Rabia Sertkayas Großeltern sind als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Sie selbst arbeitet heute als Projektingenieurin bei Exyte, einem international führenden Dienstleister für die Pharma- und Life-Science-Industrie. Als gläubige Muslima gewährt Rabia Sertkaya im Podcast heute einen Einblick in ihre Erfahrungen als Kopftuchträgerin in Deutschland. Sie hat für sich herausgefunden, mit welcher Haltung es sich lohnt, durchs Leben zu gehen und beruflich weiterzukommen.
Thema
Persönlichkeits- & Kompetenzentwicklung | Gesellschaft
Angaben zur Referent:in
Rabia Sertkaya, geboren 1995, arbeitet als Projektingenieurin bei Exyte. Zuvor studierte sie Pharmatechnik an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Sie ist für die Qualifizierung und Validierung von pharmazeutischen Produkten als Contractor verantwortlich. Ihre derzeitige Tätigkeit besteht darin, pharmazeutische Produktionsanlagen eines mRNA-Kompetenzzentrums zu qualifizieren – ein Teil des Programms der Bundesregierung zur Vorbereitung auf zukünftige Pandemien.
00:00:00-0 Rabia Sertkaya: Während ihr diesen Podcast hört und vielleicht mein Bild seht, könnten einige Fragen aufkommen wie, wow sie spricht so gut deutsch, warum hat sie keinen türkischen Akzent oder wie hat sie es als Frau mit Kopftuch geschafft, in einem internationalen pharmazeutischen Unternehmen zu arbeiten?
00:01:00-5 Moderation: Rabia Sertkayas Großeltern sind als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Sie selbst arbeitet heute als Projektingenieurin bei einem führenden internationalen Dienstleister für die Pharma- und Livescience Industrie. Als gläubige Muslima gewährt Rabia?? im Podcast heute einen Einblick in ihre Erfahrungen als Frau mit Kopftuch in Deutschland. Sie hat für sich herausgefunden, mit welcher Haltung es sich lohnt durchs Leben zu geben, um beruflich weiter zu kommen. (?Name), geboren 1995 arbeitet als Projektingenieurin bei ExyteRabia Sertkaya, zuvor studierte sie Pharmatechnik an der Hochschule Albstadt Sigmaringen. Sie ist für die Qualifizierung und Validierung von pharmazeutischen Produkten als Contractor verantwortlich. Ihre derzeitige Tätigkeit besteht darin, pharmazeutische Produktionsanlagen eines mRNA-Kompetenzzentrums zu qualifizieren. Ein Teil des Programms der Bundesregierung zur Vorbereitung auf zukünftige Pandemien.
00:01:56-4 *Musik*
00:02:08-5 Rabia Sertkaya: Hallo, ich bin Rabia und arbeite als Projektingenieurin im Bereich Qualifizierung und Validierung bei Exyte. Um zu verstehen, was ich mache, ist es wichtig, die Struktur von Exyte zu erklären. Nun, Exyte ist ein Dienstleistungsunternehmen, das unter anderem in der Pharmabranche tätig ist. In der Pharmabranche gibt es jetzt einmal runtergebrochen Produzenten, die Arzneimittel produzieren sowie Dienstleister wie Exyte, die den Bau von Gebäuden, Anlagen sowie Produktionsprozessen ermöglichen. Meine Rolle besteht darin, sicherzustellen, dass am Ende eines Projekts die produzierten Arzneimittel qualitativ hochwertig und sicher sind. Das ist jetzt natürlich eine allgemeine Beschreibung meiner Aufgaben. Da diese stets kundenspezifisch sind und dementsprechend variieren, aber auch einer triftigen Gründe, warum mich meine Arbeit nie langweilt. Ich möchte ein wenig mehr über mich selbst erzählen und wie ich zu meiner Position bei Exyte gekommen bin. Nun, ich bin in der ältesten Stadt Baden-Württembergs geboren, den Namen könnt ihr jetzt gern selbst googeln. Meine Eltern stammen ursprünglich aus der Türkei und kamen als Gastarbeiter mit ihren Familien nach Deutschland. Der Hauptgrund dafür war mein Großvater mütterlicherseits, der einer der ersten Einwanderer war und als Bauarbeiter für