Gut geplantes und konsequent beachtetes Stakeholder Management ist oft der unterschätzte Schlüssel zum Erfolg im Leben eines Senior Leaders. Genauso entscheidend ist das Thema in jedem größeren Projekt – und wird trotzdem bei Zeitdruck oft vernachlässigt. Das weiß auch Ines Pettigrew. Im Interview mit herCAREER erklärt sie, welche Rolle die richtige Kommunikation dabei spielt. Außerdem beschreibt Sie die wichtigsten praxisorientierten Schritte, die jede:r gleich morgen umsetzen kann, um beim nächsten Projekt die Stakeholder von Anfang an optimal mit ins Boot zu holen, um Hürden vorherzusehen und rechtzeitig aus dem Weg räumen.
„Effizienter, effektiver und überlegter“
herCAREER: Warum ist Stakeholder Management so wichtig? Welche Erfahrungen hast Du selbst damit gemacht – auf beiden Seiten?
Ines Pettigrew: Wie so oft geht es auch hier eigentlich „nur“ um gute Kommunikation: den richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Informationen in der richtigen Art und Weise zu geben – und ebenso umgekehrt wichtige Informationen einzuholen. Aber dies wird oft vernachlässigt. Für Senior-Führungskräfte gehört das zum Alltag. Doch auch Projektleiter:innen müssen das beherzigen. Als solche:r ist man oft sehr im Detail eingebunden und absolute:r Expert:in für das Thema. Da fällt es nicht leicht, das herauszufiltern, was z.B. in einem 30minütigen Zeitfenster für eine Geschäftsleitung die wirklich wichtigen und relevanten Informationen sind. Es gilt diese so darzustellen, dass der Bezug zu den für die Entscheider:innen wichtigen Zielen sofort erkennbar ist. Umgekehrt haben Entscheider:innen eine große Verantwortung. Eine Genehmigung zieht oft teure Investitionen und ressourcenintensive Implementationen nach sich. Da will man sicher sein, dass man wirklich alle wichtigen Aspekte bedacht hat, man möchte sich umfassend informiert fühlen und Vertrauen haben, dass die Projektleitung alle möglichen Konsequenzen bedacht hat. Wenn man für so eine Einschätzung nur 30 Minuten Zeit hat, fällt das schwer. Und so werden Entscheidungen oft nicht getroffen oder vertagt.
Stakeholder Management ist deshalb ein essenzieller Bestandteil jedes erfolgreichen Projekts, damit man als Projektleiter:in die nötigen Approvals erhält, nicht im Silo agiert, Verbindungen und Verknüpfungen mit anderen Aktivitäten nicht aus dem Blick verliert und für eine möglichst reibungslose Umsetzung das Vertrauen der Organisation genießt. Und für alle anderen Beteiligten und Entscheider:innen schafft das Stakeholder Management Vertrauen, es ermöglicht Feedback und Einflussnahme, bevor es zu spät ist, und ermöglicht dem Unternehmen ein gutes Risikomanagement. Kurzum: Projekte werden effizienter, effektiver, überlegter und reibungsloser geplant und damit auch termin-, budget- und plangerechter implementiert. Ein Win-Win für alle Seiten.
herCAREER: Welche praxisorientierten Schritte kannst Du nennen, um die Stakeholder von Anfang an optimal mit ins Boot zu holen?
Ines Pettigrew: Auf der herCAREER Expo sind wir gemeinsam mit den Teilnehmerinnen die folgenden zehn praktischen Schritte durchgegangen, die man in Bezug auf Stakeholder Management im einem Projekt beherzigen sollte. In aller Kürze lässt sich das so zusammenfassen:
1. Jedes Projekt braucht von Beginn an einen aktiven Sponsor auf Entscheiderebene.
2. Gleich zu Beginn der Planung sollten alle Stakeholder identifiziert und analysiert werden.
3. Dann gilt es alle Stakeholder zu informieren und ihren Input zum geplanten Projekt einzuholen.
4. Dies hilft, Befürworter und Skeptiker zu identifizieren.
5. Beim Ausarbeiten des Business Case sollten alle gesammelten Anforderungen ganz bewusst adressiert und abgehakt werden.
6. Für die Vorbereitung zur Entscheidungsvorlage gilt es die Informationen kurz und knackig zusammenzufassen und dabei zu bedenken, dass die Entscheider:innen fast immer weniger Expertise in den Details haben als das Projektteam, und inhaltlich gut abgeholt werden müssen. Daher sollte man auf Fachjargon sowie Abkürzungen verzichten und kein wichtiges Vorwissen voraussetzen. Die Business Benefits müssen ganz deutlich werden. Dann gilt es, mit allen Entscheidenden VOR dem Meeting individuell Rücksprache zu halten, noch einmal Raum für Fragen und eventuelle Einwände zu geben und den Bezug des Projekts zu den Zielen des Unternehmens und zu denen des Entscheiders / der Entscheiderin herzustellen. Wenn es noch Zweifel gibt, ist das Gespräch besonders wichtig. Denn alle wollen das Richtige tun, und ein:e Skeptiker:in hat vielleicht wichtige Einwände oder aber den Mehrwert noch nicht erkannt – dann gilt es die Argumentation zu schärfen. Jetzt ist der Zeitpunkt, um sich anzunähern und gegebenenfalls vor der Entscheidung noch etwas zu modifizieren.
