Außenpolitik, wir haben morgen ein Panel, das sollte sehr interessant sein und da freue ich mich auch sehr, es ist ganz wichtig zu sagen, dass Intersexualität ist ganz wichtig, alle Farben, alle Geschlechter, alle überall und das ist ganz wichtig.

00:38:31-2 Julia Hägele: Die Situation in Afghanistan ist sehr dunkel, was gibt dir persönlich trotz allem Hoffnung für das Land deiner Heimat?

00:38:40-5 Nahid Shahalimi: Die Frauenbewegung, weil wenn wir das nicht machen und ich habe das gesehen in den letzten 14 Monaten, es war sehr hart. Wir haben unser ganzes Leben an die Seite gesteckt, Tag und Nacht haben wir gearbeitet und ich sehe das, weil wo sind die Männer? Sage ich die Wahrheit. Wenn die Frauen nichts machen und den Druck nicht auf die internationale Gesellschaft ausüben, dann hätten sie ihre Anerkennung schon bekommen und die Gelder auch. Und wirklich, es geht um die Frauen, die da gesessen haben Tag und Nacht in den Komitees, um das zu bewegen. Und das nicht für uns, aber für diejenigen, die dort geblieben sind, so dass die stark sind und die von dort alles rausbringen. Und ich sage das, vielleicht einen letzten Satz. Can i say this in english?

00:39:28-9 Julia Hägele: For sure.

00:39:30-0 Nahid Shahalimi: The narrative of whatever you do that is the narrative a situation has to informed by its people. So the narrative must be informed by afghans and especially afghan women experts. Sonst haben wir wieder genau das gleiche Problem von Korruption bis zu allem.

00:39:48-4 Julia Hägele: Das heißt, ich übersetze mal frei, wenn wir über Afghanistan sprechen, dann lassen wir doch bitte die Afghanninin und Afghanen zu Wort kommen und sprechen mit ihnen und nicht über sie. Okay, Nahid vielen herzlichen Dank. Dem Publikum vielen herzlichen Dank fürs Zuhören.

00:40:06-9 Nahid Shahalimi: Thank you und danke schön an euch alle, vielen Dank.