den Bau von Gebäuden und deren grundlegenden Ausstattung tätig war. Ich habe mein Abitur auf einem sozialwissenschaftlichen Gymnasium absolviert und dabei den Schwerpunkt auf Psychologie und Pädagogik gelegt. Anschließend habe ich mich für ein wissenschaftliches Studium im Bereich Pharmatechnik entschieden und erfolgreich abgeschlossen. Während meiner Studienzeit habe ich Exyte auf einer Karrieremesse kennengelernt und mich in meinem letzten Semester als Bachelorantin beworben. Und wie sich herleiten lässt, wurde ich erfolgreich angenommen, habe erfolgreich geforscht und publiziert und schließlich meinen Job bei Exyte ergattert. Soviel erst mal zu meiner bisherigen Geschichte. Während ihr diesen Podcast hört und vielleicht mein Bild sehr, könnten einige Fragen aufkommen wie, wow sie spricht so gut deutsch, warum hat sie keinen türkischen Akzent oder wie hat sie es als Frau mit Kopftuch geschafft, in einem internationalen pharmazeutischen Unternehmen zu arbeiten? Wenn dies der Fall ist, muss ich zugeben, ihr seid nicht die ersten, die sich solche Frage stellen oder sie mir direkt gestellt haben. Während meiner Schulzeit, Praktika, Studienzeit sowie bei meinen zähligen Nebenjobs als Nachhilfelehrerin, Gruppenbetreuerin oder auch im Einzelhandel kommentierten Menschen oft überrascht, wie gut ich deutsch spreche oder wie großartig es ist, dass ich studiere, arbeite oder Dinge tue, die nicht immer den Erwartungen entsprechen, die man an eine Frau mit Kopftuch hat. Ehrlicherweise gab es leider auch Kommentare, die unter der Gürtellinie waren. Wie zum Beispiel, es muss ja fürchterlich ziehen bei dir. Damals habe ich als Kassiererin gearbeitet und ein Kunde sagte das. Heute finde ich es faszinierend, welche Informationen und Hintergründe solche Denkweisen und Kommentare über eine Person offenbaren können. Früher belasteten mich solche Situationen. Da ich nicht nachvollziehen konnte, warum ich aufgrund meiner Andersartigkeit infrage gestellt wurde. Doch heute bin ich in der Lage, zwischen den Zeilen zu lesen und die Situation in meine gewünschte Richtung zu lenken. Manchmal wenn mir danach ist, trete ich derartigen Kommentaren auch mit frechen, aber noch höflichen, Antworten gegenüber. Dem Herren, der den Spruch, es muss ja fürchterlich ziehen bei dir, von sich gab, antwortete ich auf, sagen wir mal, seinen schwarzen Humor mit, bei Ihnen wohl auch, wie schade, dass Sie sich nicht bedecken können.
00:06:45-0 Mein Glaube ist etwas sehr persönliches und besonderes für mich. Es ist schwierig, dies in einem Podcast zu erläutern oder verständlich zu machen, aber was ich sagen kann ist, dass mein Glaube mich in jeder Lebenssituation begleitet und mir einen positiven Blick auf das Leben ermöglicht. Das Kopftuch ist ein ausdrucksstarkes Symbol, das mich als Muslima kennzeichnet. Für mich ist das Tuch von großer Bedeutung, da es mir ermöglicht, meine Religion auf einer tieferen Ebene auszuleben. Was ich damit sagen möchte ist, dass meine Religion und mein Kopftuch sehr persönlich sind und mir einen enormen Mehrwert bringen. Im Laufe der Jahre und durch meine Erfahrungen ist mir jedoch klar geworden, dass Akzeptanz und Respekt in bestimmten Bereichen leider erarbeitet werden muss. Als Gewohnheitstiere betrachten wir Dinge, die wir nicht kennen, zunächst mit Skepsis. Mein Kopftuch und meine Religion sind keine Hindernisse, sondern vielmehr Seltenheiten. Je öfter Menschen mit diesen Themen oder Dingen konfrontiert werden, desto mehr beschäftigen, akzeptieren und verstehen sie sie. Das zu verstehen hat mir im Leben vieles erleichtert und mich motiviert, neue Dinge anzugehen, von denen ich früher nur geträumt hatte. Mein Tipp für alle Zuhörerinnen