„Der US-Psychologe John Gottman ist jedenfalls überzeugt, dass sich schon aus wenigen Minuten eines Streitgesprächs mit hoher Trefferquote schließen lässt, ob ein Paar sechs Jahre später geschieden sein wird“, schreibt die SZ. „Gottman gilt international als Experte, wenn es darum geht, die Stabilität von Ehen einzuschätzen. Herzstück seiner Untersuchungen ist stets eine Verhaltensanalyse: Frisch verheiratete Paare diskutieren für 15min im ‚Ehelabor‘ ein Thema, das bei ihnen verlässlich zu Streit führt.“
Ausgewertet werden dann die Verhaltensweisen der Partner:innen im Gespräch: „Lässt sich das Paar gegenseitig ausreden? Werden Gefühle anerkannt? Bemühen sich beide darum, den Partner zu verstehen? Begegnen sich die Streitenden mit Respekt? Wird auch mal gelacht? Kurzum: Es werden alle positiven und negativen Interaktionen des Paares protokolliert.“
Je ausgeprägter die „negativen Interaktionen“, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Trennung, stellte Gottmann fest und machte „die vier apokalyptischen Reiter“ aus: „übermäßiges Kritisieren, Abblocken jedweder Kritik, sich dem Partner oder der Partnerin überlegen fühlen und sich einer ernsten Kommunikation verweigern“. So lasse sich mit einer Genauigkeit von ca. 80% voraussagen, ob einem Paar die Scheidung droht.
Unter Laborbedingungen mag das gelten, so die SZ, in der Praxis sei es wohl schwierig, zu einer so hohen Trefferquote zu kommen. Doch auch in anderen Studien hätten sich ungünstige Kommunikationsmuster als Scheidungsrisiko erwiesen. Hinzu kämen andere Faktoren wie das Alter der Partner:innen, ihre früheren Erfahrungen, ihre soziale Lage, Normen ihrer Community und ob sie Kinder haben.
Die Scheidungsrate hierzulande ist seit den 90er Jahren nicht mehr gestiegen, sondern sogar leicht gesunken.
SZ: „Vielleicht ist es ohnehin besser, nicht zu sehr auf ein abstraktes Scheidungsrisiko, sondern mehr auf die Qualität der Beziehung zu achten. Schließlich ist eine Ehe, die nicht geschieden wird, nicht unbedingt eine glückliche Ehe.“ Egal, wie lange man zusammenbleibt: „Wer sich bemüht, dem Partner zuzuhören, ihn mit Respekt zu behandeln, seine Gefühle anzuerkennen und mit ihm zu lachen, tut der Beziehung in jedem Fall etwas Gutes – das gilt sogar für den Umgang mit Ex-Partnern.“
Oder doch lieber gar nicht erst heiraten?
„Das Ende der Ehe – Für eine Revolution der Liebe“ heißt das neue Buch von Emilia Roig, PhD. „Mit dem Ende der Ehe fordere ich das Ende einer obsoleten Institution, die die Ungleichheit und Unterdrückung der Frauen in unserer Gesellschaft produziert und aufrechterhält“, sagt Roig bei NDR Kultur. „Die Ehe ist eine der wichtigen Säulen des Patriarchats“ – und nicht nur ein Stück Papier beim Standesamt, sondern ein gesamtes politisches und wirtschaftliches System, an dem der Staat Interesse habe. Roigs Utopie ist ein „kollegiales Zusammenleben“ frei von Geschlechterhierarchie und toxischen Machtstrukturen.
Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
veröffentlicht bei LinkedIn 29.08.2023