Wie gründen Frauen am Besten?
Frau Porsche, Sie haben Medizin studiert, arbeiteten eine Zeit lang als Moderatorin, als Autorin und als Regisseurin für Kindersendungen. Danach machten Sie sich als Fernseh- und Filmproduzentin selbstständig. Sie gründeten insgesamt drei Unternehmen, eines haben Sie zusätzlich übernommen. Das hört sich nach einem spannenden Berufsleben an. Was treibt Sie an?
Mich treibt vor allem die Neugier an. Neugier auf andere Menschen, auf ihre Geschichten und ihre Talente. Ich habe einen nie versiegenden Wissensdurst, der mich immer wieder Neues lernen lässt und mich zu neuen Erlebnissen führt. Ich verspüre eine fortwährende Leidenschaft, etwas zu bewegen: sowohl was meine beruflichen Tätigkeiten als auch meine ehrenamtlichen Projekte anbelangt. Es bereitet mir Freude, mich für Dinge einzusetzen, die ich verändern möchte. Dabei leitet mich das Bewusstsein, dass ich es auch schaffe, etwas zu bewegen. Wenn man etwas bewegen will, darf man sich ganz auf seinen eigenen Mut verlassen, der wird einen führen. Das ist mein Lebensmut, der mich stets Neues ausprobieren lässt.
In der Film- und Fernsehbranche dominieren die Männer. Wie schwer war es für Sie, sich hier durchzusetzen?
Es gibt vielleicht nicht ganz so viele Frauen wie Männer, die als Produzenten tätig sind. Aber trotzdem ist der Frauenanteil in der Filmbranche hoch. Denken Sie beispielsweise an die vielen Redakteurinnen, die in den Sendern inzwischen zahlreiche Leitungsfunktionen besetzen. Das war zur Zeit meines Einstiegs in die Branche nicht so. Für damals und heute gilt jedoch gleichermaßen: Diejenige setzt sich durch, die die kreativsten Ideen, die größte Leidenschaft und Chuzpe, und außerdem eine gute Marktkenntnis mitbringt.
Haben Sie auch Rückschläge erlebt oder ging es immer steil nach oben?
Rückschläge? Klar. Das hat auch schon mal wehgetan. Aber der nächste Morgen hat jedes Mal gezeigt: Du lebst noch, das ist das, was zählt. Und jeder Rückschlag lässt einen mit neuer Stärke und Erfahrung weitergehen.
Wenn Sie zurückblicken: Gibt es etwas, was Sie heute anders machen würden?
Da möchte ich mit Kierkegaard antworten: Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts. Ändern kann ich im Nachgang ja doch nichts mehr – warum also nicht nach vorne schauen?
Immer mehr Frauen machen sich selbstständig. Was raten Sie Frauen, die sich in die Existenzgründung stürzen wollen?
Frauen sollten sich nicht scheuen, um Rat zu fragen und den auch annehmen, sich womöglich einen Mentor an die Seite holen. Einen Businessplan aufstellen, diesen im Anschluss in einen Finanzierungsplan überführen. Mit Durchhaltevermögen an der eigenen Idee arbeiten. Und nach einer gesetzten Frist überprüfen – realistisch überprüfen! – ob der eingeschlagene Weg zum gesteckten Ziel geführt hat.
Gibt es „weibliche Tugenden“, die für eine erfolgreiche Existenzgründung von Vorteil sind?
Erlauben Sie mir, den Begriff „Tugend“ zu ersetzen, denn er erinnert mich an Zeiten, als Frauen im gesellschaftlichen wie politischen Leben nicht wirklich präsent waren. Lieber würde ich „Fähigkeiten“ verwenden. Für mich teilen Männer und Frauen prinzipiell die gleichen Fähigkeiten, Begabungen, Talente. Frauen verfügen in meinen Augen zudem über die Gabe, eine bestimmte Atmosphäre, einen Motivationsraum zu schaffen. Das hat auch viel mit Kommunikation zu tun, mit einer spezifischen Tonalität, die sich zwischen den Mitarbeitern in einem Team herstellen lässt. Dies ist eine besondere Stärke, die den weiblichen Boss eines neu zu gründenden Unternehmens auszeichnen kann.
Es gründen immer noch viel weniger Frauen als Männer Unternehmen. Woran, glauben Sie, liegt das?
Wahrscheinlich, weil Frauen nach wie vor die Hauptverantwortung für die Familie übernehmen. Ich denke aber auch, dass die Gesellschaft ebenso verantwortlich dafür ist, Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf, das Erarbeiten eines Karriereweges zu erleichtern. Immer noch gibt es viel zu wenige Ganztagsschulen von hervorragender Qualität. Mütter haben aber ein Recht darauf, ihre Kinder tagsüber gut aufgehoben zu wissen, damit ihr eigener beruflicher Lebensplan aufgehen kann. Dann würde es meiner Meinung nach auch mehr Neugründungen von Frauen geben. Zumal man als Selbstständige die Zeitgestaltung mit Kindern besser planen kann. Bietet man ihnen diese Sicherheit der verlässlichen, ganztäglichen Bildungsangebote für ihre Kinder nicht, nimmt man eine immense Ressourcenverschwendung in Kauf: Nämlich die Nichtbeschäftigung hochmotivierter, qualifizierter Frauen.
Wie bekommen Existenzgründerinnen Kinder, Familie und das eigene Unternehmen unter einen Hut?
Diese Frage bekommen eigentlich immer nur Frauen gestellt. Oder würde jemand einen Mann im Vollzeitjob fragen: „Wie geht das bei Ihnen, Berufstätigkeit und ein, zwei oder mehr Kinder? Schaffen Sie das alles parallel?“ In der sogenannten Rushhour des Lebens, wenn Beruf, Kinderbetreuung und womöglich die Pflege der Eltern bewältigt werden will, sind Männer und Frauen heute zum gleichen Teil belastet. Und dann ist es unfair, wenn von Frauen immer noch erwartet wird, den Löwenanteil des Familien-Managements zu übernehmen. Da müssen sie auch mal „Nein“ sagen dürfen.
Wie wichtig ist es für Frauen und gerade auch für Existenzgründerinnen vernetzt zu sein?
Vernetzung ist immer gut, sowohl auf privater als auch auf professioneller Ebene, Vernetzung mit Menschen, die einen weiterbringen. Darauf kommt es mir besonders an: Frauen sollen lernen, diejenigen zu fragen, die sie an einem bestimmten Punkt, bei einer bestimmten Fragestellung weiterbringen. Es ist in meinen Augen letztendlich völlig egal, ob das ein Mann oder eine Frau ist.
Der Vortrag von Susanne Porsche fand im Rahmen der herCAREER 2015 statt und das Interview erfolgte im Rahmen dessen.