„Vier-Tage-Woche, Personalnot und keine Lust auf Arbeit? Forscher:innen liefern jetzt neue Erkenntnisse, die so manches Klischee widerlegen“, schreibt die Süddeutsche Zeitung.
„Laut Umfragen wollen bis zu 80 Prozent der Beschäftigten eine Vier-Tage-Woche, um ihre berufliche Belastung zu reduzieren, mehr Zeit mit der Familie oder für andere Aktivitäten zu haben.“ Das zeigten auch die kürzlichen Streiks mit dem Fokus auf Arbeitszeitreduzierung. Manche Wirtschaftsvertreter:innen und Politiker:innen forderten jedoch das Gegenteil – nach dem Motto „Mehr Bock auf Arbeit“.
Arbeiten die Deutschen nun, langfristig gesehen, insgesamt viel oder wenig?
Sie waren laut DIW Berlin – German Institute for Economic Research 1991 im Schnitt 39 Wochenstunden tätig und heute 36,5. Auffällig sei, dass seit ein paar Jahren auch Männer beruflich kürzertreten. Das liege einerseits an entsprechenden Tarifabschlüssen in männerdominierten Branchen, andererseits daran, dass etwas mehr Männer in Teilzeit gingen, um Zeit für Care-Arbeit zu gewinnen.
Arbeitnehmer:innen sind laut Statista heute im Schnitt 25 % produktiver als vor 30 Jahren, sie erwirtschaften also mehr. Doch selbst wenn man, so die SZ, nur den Zeitfaktor betrachte: Insgesamt werde nicht weniger gearbeitet, sondern so viel wie noch nie. 2023 leisteten die Beschäftigen 55 Milliarden Arbeitsstunden – ein neuer Rekord. Außer am Rückgang der Arbeitslosigkeit liege das daran, dass heute weit mehr Frauen beruflich tätig sind – 73 % im Vergleich zu 57 % im Jahr 1991. Und: Zwischen den Generationen gebe es bei den Arbeitszeiten kaum Unterschiede. „Gen Z“ arbeitet demnach nicht weniger als die Älteren.
Dennoch: „Fachkräftenot droht in Zukunft ein weit größeres Problem zu werden als heute.“ Dabei zeigten die DIW-Studiendaten auch, wo man ansetzen könnte, um dem Personalmangel zu begegnen – über eine notwendige Ausweitung der Migration hinaus. Denn bis zu 30 % der weiblichen Beschäftigten (jede zweite arbeitet in Teilzeit) würden ihre Stunden gern aufstocken.
Dafür bräuchten vor allem Mütter Unterstützung: mehr Gleichberechtigung in der Familie – Mütter arbeiten mit 14 Wochenstunden doppelt so viel im Haushalt wie Väter und 20 Stunden mehr als diese bei der Betreuung der Kinder. Und natürlich eine Verbesserung der Kita-Situation. Außerdem politische Reformen: eine Einschränkung von Minijobs (wegen derer sich Mehrarbeit oft nicht lohnt), eine Abschaffung des Ehegattensplittings („je weniger die Ehepartnerin arbeiten geht, desto größer ist der Steuervorteil“).
„Kita-Ausbau, Gleichberechtigung, politische Reformen: Es gibt einiges, was die Berufspotenziale von Frauen heben könnte.“
Wenn man hingegen – wie teilweise als Anreiz zur Mehrarbeit gefordert – Überstunden steuerfrei stellen würde, wären es wieder eher die Männer, die mehr Überstunden machen, weil sie oft besser verdienen als ihre Partnerinnen. Das würde die ungleiche Rollenverteilung wieder zementieren.
Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
veröffentlicht bei LinkedIn 24.04.2024