Gute Entscheidungen sind kein Zufallsprodukt, sondern lassen sich methodisch treffen – davon ist Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl überzeugt. Die Leiterin des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung und Inhaberin des Lehrstuhls für Innovations- und Technologie-Management am Karlsruher Institut für Technologie kennt ihr Metier: Nicht nur als Zukunftsforscherin, sondern auch als Führungskraft in der Bekleidungsindustrie fällte die gelernte Schneiderin weitreichende Entscheidungen. Nach ihrem Auftritt bei der herCAREER Online-Academy sprach sie im Interview über Dos and Don’t der Entscheidungsfindung.
„Wir können uns aktiv für die passende Karriere entscheiden“
Gute Entscheidungen zeichnen sich für Marion A. Weissenberger-Eibl durch vier Kriterien aus: Sie fußen auf Erfahrung, Recherchen und Analysen, beziehen alle Perspektiven von Beteiligten mit ein, denken alle Wege und Konsequenzen voraus und beruhen auf einem systematischen Zukunftsblick. „Gewisse Ziele erfordern gewisse Wege und haben gewisse Konsequenzen. Nur wenn wir uns gemeinsam auf einen Weg einigen, ziehen wir alle an einem Strang“, so die Professorin für Innovations- und Technologie-Management.
Führungskräfte müssten Zukunftsbilder initiieren. „Das passiert in der Praxis leider viel zu selten.“ Innovationsentscheidungen würden häufig durch gewohnte Strukturen erschwert. Ein Austausch mit Menschen, die einen anderen Background haben, erscheine zunächst oft schwierig und ungewohnt. Doch die Ideen seien letztlich meist besser. Gerade wenn es um aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit gehe, müssten verschiedene Perspektiven betrachtet werden. „Man muss mutig, risikobereit und frei im Kopf sein. Raus aus der Box!“
Um einen Möglichkeitsraum für die Zukunft aufzuspannen, empfiehlt die Zukunftsforscherin die Methode des „Roadmapping“. Dabei fokussiert man sich auf einen Zeithorizont und bestimmte Themen – und schafft einen Trichter der Möglichkeiten. „Je weiter wir nach vorne schauen und je breiter das Themenfeld angelegt ist, desto größer wird der Möglichkeitsraum unterschiedlicher Zukünfte.“ Je weiter man in die Zukunft gehe und je breiter die Themenfelder desto wahrscheinlicher komme es aber auch zu Unterbrechungen, Abweichungen und Sprüngen – Zukunftsvisionen ändern sich.
Hilfreich für Zukunftsentscheidungen seien Kreativitätstechniken wie ein strukturiertes Brainstorming oder Zeitreisen. Visionen müssten dann noch einmal daraufhin überprüfen werden, welche Zukünfte grundsätzlich möglich sind – zum Beispiel anhand von Umwelt-, Trend- und Konsistenzanalysen. „Eine gute Idee alleine reicht nicht. Sie muss umsetzbar und anwendbar sein.“
„Wer Zielgrößen festlegt, erreicht Ziele auch schneller“, erklärt die Leiterin des Fraunhofer ISI. Doch zum Beispiel bei Zielgrößen für Frauen in Führungspositionen gehe es auch darum, Maßnahmen wie Nachwuchsförderprogramme zu entwickeln. „Es benötigt Zeit bis Frauen und Männer in Führungspositionen hineinwachsen.“ Zwar gebe es in den beiden Ebenen unter dem Vorstand einen etwa doppelt so hohen Frauenanteil wie auf oberster Führungsebene. Viele Frauen arbeiteten allerdings in supportnahen Funktionen wie Personal oder Marketing, sodass sie für geschäftsorientierte Vorstandspositionen meist nicht in Frage kommen.
Die Institutsleiterin, die Studierende und Promovierende der RWTH Aachen und der TU München bei persönlichen Entscheidungen als Mentorin unterstützt, hat sich ursprünglich sehr bewusst entschieden, vor ihrem Studium eine Ausbildung als Schneiderin zu machen. Heute profitiert sie davon, da sie gelernt hat, sich schnell in verschiedene Felder hineinzudenken. „Interdisziplinarität ist ein Grundbestandteil meiner Arbeit und kann uns alle so viel weiterbringen.“ Die Zukunftsforscherin findet es wichtig, die eigene Arbeit zu hinterfragen. Wenn ein Job nicht mehr zu den eigenen Vorstellungen passe, müsse man so mutig sein, mit einem Arbeitsplatzwechsel eine persönliche Zukunftsentscheidung zu treffen. „Wir müssen nicht darauf warten, dass die passende Karriere zu uns kommt. Wir können uns aktiv dafür entscheiden.“
Kürzlich war Marion A. Weissenberger-Eibl als Referentin bei der herCAREER Online-Academy dabei, die ganzjährig in Vorträgen, Diskussionen und Meet-ups spannende Inhalte rund um die weibliche Karriereplanung mit vielen Interaktionsmöglichkeiten anbietet.
Über die Person
Univ.-Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl leitet das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe und ist Inhaberin des Lehrstuhls für Innovations- und Technologie-Management am Institut für Entrepreneurship, Technologie-Management und Innovation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie arbeitet zu Entstehungsbedingungen von Innovationen und deren Auswirkungen. Wiederholt wurde sie als eine der 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet. Die studierte Bekleidungsingenieurin sowie Betriebswirtschaftlerin promovierte und habilitierte sich an der Technischen Universität München. In Wirtschaft und Politik ist sie eine geschätzte Expertin in den Fokusthemen Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Innovation und Zukunftsforschung.
Am 16. und 17. September steht die Messe herCAREER als Live-Event an. Das komplette Programm und die Ausstellerliste sind unter www.her-career.com verfügbar.
Im Interview mit der herCAREER spricht Marion A. Weissenberger-Eibl darüber, was Unternehmen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen sollten und wie sie persönlich an Karriereentscheidungen herangeht.