Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach mit Claudia Goldin, Professorin für Volkswirtschaft an der Harvard University, Trägerin des Wirtschaftsnobelpreises 2023.
In ihrem Buch „Career and Family“ analysiert sie, warum Frauen immer noch deutlich weniger verdienen als Männer. Sie unterscheidet zwischen „gierigen“ und „flexiblen“ Jobs: In einem Haushalt mit Kindern (oder Pflegebedürftigen) müsse immer eine Person bei Bedarf einspringen können, auch wenn sie Vollzeit arbeitet. Möglich sei das nur bei einem „flexiblen“ Job, während man bei einem „gierigen“ Job jederzeit beruflich verfügbar sein müsse. Letzterer sei meist der besser bezahlte Job. „Wenn beide Partner gierige Jobs annehmen könnten, würden sie beide viel verdienen. Aber sie können es nicht“, sagt Goldin. Beide könnten zwar „flexible“ Jobs annehmen, doch wenn die „gierigen“ Jobs viel lukrativer sind, würden sie „dazu verleitet, die #Gleichberechtigung des Paares über Bord zu werfen.“ Eine Arbeitsteilung, bei der die Frau den „flexiblen“ und der Mann den „gierigen“ Job übernimmt, sei nicht in der Biologie verankert, sondern werde „gesellschaftlich vererbt“.
Laut einem Artikel in „Mary Sue“ ging Goldin bei ihrer Forschung weit in die Geschichte zurück und zeigte, wie sich die Rolle der Frauen auf dem Arbeitsmarkt verändert hat – von der Agrikulturgesellschaft Ende des 18. Jh. über die industrielle Revolution bis heute. Diese Entwicklung und verschiedene Einflussfaktoren zeigt das Schaubild unten
„Mary Sue“: „Our capitalist society has worked hard to convince us that ‚having it all‘ is a feminist ideal without doing anything to create an economically equitable playing field. (…) Many people’s understanding of feminism is limited to a belief in equal pay for equal work but we haven’t even managed to make that a reality.“
Im FAZ-Interview sagt Goldin, in traditionsgebundenen Gesellschaften wie in Japan oder Korea müssten sich Frauen immer noch entweder für eine Karriere oder für Kinder entscheiden – mit der Folge einer sehr niedrigen Geburtenrate in diesen Ländern.
Die Rolle der Männer bei der #Gleichstellung ist für die Ökonomin wesentlich. „Sie kontrollieren nicht so sehr die Türen in die Unternehmen“ (wobei es auch dort viele „Türsteher“ gebe), „sondern die eigene Haustür“. „Wenn sich etwas zum Besseren wendet, dann deshalb, weil sich die Männer verändern – sofern sie Beziehungen schätzen, in denen ihr Partner so erfolgreich ist wie sie selbst, und stolz darauf sind.“
Goldin erhält den Preis für ihre bahnbrechenden Forschungen zum Lohngefälle zwischen den Geschlechtern.
Für Dienstag dieser Woche war laut „Guardian“ in Island ein Frauenstreik geplant, „calling for pay equality and action on gender-based violence“. 1972 streikten die Frauen dort schon einmal, „leading to pivotal change including the world’s first female elected president of a country.“ Die jetzige Premierministerin Katrín Jakobsdóttir beteiligt sich am Streik.
Ein Beitrag von Natascha Hoffner, Founder & CEO of herCAREER I WiWo-Kolumnistin I LinkedIn-TOP-Voice 2020 I W&V 2019 – 100 Köpfe
veröffentlicht bei LinkedIn 24.10.2023
Quelle:
- https://www.themarysue.com/claudia-goldin-wins-nobel-prize-in-economics-for-her-examination-of-the-gender-pay-gap/
- https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/warum-machen-frauen-seltener-karriere-als-maenner-17720064.html#void
- https://www.theguardian.com/world/2023/oct/23/icelands-first-full-day-womens-strike-in-48-years-aims-to-close-pay-gap