7. Vor dem entscheidenden Meeting muss die finale Entscheidungsvorlage bzw. Präsentation als Pre-Read an alle Teilnehmenden gehen.
8. Im Meeting sollte der/die Präsentierende auf die Themen der einzelnen Teilnehmenden referenzieren. Erinnern Sie die Entscheider:innen daran, an welcher Stelle ihre Punkte eingeflossen sind, wo die Bezugspunkte zu anderen strategischen Initiativen oder Zielen liegen. Diese Transparenz schafft Vertrauen und signalisiert dem gesamten Gremium, dass alle am Tisch sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, dass eine Entscheidung also nicht nur auf Basis der kurzen Präsentation erfolgt, sondern Vorbesprechungen stattfanden und tatsächlich ein strategischer Mehrwert entsteht. Am Ende – nach erfolgter Genehmigung – sollte weitere Offenheit signalisiert, an den gemeinsamen künftigen Erfolg als Vision erinnert und darüber informiert werden, wann es das nächste Mal ein Update über den Fortschritt des Projekts geben wird.
9. Im Laufe des Projekts gilt es dann, alle Stakeholder regelmäßig auf dem Laufenden zu halten, besonders wenn bestimmte Meilensteine erreicht wurden. Besonders hervorheben sollte man für jeden einzelnen Stakeholder, wann ein für ihn/sie wichtiger Aspekt aktuell wird.
10. Ein Projekt ist nie ein Egotrip. Je stärker das Gefühl einer Mit-Ownership der Stakeholder, je mehr Beteiligte gern mit Ihrem Projekt assoziiert werden und als Fürsprecher agieren, desto besser. Dann haben Sie gutes Stakeholder Management betrieben.
herCAREER: Welche Fehler sollte man dabei vermeiden?
Ines Pettigrew: Man sollte nicht dem Trugschluss unterliegen, dass das eigene Thema, das eigene superwichtige strategische Projekt so überzeugend ist, dass es auch ohne Stakeholder Management gut funktioniert. Es geht ja dabei nicht nur um eine Genehmigung. Ein größeres Projekt in einem Unternehmen ist heutzutage meistens mit mehreren Schnittstellen, Funktionen und Abteilungen vernetzt. Es verändert vielleicht in der Zukunft die Arbeitsweise von Kolleg:innen oder bedeutet Mehrarbeit für die Beteiligten. Und wenn Ihr Großprojekt umgesetzt wird, könnte es sein, dass an anderer Stelle gespart oder vertagt werden muss. Unterschätzen Sie nicht, wie viele solcher „lebensnotwendigen“ Anträge einer Geschäftsleitung permanent vorgelegt werden. Ohne gute Vorbereitung wird man nicht überzeugen. Und in der Umsetzung läuft ein Projekt selten exakt wie geplant (was letztendlich jede:r weiß). Daher sollte man Probleme auf keinen Fall verschweigen, sondern auch hier die entsprechenden Stakeholder zeitnah mit ins Boot holen und sie ggf. an der Lösungsfindung teilhaben lassen.
herCAREER: Bei herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartner:innen aufsetzt. Zu welchen Themen kannst Du im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?
- Marketing
- Transformation
- Change Management
- Internationale Teams / Führung
- Customer Experience
- Corporate Communications
- Commercial Excellence
Zur Kontaktaufnahme bitte die von der Interviewpartner:in angegebenen Möglichkeiten nutzen und sich auf das Interview bei herCAREER-Learn & Connect beziehen.
Über die Person
Ines Pettigrew ist seit über 20 Jahren in internationalen Unternehmen tätig (u.a. in der Industrie, IT, Building Technology, Facility Management) und leitete mit ihren Teams große Marketing- und Kommunikations-Kampagnen, IT-Implementierungsprojekte, globale Rebrandings und digitale Transformationen. Sie hatte im Laufe ihrer Karriere verschiedene Abteilungs- und Bereichsleitungen inne – für Marketing, interne und externe Unternehmenskommunikation, Customer Experience, Commercial Excellence, Nachhaltigkeit, Produktmanagement, Technischen Support und Business Development.
Daher kennt Ines die Situation gut, um die es hier geht, und zwar von beiden Seiten: zum einen, wie es ist, wenn man bei Stakeholdern Investments begründen und in Boards oder anderen Gremien Genehmigungen einholen muss oder andere Bereiche von Transformationen überzeugen will. Zum anderen saß sie selbst als Entscheiderin in Steering Committees, Investment Councils und Geschäftsleitungen, wenn es darum ging, Business Cases zu genehmigen, und weiß, worauf es den Entscheider:innen dabei ankommt. Zudem ist sie häufig als Sprecherin bei Veranstaltungen eingeladen und aktives Mitglied in verschiedenen Verbänden und Vereinigungen rund um die Themen Marketing, Branding, Commercial Excellence, Diversity, Equity & Inclusion.
Dieses Interview bezieht sich auf ein MeetUp der herCAREER Expo 2023.