Sozial und Unternehmen – für viele passt es nicht zusammen, wenn man Gutes tun möchte und dabei Geld einnimmt. Damit die eigenen Ideen, Services und Produkte auch langfristig angeboten werden können, ist es aber unvermeidlich, Geld zu verdienen und zwar so, dass ein klares tragfähiges Geschäftsmodell dahintersteht. Anabel Ternès, CEO der GetYourWings gGmbH, dem bundesweiten Lernraum für digitale Zukunftsgestalter, geht in ihrem Impulsvortrag darauf ein, wie man ein soziales Unternehmen gründet und als Führungsperson so leitet, dass es langfristig Bestand haben und erfolgreich sein kann.
„Sozial und Unternehmen – für viele passt es nicht zusammen“
herCAREER: Wie gründet man ein soziales Unternehmen?
Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg: Am besten zieht man ein Sozialprojekt genauso durchdacht auf wie ein Geschäftsvorhaben für ein nichtgemeinnütziges Unternehmen, also mit Businessplan, Strategie und Zielen. Das wirkt zwar für viele erst einmal nervig und stört einige in ihrer Anfangseuphorie und ihrer Motivation, die sie am liebsten nur in die Umsetzung der Idee stecken würden, aber es lohnt sich absolut und zahlt sich aus. Denn wenn man ungeordnet einfach loslegt, können sich viele Fehler einschleichen, die man später oftmals schlecht korrigieren kann. In der Realität ist es oft anders: Da ist eine Idee, von der man gepackt ist, was man an Missständen verändern möchte. Man kommt dabei auch möglicherweise zusammen mit anderen, die das genauso sehen und beschließt, zusammen zu starten. Ergänzende Fähigkeiten und Fertigkeiten spielen dabei oft kaum eine Rolle. Die Begeisterung am Anfang trägt oftmals die ersten Wochen und Monate, bis dann strategisches Arbeiten wirklich dringend ansteht und oftmals nicht oder nicht gut genug realisiert werden kann.
Für die Gründung bieten sich verschiedene Formen an, etwa ein Verein
Der Verein, also die Kurzform e. V., ist der Prototyp der Hilfsvereinigung. Etwa 600.000 eingetragene aktive Vereine gibt es in Deutschland. Der Vorteil dieser Organisationsform liegt klar auf der Hand. Die Gründung und Verwaltung sind ein Kinderspiel. Man braucht sieben Personen für den Start. Es muss nur eine passende Satzung erstellt werden. Die Kosten für die Anmeldung können unter 1.000 Euro bleiben. Soll der Verein beim Finanzamt als gemeinnützig registriert sein, ist ein bisschen mehr Zeit und Aufwand nötig, v. a. in der Beschreibung des Vereinszwecks. Zudem wird die Buchhaltung in dem Fall aufwändiger.
Das Pflichtorgan ist ein Vorsitzender, und die Mitgliederzahl darf nicht unter drei fallen. Geld kann der Verein zum Beispiel aus Mitgliedsbeiträgen beziehen. Ist er gemeinnützig, darf er auch Spendenquittungen ausstellen. Wirtschaftliche Zwecke darf er nicht verfolgen. Manche stören sich an dem Namen, es hängt auch oft der Begriff Vereinsmeierei in der Luft, aber neben Kaninchenzuchtvereinen gibt es große bedeutende Vereine, die national bekannt sind und wichtige gesellschaftliche Themen maßgeblich voranbringen.
Was auch möglich ist, sind Bürgerstiftungen
Wer sich vor Ort für seine Stadt oder sein Dorf engagieren will, kann eine Bürgerstiftung gründen. Diese Stiftungen von Bürgern für Bürger gibt es vermehrt seit den 1990er Jahren in Deutschland – aktuell ca. 350. Der Grundgedanke ist, dass sich Menschen aus einer Region zusammenschließen, um das Miteinander bzw. Zusammenleben vor Ort lebenswerter zu gestalten.
In Bürgerstiftungen gibt es nicht den einen vermögenden Stifter. Je mehr Bürger diese Stiftung sinnvoll finden, und sich auch dort einbringen, desto mehr Geld und Sachleistungen gibt es für die Bürgerstiftung. Hier stehen Bürger für ihren Ort ein. Die Projekte sind lokal sichtbar und jeder, der sich beteiligt, tut damit etwas für sich und andere.
Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein Sozialunternehmen zu gründen
Als Sozialunternehmer verbindet man den sozialen Gedanken mit einer Geschäftsidee. Während Vereine keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen und Unternehmen keine Spendenquittungen ausstellen dürfen, dürfen soziale Unternehmen beides, wenn sie als gemeinnützige GmbH oder gemeinnützige AG registriert sind.
