Was hilft, um wirklich Frauen in Führungspositionen zu bringen? Beim Karriere-MeetUp sprechen wir vor dem Hintergrund aktueller Zahlen über verbreitete Mythen, warum es so wenige Frauen in deutschen Führungsetagen gibt. Wir diskutieren über die wahren Gründe, warum Frauen nicht in Führung kommen. Und wir überlegen gemeinsam, welche Lösungsmöglichkeiten insbesondere HR, aber auch das Business haben. Ich bringe einige Ideen mit und freue mich auf den Austausch dazu.
„Es wird nach Ähnlichkeit rekrutiert … das heißt: Männer rekrutieren eher Männer.“
herCAREER: Welche Mythen sind verbreitet über die Gründe, warum es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt?
Prof. Dr. Anja Seng: Sehr verkürzt heißt noch immer (zu) häufig: Es gebe keine geeigneten Frauen, sie könnten es nicht oder wollten nicht. Die Zahlen zeigen allerdings ein anderes Bild: Die Hälfte der Gesellschaft ist weiblich, und das zieht sich durch Schule und einen großen Teil der Studiengänge – es gibt sie also doch. Auch wenn es in der IT und in der Technik noch Ungleichgewichte an den Hochschulen gibt, sind die Topmanagement-Positionen auch in technisch ausgerichteten Unternehmen meist mit kaufmännisch und/oder juristisch ausgebildeten Personen besetzt. Die Qualifikation kann also nicht das Problem sein. Und mit Blick auf das „Wollen“ ist es ja auch immer die Frage, wer wie gefragt wird und welcher (kulturelle) Rahmen besteht, um neue Schritte zu gehen.
herCAREER: Woran liegt es wirklich, dass die Führungsetagen immer noch überwiegend von Männern besetzt sind?
Prof. Dr. Anja Seng: Es hat viel mit etablierten Rollenmustern zu tun, mit unbewussten Vorurteilen und mit einem nur allzu menschlichen Wesenszug: Es wird nach Ähnlichkeit rekrutiert – denn das ist vermeintlich einfacher. Das heißt: Männer rekrutieren eher Männer. Es wurde beobachtet, dass Feedback je nach Geschlecht unterschiedlich gegeben wird, dass Netzwerkstrukturen ungleich entwickelt sind und dadurch von Ebene zu Ebene immer mehr Frauen „verschwinden“ – wir sprechen hier von der „Leaky Pipeline“.
herCAREER: Welche wichtigen Aufgaben und Chancen siehst Du für HR, um einen höheren Frauenanteil im Leadership zu erreichen?
Prof. Dr. Anja Seng: Die Aufgabe von HR ist es, diese „Leaky Pipeline“ im Blick zu behalten –das gilt sowohl für den Personalbereich als auch für sämtliche Führungskräfte. Es sollten z.B. faktorenorientierte Personalprozesse etabliert werden, die (zu) subjektive Auswahl- und Beförderungsprozesse korrigieren. Standardisierte Auswahlgespräche, regelmäßige Schulungen von Interviewer:innen und ein Mehraugenprinzip sind einfach umsetzbar. Es kann eine Kultur gefördert werden, die einen besseren Ansatz im Umgang mit Zuschreibungen ermöglicht. So werden bekannte Lesarten in Frage gestellt, alternative Erklärungen gefunden, Verhalten verändert und ständiges Lernen befördert. Anreize für Führungskräfte sind ein wichtiger Ansatz, z.B. durch eine Sensibilisierung im Umgang mit Feedback und Fehlern, durch konkrete Zielgrößen und eine Belohnung für Talentförderung. Nicht zuletzt ermöglicht die systematische Entwicklung von Netzwerken eine Sichtbarmachung von Talenten.
Es gibt also viele kleine und große Stellschrauben, wie HR mehr gleichberechtigte Teilhabe aktiv fördert und so für das Unternehmen alle Potenziale zugänglich macht
herCAREER: Bei herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartner:innen aufsetzt. Zu welchen Themen kannst Du im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?
- HR der Zukunft
- Diversity Management
- gleichberechtigte Teilhabe in Führungspositionen
- Vereinbarkeit
Zur Kontaktaufnahme bitte die, von der Interviewpartner:in angegebenen, Möglichkeiten nutzen und sich auf das Interview bei herCAREER-Learn & Connect beziehen.
Über die Person
Anja Seng verbindet als Professorin und Beraterin Wissenschaft mit Wirtschaft und Praxisnähe. Sie verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung an der Hochschule in Lehre, Forschung und Hochschulmanagement, die durch Beratungs- und Vortragstätigkeiten in Personalmanagement, Employer Branding und Diversity Management optimal ergänzt werden. Dabei ist sie sowohl in KMU als auch in Konzernen unterschiedlicher Branchen und öffentlichen Verwaltungen tätig. Seit 2020 auditiert sie Organisationen in Essen im Namen des Essener Bündnisses für Familien. Sie ist gefragte Keynote Speakerin und Moderatorin und zeichnet sich durch umfassendes Engagement für mehr gleichberechtigte Teilhabe in Führungspositionen aus, z.B. als Gründungsmitglied und Mentorin in der Initiative Women into Leadership IWiL oder bei ZONTA. Ehrenamtlich engagiert sich Anja Seng seit 2020 als Vizepräsidentin der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“, in der sie seit vielen Jahren aktives Mitglied ist.
Dieses Interview bezieht sich auf ein MeetUp der herCAREER-Expo 2022, Ort und Zeitpunkt finden Sie im Programm.