und Zuhörer dieses Podcasts, egal mit oder ohne Kopftuch, Dinge, die andere vielleicht suspekt oder inakzeptabel ansehen, werden durch Gewohnheiten normalisiert. Traut euch, euch zu bewerben, zu arbeiten oder zu tun was euch am Herzen liegt. Natürlich wird es Niederlagen geben, aber aufzustehen und es erneut und erneut zu versuchen wird euch helfen, diese Hindernisse zu überwinden. Ein prägender Wendepunkt in meinem Leben war das Erlebnis einer ehemaligen Kommilitonin während ihres Bewerbungsgespräches für ein Praxissemester in einem bekannten pharmazeutischen Unternehmen. Also Muslima im Kopftuch stellte sie sich der Herausforderung, in einem Reinraumbereich zu arbeiten, der unter extremen Hygienebedingungen liegt. Sprich, spezielle Lüftungsanlagen, Ausrüstungen, Kleidungen, Verhaltensregeln und vieles mehr. In solchen Bereichen ist es nicht möglich, mit Alltagskleidung zu arbeiten, einschließlich des Kopftuchs, da es einfach nicht hygienisch genug ist. Und die Arzneiproduktion sowie die Sicherheit des Patienten beeinträchtigen könnte. Meine Kommilitonin hat diese Forderung natürlich akzeptiert, jedoch um ihr eigenes Wohlbefinden ebenso zu gewährleisten, um spezielle Reinraumkleidung gebeten, nämlich ein Oberteil mit Rollkragen, das zusätzlich den Hals bedeckt und eine blickdichte Kopfhaube, die ihr Haar bedeckt. Mit ihrer souveränen Einstellung und ihrer proaktiven Bitte hat sie es in meinen Augen geschafft, sich anzupassen und ist gleichzeitig für ihr Wohlbefinden eingestanden. Meine persönliche Lehre aus diesem Fall ist, dass ich aktiv daran arbeiten muss, Anerkennung und Akzeptanz für mein Kopftuch zu finden. Gleichzeitig hoffe ich jedoch auf Offenheit und Toleranz seitens meines Umfeldes. Und glücklicherweise leben wir heute in einer Zeit, in der wir uns darum bemühen, mehr Toleranz und Akzeptanz zu zeigen und zu lernen. Menschen unabhängig von ihrer Religion, sexuellen Orientierung oder Identität zu respektieren. An alle Zuhörerinnen unabhängig davon, ob ihr ein Kopftuch tragt oder nicht, wenn ihr unsicher seid oder Angst habt, euch auf eine Stelle zu bewerben, die ihr gerne besetzen würdet, dann versucht es trotzdem. Vielleicht seid ihr die ersten, die sich in diesem Unternehmen bewerben und ihr erhaltet eine Absage, aber ihr legt den Grundstein für all die Frauen, die nach euch kommen. Oder ihr trefft erst bei der fünften Bewerbung auf ein Unternehmen, das Toleranz, Diversität und Akzeptanz in ihren Unternehmensalltag integriert hat. Je mehr wir uns sichtbar machen und je mehr wir über unsere Fähigkeiten und Interessen sprechen, je mehr wir all unsere Facetten unserer Identität zeigen, desto mehr schaffen wir die Anerkennung, die wir uns alle erhoffen. Ich bin stolz darauf, in einem Unternehmen zu arbeiten, das Toleranz und Diversität lebt. Exyte hat mich von Anfang an aufgrund meiner Leistungen und Qualifikationen betrachtet, mich offen empfangen und meinen Berufsalltag mit einer familiären Atmosphäre bereichert. Ich habe unvoreingenommen Angebote erhalten, an Werbekampagnen teilzunehmen, deren Bilder für das Recruiting neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt werden und jetzt erzähle ich in meinem Podcast meine Geschichte, um Frauen zu ermutigen. Meine Karriereentwicklung wird gefördert und unterstützt. Ein Beispiel auf das ich mit Stolz zurückblicke ist, dass ich bereits nach kurzer Zeit die Chance bekommen habe, an einem Förderprogramm teilzunehmen, das mir die Möglichkeit gibt, eine Leadingeneerposition zu erreichen. Ich bin glücklich, dass ich mich nicht verbiegen muss, um beruflich erfolgreich zu sein und ich denke, dass das jeder und jede verdient mit und ohne Kopftuch.
00:14:20-1 *Musik*