Gründer mit sozialer Geschäftsidee können oftmals auf Unterstützung aus verschiedenen Programmen und Fördermitteln hoffen, beispielsweise vom Social-Entrepreneurship-Netzwerk Ashoka, das schon viele namhafte Sozialunternehmen gefördert hat wie zum Beispiel Yunus, dessen Sozialunternehmen in Entwicklungsländern mit Mikrokrediten unterstützt.
Neben dem Ashoka-Netzwerk vergibt zum Beispiel das EU-Programm Social Impact Start-Stipendien oder bietet Hilfe bei der Projektentwicklung. Geld können Sozialunternehmer auch von Stiftungen oder aus Social Investment Fonds wie Bonventure oder dem Social Venture Fund beantragen. Mittelfristig sollte sich jedoch die Geschäftsidee selbst tragen.
herCAREER: Worauf muss eine Führungsperson achten, um ein soziales Unternehmen zum Erfolg zu führen?
Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg: Ein Drittel der Deutschen engagiert sich für soziale Projekte. Jedoch sind viele davon keine Führungskräfte oder haben sich noch nicht damit auseinandergesetzt, dass auch für die Führung einer sozialen Unternehmung Führungsfähigkeiten notwendig sind.
Viele der Sozialgründer wollen in ihrem Lebensumfeld Missstände ändern und nicht darauf warten, bis sich Behörden oder jemand anderes bewegt. Mit Engagement und ehrenamtlichem Einsatz packen sie es selbst an – und gründen. Nicht selten scheitern die Vorhaben am Geld und am Fehlen eines konsequenten Plans. Gründen, Geld sammeln, Gutes tun – das allein reicht meist nicht aus, wenn man ein nachhaltiges Sozialunternehmen am Laufen halten möchte.
Bevor man loslegt, sollte man eine Strategie entwickeln, einen Businessplan aufstellen, überlegen, welche Kompetenzen man selbst abdeckt und für welche man sich Unterstützung von außen holt. Wichtig ist, sich gleich zu Beginn Fragen zu stellen, wie: Was will ich erreichen? Gibt es schon andere, die das machen, mit denen ich mich zusammenschließen, mit denen ich mich austauschen oder von denen ich lernen könnte? Was will meine Zielgruppe?
Diese Fragen wollen sich viele nicht stellen, sie sind aber immens wichtig, wenn man nicht über kurz oder lang frustriert vor der gescheiterten Initiative stehen möchte.
Ganz oben auf der To-Do-Liste steht auch, sich bewusst zu werden, was man als Gründerin in die Initiative hineinstecken möchte – und kann: Angefangen vom Zeitbudget gibt es Fragen, wie: Kann ich gut organisieren, bin ich gut im Nachhalten von Rechnungen, kann ich Controlling, wie ist mein Zeitmanagement, kann ich gut andere Menschen überzeugen oder bin ich besser darin, Projekte im Hintergrund aufzubauen, zu leiten oder nachzuhalten, bin ich gut in der Strategie, im Konzepteerstellen, kann ich einen Business- und Finanzplan aufstellen, weiß ich, wie ich die Kommunikation und das Marketing aufbaue und vieles mehr?
Auch können sich Hindernisse für den Projektverlauf einschleichen. Zum Beispiel, wenn wohl und wehe einer Organisation von einem einzigen Menschen abhängen. In unterschiedlichen Projektphasen sind deshalb unterschiedliche Kompetenzen nötig.
Zu Beginn ist es hilfreich, eine Frontfrau bzw. einen Frontmann zu haben, die oder der das Projekt mit viel Engagement und Charisma anschiebt und vorn steht, stellvertretend für das Projekt. Ist es gewachsen, muss sich die Struktur ändern. Dann stehen die Gründer der Sache und dem Unternehmen häufig im Weg, weil sie alles kontrollieren wollen oder an alten Ideen festhalten. Gründer sollten versuchen, die eigenen Kompetenzen immer im Blick zu behalten, aus den Erfahrungen zu lernen und sich auch zurücknehmen zu können.
herCAREER: Wie verdient man Geld mit einem sozialen Unternehmen?
Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg: Als Sozialunternehmer bietet man in der Regel ein Produkt oder eine Dienstleistung an, wie jedes andere Unternehmen auch. Der Unterschied ist: Der Profit steht nicht im Vordergrund, sondern die gesellschaftliche Wirkung.
Sozial denken und handeln und damit Geld zu verdienen, geht nicht nur, sondern es ist ein Muss! Viele verstehen das nicht, oftmals gerade die Mitarbeiter. Hier gilt es auch, interne Aufklärungsarbeit zu leisten, gerade als Führungskraft bzw. Gründer. Natürlich geht es keinem der Unternehmer/innen ausschließlich um Gewinne, das könnten sie an anderer Stelle wesentlich schneller erreichen, sondern es geht darum, den Sinn/Zweck einer Social Business Idee voranzutreiben und der Gemeinschaft etwas Gutes zu tun.
Gerade zu Beginn lohnt es sich, auch finanzielle Unterstützer zu gewinnen. Neben Preisen, die teilweise attraktive Gelder für die Gewinner bereitstellen und eine gute Marketingplattform bieten, um bekannt zu werden, gibt es einige interessante Geldquellen für spannende soziale Projekte:
Etwa über Stiftungen und NGOs
Förderstiftungen fördern aussichtsreiche Projekte, NGOs haben oft eigene finanzielle Töpfe, aus denen sie Geld für förderungswürdige Projekte bereitstellen. Passt das eigene Vorhaben zum Profil der Förderprogramme, sind die Erfolgsaussichten gut. Die Konkurrenz ist hier oft groß. Die Gelder werden aber meist nur einmal oder auf limitierte Zeit zur Verfügung gestellt. Oft gibt es auch eine Kombination aus Sachmitteln, finanzieller Zuwendung von nichtzurückzahlbaren Geldern und Unterstützung mit einem Netzwerk bzw. der Vermittlung interessanter Kontakte.
Eine andere Geldquelle ergibt sich über Crowdfunding
Auf Plattformen wie betterplace.org stellen Projektplaner ihre Idee vor und sammeln Kleinspenden. Ob das erfolgreich ist, hängt davon ab, wie viel Geld man braucht, wie cool man die Idee vorstellt, wie massentauglich die Idee ist und ob man die Zielgruppe auf die Plattform lenken kann, ob die angebotenen Dankeschöns attraktiv sind und ob man einfach auch in der gesamten Menge an Crowdfunding-Angeboten gefunden wird. Wichtig ist hier vor allem das Marketing, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen.
Außerdem gibt es staatliche Förderungen
Auch der Staat fördert soziales Engagement auf vielfältige Weise. So stehen zum Beispiel im Bildungs-, Gesundheits- oder Umweltschutzbereich zahlreiche Geldtöpfe für förderwürdige Projekte bereit. Aber die Bedingungen sind oft umfangreich, der Weg zur Bewilligung ist lang. Staatliche Förderung braucht oft einen langen Atem und die Ruhe und das Knowhow, um mit den Formalien klarzukommen.
Private Spender oder Unternehmen kommen ebenfalls als Geldquelle in Frage
Wer es schafft, einzelne Personen oder Unternehmen für sein Projekt zu gewinnen, hat schon viel erreicht. Neben privaten Kontakten hilft ein inhaltlicher Bezug zum Projekt. Das kann dann ein Geburtstag sein, dessen Geldgeschenke gespendet werden oder ein Firmenjubiläum, wo der Erlös einer Sammlung an das gemeinnützige Unternehmen weitergegeben wird.
herCAREER: Auf der herCAREER geht es vor allem um den fachlichen Austausch, der auf den persönlichen Erfahrungen und dem Wissen der Sparringspartnerinnen aufsetzt. Zu welchen Themen können Sie im Vorfeld / auf der Messe / im Nachgang als Austauschpartnerin fungieren – in Schlagworten?
- Neue Arten von Leadership (New, Digital, Servant, Female, Agile Leadership)
- Self Empowerment versus Personal Branding
- Können contra Karriere?
- Netzwerke mit gegenseitiger Förderung
- Von sozialen Visionen und Ellenbogen-Mentalität: Kooperationen im sozialen Sektor
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- Jobfit: wie man den richtigen Mitarbeiter für NGOs findet bzw. entwickelt
herCAREER: Wie können oder möchten Sie kontaktiert werden?
Über die Person
Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg ist Unternehmerin, Professorin für Internationale BWL, Schwerpunkt Kommunikationsmanagement, und Kommunikationsexpertin für Digitalisierung, Arbeit 4.0/HR und Gesundheit. Sie ist Autorin von über 50 Büchern und Gründerin einer digitalen Akademie, die Self Empowerment- und Leadership-Kompetenzen vermittelt. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin der GetYourWings gGmbH und setzt sich in mehreren Organisationen für Bildung und Menschenrechte ein. Anabel Ternès war mehrere Jahre in der Geschäftsentwicklung in internationalen Lifestyle-Unternehmen tätig.
Dieses MeetUp ist Teil der Karriere-MeetUps bei der herCAREER 2021.